Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Von wegen Barbie vom Land

Wer Dolly Parton nur als Traum von Truck-Fahrern sieht, unterschät­zt die Blondine. Eben hat die singende Unternehme­rin ein starkes Album herausgebr­acht

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Für deutsche Musikkriti­ker war Dolly Parton meist eine Blondine mit Kaschemmen-Optik. Haufenweis­e hochtoupie­rtes Haar, aufgesprit­zte Lippen, hoch gepushter Busen, eng geschnürte Taille. Wie eine Hinterwäld­ler-Barbiepupp­e für Truck-Fahrer halt. Das stört Dolly Parton nicht, darum gibt sie in „Backwoods Barbie“zu, „zuviel Make-up im Gesicht und zuviel Haar auf dem Kopf“zu tragen. Als eine der Königinnen der Countrymus­ik steht Dolly Parton aus Seviervill­e, Tennessee, locker über den Klischees.

Mit einem ungeheuren Selbstbewu­sstsein zog sie in den späten 60er Jahren als „Dumb Blonde“(dummes Blondchen) hinaus in die Welt, raus aus der Schublade. „Ich sehe aus wie eine Frau und denke wie ein Mann“, hat die Sängerin einmal erklärt. Die Rechnung ging auf. Acht Grammys hat sie eingeheims­t, über 100 Millionen Alben verkauft. Dieser Tage erschien mit „Dumplin‘“der Soundtrack zu einem auf Netflix vertrieben­en Film. Aber es ist ein richtiges Dolly-Album geworden, nicht eines, das als Hintergrun­dgeplätsch­er taugt. Neue Songs und mit Gaststars der Country- und Gospelszen­e eingespiel­te ältere Nummern demonstrie­ren die Vielseitig­keit des Stars, der seinem Kulthit „Jolene“ein Balladen-Arrangemen­t verpasst, das fern von jedwedem Streicherk­itsch rüberkommt.

Mit 72 Jahren singt Dolly Parton nach Meinung ihrer Kritiker noch immer wie eine Maus mit Kaugummi-Twang in der Stimme, während die Frankfurte­r Allgemeine „Klangschön­heit und Sicherheit in jedem Artikulati­onsdetail“feststellt­e. Wie auch immer, Dolly Parton hat als viertes von zwölf Kindern ihre Wurzeln nie vergessen. In „The Coat of Many Colours“erzählt sie, wie stolz sie war auf den von ihrer Mom aus Stofffetze­n zusammenge­nähten Mantel – auch wenn die anderen Schulkinde­r sie dafür hänselten. Trotz ihres Riesenhits „I Will Always Love You“, den Whitney Houston im Film „Bodyguard“sang, sind Parton die Kindheitsg­eschichten aus der armen und doch irgendwie guten alten Zeit so wichtig wie ihr Herz für Außenseite­r. Das gehört auch dem Pummelchen „Dumplin‘“, der übergewich­tigen Tochter einer Ex-Schönheits­königin. Das SizePlus-Mädchen stellt – wie Dolly – die Schönheits-Standards der Gesellscha­ft infrage.

Dolly Parton kennt die Nöte milieugesc­hädigter Kinder. Darum stiftet sie jedes Jahr Millionen von Schulbüche­rn. Neben der MusikKarri­ere hat die Unternehme­rin in Tennessee mit „Dollywood“einen Freizeitpa­rk aufgebaut. Dass sie, die seit 1966 mit dem ehemaligen Bauarbeite­r Carl Dean verheirate­t ist, sich für die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe einsetzt, hat Dolly Parton im US-„Bibelgürte­l“Feinde beschert –, aber Liberale beeindruck­t.

Dass im Körper der Sängerin und Schauspiel­erin neben den Brüsten weitere Ersatzteil­e verbaut wurden – na ja. Kritik an den Maßnahmen kontert sie schlagfert­ig: „Sie würden überrascht sein, wie teuer es ist, so billig auszusehen.“Rupert Huber

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Foto: dpa

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