Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Dinkelscherbener kämpfen für ihr Heim
Am Sonntag gibt es eine Demo mit Transparenten. Nach der Messe nimmt Pfarrer Martin Gall Stellung zum geplanten Aus des jahrhundertealten Seniorenheims. Dabei wird der Geistliche auch kritisiert
Dinkelscherben Das dürfte es in Dinkelscherben noch nie gegeben haben. In der Kirche wurde nach der Sonntagsmesse der Pfarrer heftig kritisiert – und dafür gab es noch Applaus. Der Grund für diese ungewöhnliche Situation ist die Schließung des jahrhundertealten Seniorenheims im Ort. Diesen Schritt hatte der siebenköpfige Verwaltungsausschuss der Hospitalstiftung beschlossen. Dem Gremium gehört auch Pfarrer Martin Gall an. Der Geistliche stellte sich deshalb nach der Messe den Fragen der Bürger. Dabei zeigt sich: Viele Dinkelscherbener sind entsetzt darüber, wie „ihr Pfarrer“diesen Beschluss mittragen konnte.
Das geplante Aus für das Seniorenheim treibt die Dinkelscherberner um. Bereits vor dem Gottesdienst gibt es eine Protestaktion mit Transparenten. Viele Dinkelscherbener eilen vor den Eingang des Seniorenheims und tragen sich in die Unterschriftenliste ein. Mit dabei ist Petra Wagner. Ihre Mutter lebt in dem Heim. Sie berichtet: „Meine Mutter ist jetzt 91 Jahre alt und hat fast ihr komplettes Leben in Dinkelscherben verbracht.“Nun bewohnt die 91-Jährige, die dement ist, ein Zimmer mit Ausblick in Richtung Kirche und Straße. „Das ist wichtig für sie. Das kennt sie.“Wenn ihre Mutter nun in eine andere Umgebung käme, „wäre das sicher sehr schlimm für sie“, sagt Wagner.
Deutliche Worte findet auch Josef Eisele. Der 69-Jährige kann nicht verstehen, dass die zwei Vertreter aus Dinkelscherben, die im Stiftungsausschuss sitzen, den Beschluss zur Schließung mitgetragen haben. Auch Alfred Fendt kann nicht nachvollziehen, warum das Haus aus finanziellen Gründen vor dem Aus stehen soll. Er vermutet, dass die Stiftung „deutliche Vermögen“in Form von Ländereien und Wäldern habe.
Es sind diese Fragen, mit denen die Bürger den Geistlichen nach dem Gottesdienst konfrontieren. Pfarrer Gall hatte zu Beginn des Gottesdienstes erklärt, dass er sich nach der Messe zu dem Thema äußern werde. Angesichts des schlechten Wetters wird die Fragestunde in der Kirche abgehalten. Der Geistliche lässt zunächst die Presseerklärung der Hospitalstiftung verteilen und liest diese vor. Darin heißt es unter anderem, dass nicht nur die Kosten für eine Sanierung der Hauptgrund für die Schließung sei. Vielmehr hätte auch das Personal gefehlt. Als Gall den Absatz vorliest, dass nach der Schließung des Senio- renheims in Dinkelscherben die Chance bestehe, den Standort Zusmarshausen langfristig zu stärken, kann eine Zuhörerin ihren Ärger nicht mehr verbergen. „Ich explohohen diere gleich“, entfährt es ihr. Es ist genau dieser Punkt, der in der anschließenden Diskussion immer wieder zur Sprache kommt. Die Stiftung betreibt nämlich zwei Einrichtungen – eine in Dinkelscherben und eine in Zusmarshausen. Letztere wurde laut Auskunft des zweiten Bürgermeisters Willibald Gleich (CSU) Anfang 2000 gebaut. Die Dinkelscherbener sind empört, dass die Stiftung, die in ihrem Ort gegründet wurde, ihr Heim aufgeben will, um den Standort Zusmarshausen zu stärken.
Willibald Gleich verkündete auch eine Neuigkeit. Bislang saß der ehemalige Bürgermeister Peter Baumeister als Vertreter der Gemeinde im Stiftungsausschuss. Baumeister habe mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt erklärt, sagte Gleich. Am Dienstag soll in der Sitzung des Gemeinderates ein neuer Vertreter gewählt werden.
Ein Bürger wollte auch wissen, warum Bürgermeister Edgar Kalb nicht zu dieser Fragestunde gekommen sei. Pfarrer Gall erklärte, dass er Kalb dazu nicht offiziell eingeladen habe. Vielmehr sei es ihm darum gegangen, „miteinander in Dialog zu treten“. Der Geistliche erklärte aber nicht genau, warum er die Schließung mitgetragen habe. Er sagte nur, dass er erst seit zwei Jahren in dem Ausschuss dabei sei. Das Gremium müsse sich fragen, was bisher alles entschieden worden sei. Ein Bürger hackte aber nach. Er meinte, dass solche Aktionen sicherlich nicht das Image der Kirche verbessern. Gall erwiderte, dass es ihm wichtig gewesen sei, dass für alle Bewohner ein Platz freigehalten werde und die Mitarbeiter einen Arbeitsplatz bekommen.
Selbstkritisch zeigte sich Gleich. Er sagte: „Wir als Gemeinde haben einiges verpennt. Wir sind zu gutgläubig an die Sache rangegangen.“
Auch nach dieser Aussprache in der Kirche wird der Protest weitergehen. Am Dienstag um 19 Uhr trifft sich im Gasthaus Vikari das Aktionsbündnis gegen die Schließung des Seniorenheims. Sie erwarten viele Besucher.