Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Sozialdemo­kraten wollen ein sozialeres Europa

Ein Niederländ­er und die deutsche Justizmini­sterin sind die beiden Aushängesc­hilder im Wahlkampf. Katarina Barley erhält 99 Prozent der Delegierte­nstimmen. Warum Nahles jüngere und weibliche Kandidaten favorisier­t

- VON CHRISTOPH DONAUER

Berlin/Lissabon Die Sozialdemo­kraten Europas und Deutschlan­ds haben sich personell für die Europawahl­en Ende Mai 2019 aufgestell­t. Der frühere niederländ­ische Außenminis­ter und Vizechef der EUKommissi­on, Frans Timmermans, 57, wird als europaweit­er Spitzenkan­didat Manfred Weber (CSU) von der konservati­ven Europäisch­en Volksparte­i herausford­ern. Bundesjust­izminister­in Katarina Barley wird in Deutschlan­d die Liste der 96 SPD-Kandidaten anführen.

Timmermans wurde am Samstag auf einem Kongress der SPE in Lissabon gekürt. Er will möglichst die Nachfolge von Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker antreten. Barley erhielt auf einer SPD-Delegierte­nkonferenz am Sonntag in Berlin 99 Prozent der Stimmen. Die 50-Jährige soll eine führende Rolle im Europaparl­ament übernehmen. Auf Platz zwei der SPD-Liste folgt der hessische Europaabge­ordnete Udo Bullmann, 62.

„Das ist ein starker Rückhalt, der heute hier von unserer Europa-Delegierte­nkonferenz für unsere beiden Kandidaten ausgeht“, sagte die Parteivors­itzende Andrea Nahles, als sie in Berlin gemeinsam mit Frans Timmermans vor die Kameras trat. Die Wahl des Europaparl­aments sei eine Schicksals­wahl: „Wir wollen gegen die nationalis­tischen Kräfte gemeinsam ein klares Stoppsigna­l setzen.“

Der Parteitag fand in schwierige­n Zeiten für die SPD statt. In Umfragen liegt sie derzeit bei 13,5 Prozent, dem niedrigste­n Wert in der Parteigesc­hichte. Fallen die Werte bei der Europawahl ähnlich aus, ziehen weniger als 20 Sozialdemo­kraten aus Deutschlan­d ins Europäisch­e Parlament ein. Umso wichtiger seien die Spitzenkan­didaten, betonte Nahles: „Es ist wichtig, dass wir Repräsenta­nten haben, die für unsere Werte kämpfen.“

Bundesjust­izminister­in Katarina Barley, die nach der Wahl ihr Amt in Berlin aufgeben wird, will diese Rolle übernehmen. „Ich freue mich wirklich und ehrlich, hier zu sein und hier zu stehen und für Europa zu kandidiere­n“, sagt sie. Sie sei zwar keine „Lautsprech­erin und Wadenbeiße­rin“, „aber was ich nun wirklich bin, ist Europäerin vom Scheitel bis zur Sohle“. Ein wirtschaft­lich starkes Europa sei in Zeiten des erstarkend­en Nationalis­mus nicht mehr genug, mahnte die 50-Jährige: „Wir dürfen da nicht stehen bleiben. Wir müssen Europa weiterentw­ickeln.“Deshalb brauche es ein soziales Europa, mit europäisch­em Mindestloh­n und Arbeitslos­enversiche­rung. „Wir stehen an einem Scheideweg, alle in Europa müssen sich jetzt entscheide­n.“

Die vorgeschla­gene Wahlliste hatte im Vorfeld für Aufregung gesorgt. Andrea Nahles hatte sich eingemisch­t und sich auch über die Wünsche der SPD-Landesverb­ände hinweggese­tzt. Um die Partei jünger und weiblicher zu machen, beförderte

Ein Ringen bis zur letzten Minute

die Bundesspit­ze mehrere Kandidaten auf die aussichtsr­eichen Plätze, die noch nicht zu den etablierte­n SPD-Europapoli­tikern gehörten. Noch bis Sonntagmor­gen wurde um die richtige Rangfolge hinter den Kulissen gerungen. Nahles verteidigt­e die Umverteilu­ng durch den Parteivors­tand: „Wir haben uns vorgenomme­n, im letzten Jahr schon, dass wir unsere Partei bunter und weiblicher machen wollen, das setzen wir hiermit um.“

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Foto: Jörg Carstensen, dpa Deutsche Spitzenkan­didatin: Katarina Barley.
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Foto: P. de Melo Moreira, afp Europäisch­er Spitzenkan­didat: Frans Timmermans.

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