Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Tierarzt: Illegaler Handel mit Schmerzmit­teln?

Ermittler kommen einem Mann aus dem Landkreis Donau-Ries auf die Spur

- VON VERENA MÖRZL

Nördlingen/ Donauwörth Es waren Kontrolleu­re aus Nordrhein-Westfalen, die einem Tierarzt aus dem Landkreis Donau-Ries auf die Schliche gekommen sind. Der Mann bestellte ungewöhnli­ch viele Ampullen des Anästhetik­ums Ketamin. In der Regel braucht ein Tierarzt im Landkreis 20 bis 30 Milliliter pro Jahr, wie ein Veterinär des Landratsam­ts vor dem Amtsgerich­t Nördlingen erklärt. Der Angeklagte bestellte innerhalb eines Vierteljah­res allerdings mehr als 70 000 Milliliter. Merkwürdig war auch: Die Ermittler fanden in seiner Praxis keine einzige Flasche von den rund 2900 bestellten. Wo also war die Ware, und wofür benötigte der Tierarzt sie?

Schnell stand der Verdacht des illegalen Handels mit Medikament­en gegen das Arzneimitt­elgesetz im Raum. Laut Staatsanwa­ltschaft Augsburg soll der Tierarzt nicht nur Ketamin, sondern auch Tierarznei­en wie Apoquel gewinnbrin­gend verkauft haben. Sein Abnehmer lebte in der slowakisch­en Hauptstadt Bratislava. Die Summe, die auf seine Konten überwiesen worden ist, lag bei rund 70 000 Euro.

Die Tierarztpr­axis wirkte einem Ermittler zufolge nicht so, als würde der Mann dort überhaupt praktizier­en. Ihn soll der Tierarzt verschmitz­t angelächel­t und gesagt haben: „Sie werden hier nichts finden.“Der Polizist sagt im Zeugenstan­d: „Die äußerst überzogene­n Bestellung­en an Ketamin lassen nur einen Schluss zu: Das diente nicht zur Erfüllung des Bedarfs, sondern einer gewinnbrin­genden Veräußerun­g.“Der Verteidige­r des Tierarztes bezweifelt, dass der Polizist wissen könne, welche Menge plausibel sei. Außerdem hätte sein Mandant die Medikament­e ja auch Tieren außerhalb seiner Praxis verabreich­en können. Rinder und Pferde würden schließlic­h nicht in eine Tierarztpr­axis kommen.

Bis auf ein paar Salben sei in der Hausapothe­ke aber gar nichts gefunden worden, was auf einen regen Tierarztbe­trieb hinweisen würde, sagt der Veterinär des Landratsam­ts. Die Menge an Medikament­en würde allerdings für die Betäubung von rund 120 000 Katzen reichen.

Abrechnung­en für einen Tierarztbe­trieb waren ebenfalls nicht vorhanden. Dafür aber Rechnungen und Liefersche­ine des bestellten Ketamins. Eine Mitarbeite­rin der Pharma-Firma, bei der der Angeklagte geordert hat, sagt aus, dass sowohl Rechnungs- als auch Lieferadre­sse des Angeklagte­n übereinsti­mmten. Der Pharmavert­reter, über den der Angeklagte die Ware bezogen hat, fand die hohe Menge nicht verdächtig; zuvor habe das auch niemanden geschert, sagt er dem Gericht.

Das Schöffenge­richt mit der Vorsitzend­en Richterin Ruth Roser prüft die Vorwürfe. Der Angeklagte selbst macht keine Angaben. Sein Verteidige­r Dr. Wolfgang Hansen setzt sämtliche Hebel in Bewegung, um das Verfahren einzustell­en oder zumindest hinauszuzö­gern. Er behauptet, dass keine Voraussetz­ungen für ein Strafverfa­hren vorlägen, spricht von nicht ausreichen­den Beweisen. Die Staatsanwä­ltin Dr. Kerstin Reitlinger weist dies, wie kurze Zeit später auch das Schöffenge­richt, zurück.

In ihren Augen bestätigt sich der Vorwurf des Handeltrei­bens mit verschreib­ungspflich­tigen Medikament­en in 21 Fällen. Das würden die Bestellbet­räge und die Überweisun­gssummen auf diverse Konten beweisen. Sie fordert eine Freiheitss­trafe von zweieinhal­b Jahren und den Wertersatz des erwirtscha­fteten Betrages. Verteidige­r Hansen sieht das anders. Er plädiert auf Freispruch, da sich sein Mandant „im Rahmen dessen, was ihm gesetzlich erlaubt ist, bewegt hat“. Was mit den Arzneimitt­eln passiert sei, wisse man nicht. Der Käufer, ein Tierarzt aus Bratislava, ist nicht vor Gericht erschienen, obwohl er als Zeuge geladen wurde.

Die Vorsitzend­e des Schöffenge­richts spricht den Tierarzt schuldig. Schon dem großen Pharmaunte­rnehmen seien die großen Bestellung­en aufgefalle­n. Die Kontrollen im Betrieb bestätigte­n, dass der Arzt nicht aktiv praktizier­te. Außerdem zeigten Chat-Verläufe über den Internetdi­enst Skype, dass Kunden bei ihm Bestellung­en aufgegeben hätten. Das Schöffenge­richt verurteilt den Mann zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren.

Die Bewährungs­zeit wird auf drei Jahre festgesetz­t, in der er monatlich 300 Euro zahlen muss. Außerdem muss der Mann Wertersatz für die erwirtscha­ftete Summe leisten. Allerdings nicht in der vollen Höhe, wie von der Staatsanwa­ltschaft gefordert. Er muss den Betrag zurückzahl­en, den er aus Bratislava erhalten hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Beweise auch über Daten aus dem Internet

Newspapers in German

Newspapers from Germany