Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Diebe dreist wie nie: Händler schlagen Alarm

Auch im Augsburger Land gibt es immer mehr organisier­te Banden, die es auf bestimmte Artikel abgesehen haben. Dafür greifen sie tief in die Trickkiste. Täglich verschwind­en in Schwaben Waren für 170 000 Euro

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Landkreis Augsburg Der Bayerische Handelsver­band schlägt Alarm: Der Schaden durch Ladendiebe hat mit fast 350 Millionen Euro eine Rekordhöhe erreicht. Was dem Einzelhand­el außerdem Sorgen macht: Immer häufiger schlagen organisier­te Banden zu – das sind Profis, die auf Bestellung stehlen. Der Augsburger Detektiv Senol Sarüce kennt ihre Tricks und Methoden.

„Oft kommt eine gut gekleidete Frau, die dann längere Zeit einen Laden ausspäht“, berichtet Sarüce, der für seine Kunden in Stadtberge­n oder Gersthofen genau hinschaut. „Nach einiger Zeit kommen dann andere Bandenmitg­lieder dazu.“Die wüssten dann genau, wie und wo sie zugreifen müssen. Dabei gehe es nicht um Kleinigkei­ten: „Sie wissen ganz genau, was sie wollen“, sagt Sarüce. Und im Nu seien Waren für 800 oder 1000 Euro eingesteck­t.

Da sind die Packungen mit Kaffeepulv­er, Pistazien und Cashewkern­en kleine Fische. Sie hatte ein Mann in einem Dinkelsche­rber Discounter eingesteck­t. Sie verschwand­en in einer schwarzen Tasche, mit der sich der Mann dann davonmache­n wollte – als er darauf angesproch­en wurde, warf er einer Mitarbeite­rin einen Karton zwischen die Beine und flüchtete. Weil es sich um größere Verpackung­seinheiten handelte, geht die Polizei von banden- beziehungs­weise gewerbsmäß­igen Diebstähle­n aus. Alfred Götz von der Polizei in Zusmarshau­sen bestätigt: „Es gibt immer wieder Banden, die bei uns durchziehe­n.“

Generell bei Ladendiebe­n beliebt sind Kosmetika, Tabakwaren, Alkohol, Elektronik-Artikel, Modeschmuc­k und Markenklei­dung. Sie verschwind­en gerne in Taschen, Tüten oder Motorradhe­lmen oder werden in Zeitungen eingerollt, um dann unentdeckt an der Kasse aus dem Geschäft geschmugge­lt zu werden. Sogar Taschen mit doppeltem Boden und Kinderwage­n werden von den Kriminelle­n laut Handelsver­band eingesetzt. Logisch: Wer vermutet dort schon gestohlene Waren?

In Schwaben entstand durch Ladendiebs­tähle im vergangene­n Jahr ein Schaden von rund 48 Millionen Euro. Umgerechne­t sind das Waren im Wert von rund 170 000 Euro, die Händler täglich durch die Lappen gehen. Die Zahl stammt vom Landeskrim­inalamt. In der Statistik erfasst sind allerdings nur diejenigen Fälle, die bei der Polizei angezeigt wurden. Die Dunkelziff­er ist hoch. Vergleich zum Vorjahr sind die Zahlen zwar leicht rückgängig. In Bayern steht Schwaben damit nach Oberbayern (130 Millionen Euro Schaden) aber an zweiter Stelle. Das gilt auch für das Geld, das die Einden Symbolfoto: Anne Wall zelhändler präventiv investiere­n – 38 Millionen (Oberbayern: 104 Millionen). „Prävention ist wichtig“, sagt Christoph Diessl, der Inhaber des Elektronik-Markts Euronics in Meitingen. Neben der elektroniI­m schen Sicherung und einer Videoüberw­achung seien die Mitarbeite­r gefragt: Ihre Sinne müssten immer wieder geschärft werden, meint Diessl. Dazu rät auch André Köhn, der Geschäftsf­ührer des schwäbisch­en Handelsver­bands. Er warnt aber auch: Der Eigenschut­z steht vor dem Schutz der Ware. Niemand dürfe sich selbst in Gefahr bringen.

Am Ende ist die Polizei gefordert. So wie vor zwei Jahren: Damals versuchten zwei Männer, mit einer Spitzhacke in den Elektromar­kt von Christoph Diessl zu gelangen. Doch der befand sich an dem Samstagabe­nd noch zufällig in seinem Geschäft und hörte, wie sich die Kriminelle­n buchstäbli­ch durchschla­gen wollten.

Er wählte sofort die 110. Danach folgte ein Großeinsat­z – sogar ein Hubschraub­er wurde nach Meitingen beordert. Einer der beiden Männer wurde festgenomm­en, der andere versuchte noch zu flüchten, was aber dank eines sprintstar­ken Gersthofer Beamten misslang. Mit brachialer Gewalt versuchten Kriminelle bereits im Jahr zuvor, in den Markt zu kommen: Sie bohrten ein etwa ein Quadratmet­er großes Loch in die Isolierung. Offensicht­lich wurden die Einbrecher dabei gestört, woraufhin sie sich aus dem Staub machten.

Aktuell warnt die Polizei auch vor Kriminelle­n, die im Geschäftsg­etümmel lange Finger bekommen: Sie bedienen sich nicht nur an der Ware, sondern greifen gerne in offene Handtasche­n. Verlockend sind für sie auch immer wieder zurückgela­ssene Taschen in Einkaufswa­gen.

angezeigt. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor waren es sieben weniger, im Jahr 2015 mit 404 Fällen deutlich mehr.

Wer sich das Alter der Täter anschaut, stellt schnell fest: Die Zahl von Kindern und Jugendlich­en, die heimlich Waren einsteckte­n, ist in den vergangene­n Jahren gestiegen. Und: Es sind überwiegen­d Männer, die stehlen. (mcz)

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Im Durchschni­tt wird im Bereich des Polizeiprä­sidiums Schwaben-Nord fast an jedem Tag ein Ladendiebs­tahl angezeigt. Doch die Dunkelziff­er ist hoch.
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