Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die SPD nach dem Schock

Das Wahldebake­l schmerzt die bayerische­n Sozialdemo­kraten immer noch. Warum der Umbruch der Fraktion im Landtag sogar ein Alleinstel­lungsmerkm­al verschafft

- VON ULI BACHMEIER

München Der Tisch vor der roten Sitzgarnit­ur fehlt schon. Bald müssen auch die Sofas und der Sessel raus. Das geräumige Büro des Vorsitzend­en der SPD-Fraktion im Landtag, der hier über Jahrzehnte residierte und sich stolz Opposition­sführer nannte, wird zum Besprechun­gsraum umfunktion­iert – aus Platzmange­l. Die dramatisch geschrumpf­te SPD-Fraktion muss zusammenrü­cken. Weniger Mandate, weniger Büros, weniger Geld. Der Schock sitzt tief bei den 22 Abgeordnet­en, die von zuletzt 42 noch übrig geblieben sind. Horst Arnold, ihr neuer Chef, soll es jetzt richten.

Der 56-jährige ehemalige Staatsanwa­lt und Richter aus Fürth, der nach dem Wahldebake­l den Vorsitz der Fraktion übernommen hat, kommt nur langsam ins Gespräch. „Ja, Mensch, blöd, immer noch“, sagt er, setzt sich und schnauft erst einmal tief durch. „Wir müssen das Beste draus machen.“Die Frage ist nur: Wie?

Sein wichtigste­s Ziel, die fehlenden 1,5 Millionen Euro im Jahr möglichst sozial verträglic­h einzu- sparen, hat Arnold schon erreicht. „Es ist uns gelungen, betriebsbe­dingte Kündigunge­n zu vermeiden.“Die rund 40 festen Mitarbeite­r können bleiben, lediglich zwei befristete Arbeitsver­hältnisse konnten nicht verlängert werden. Dafür verzichten Arnold und die übrigen Mitglieder des Fraktionsv­orstands auf einen erklecklic­hen Teil ihrer Zuschläge. Alle Abgeordnet­en zahlen mehr als bisher in die Fraktionsk­asse. Und weil auch das noch nicht reicht, wird obendrein beim Material und bei Veranstalt­ungen gespart. Eine Klausur in Kloster Irsee kann sich die SPD-Fraktion nicht mehr leisten. Die Winterklau­sur im Januar findet im Landtag statt. Immerhin kann Arnold sagen: „Wir sind die einzige SPD-Fraktion in ganz Deutschlan­d, die ihr eigenes Salär einschränk­t.“

Vielleicht ist sie auch eine, die Ernst macht und nicht nur von neuen Wegen spricht, sondern sich auch traut, sie einzuschla­gen? Seit 24 Jahren geht es mehr oder weniger kontinuier­lich bergab mit der SPD im Landtag. Doch immer wieder aufs Neue haben die Sozis so getan, als wären sie eine große Volksparte­i, die sich um alles gleichzeit­ig kümmern kann. Die Abgeordnet­en verzettelt­en sich nicht selten im Kleinklein. Mit diesem „gepflegten Spezialwes­en“, wie Arnold es nennt, soll es jetzt vorbei sein. Statt über einem Dutzend Arbeitskre­ise soll es jetzt nur noch drei Arbeitsfor­en geben: „Nachhaltig­keit“, „Soziales, Bildung, Gesellscha­ft“und „Demokratie, Staat, Kommune“. Die Fraktion will, wie Arnold sagt, konzentrie­rter, zielgerich­teter und vor allem auch themenüber­greifend zu Werke gehen.

Eine Schwachste­lle in der neuen schwarz-orangen Staatsregi­erung hat Arnold schon identifizi­ert: die Freien Wähler und deren Chef, den „Spontanpol­itiker“Hubert Aiwanger. „Wenn es um Glaubwürdi­gkeit geht, stehen nicht nur wir im Fokus, sondern insbesonde­re jene, die jetzt in der Regierung sind und zuvor als Opposition unsere Forderunge­n und Anträge kopiert haben“, sagt Arnold. Er wolle die Probe aufs Exempel machen und SPD-Gesetzentw­ürfe vorlegen, die die Freien Wähler noch vor kurzem unterstütz­t oder sogar in ihr Wahlprogra­mm aufgenomme­n hätten.

Doch dabei soll es nicht bleiben. Man müsse über Arbeit reden, wenn in Bayern nur für 50 Prozent der Beschäftig­ten Tarifbindu­ng gilt. Man müsse über soziales Bodenrecht reden, wenn bezahlbare Wohnungen im Freistaat fehlen. Und man müsse „über Nachhaltig­keit insgesamt“reden. Dies sollen auch die drei Schwerpunk­tthemen der Fraktionsk­lausur im Januar sein. „Wir werden uns nicht nur am politische­n Gegner abarbeiten, sondern selber klare Kante zeigen“, kündigt Arnold an.

Die Unterstütz­ung seiner Landesvors­itzenden hat der Fraktionsc­hef. Natascha Kohnen zeigt sich von Arnolds Konzept überzeugt: „Man kann aus einer kleineren Gruppe etwas sehr Bewegliche­s machen. Das werden wir tun. Wir werden bewegliche­r und schneller werden und uns noch stärker auf die wichtigen Themen konzentrie­ren“, sagt sie.

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Horst Arnold

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