Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Warum Lechbäck keine Zukunft mehr hatte
Dass die Gersthofer Backbetriebe in Schwierigkeiten stecken, zeichnete sich schon länger ab. Die Lechbäck-Filialen ereilt nun ein ähnliches Schicksal wie einst Schlecker. An einem Laden hängt ein wütender Abschiedsbrief an die Kunden
Augsburg Es klingt nach einer Menge Frust und Enttäuschung, was da am Montag an der Ladentür einer Lechbäck-Filiale in Augsburg zu lesen ist. Jemand hat einen Zettel aufgehängt. In roten Großbuchstaben heißt es: „Liebe Kunden, da ihr lieber zu minderwertigen Aufbackprodukten greift, anstatt frisch gebackene Ware zu kaufen, ist unser Unternehmen leider nicht mehr in der Lage, meinen Arbeitsplatz wirtschaftlich zu betreiben und muss die Filialen ab sofort schließen.“Mit der Pleite der Gersthofer Backbetriebe ist auch für die Lechbäck-Filialen Schluss. Die Regale sind leer, die Türen versperrt. Das Logo mit dem Brot in Sparschweinform wird aus der Region verschwinden.
Es ist ein harter Schlag für die Mitarbeiter. Rund 480 Menschen verlieren ihren Job – und das nur zwei Wochen vor Weihnachten. Doch stimmt der Vorwurf von der Ladentür, dass letztlich die Kunden das Ende der Gersthofer Backbetriebe zu verantworten haben? Weil sie heutzutage lieber „minderwertige Aufbackware“kaufen? So einfach ist das nicht. Branchenkenner sagen, dass die Strategie von Lechbäck schon länger aus der Zeit gefallen war. Während andere Bäckereien ihre Filialen zu Cafés und teils sogar zu Restaurants ausgebaut haben, setzte Lechbäck weiter auf billig. Der Preis der Backwaren war günstig. Dafür verharrte die Gestaltung der Filialen auf 1980er-Jahre-Niveau. Bei anderen Bäckern gibt es inzwischen fast mehr Kaffee-Varianten als unterschiedliche Semmeln. Bei Lechbäck kam der Kaffee teils noch aus der Thermoskanne.
Lechbäck trifft ein Schicksal, das vergleichbar ist mit dem Aus für Schlecker vor einigen Jahren. Karge Ladenausstattung, wenig Personal – so zog es Schlecker durch, während andere Drogeriemärkte sich längst als Wohlfühlorte inszenierten. „Den Vergleich kann man durchaus ziehen“, sagt Tim Lubecki von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Wer für gutes Brot auch gutes Geld ausgeben wolle, der gehe zu den Markenbäckern in der Region. Wer dagegen möglichst günstig sein Brot einkaufen wolle, der gehe in der Regel gleich zu Aldi, Lidl & Co. Ehemalige Mitarbeiter der Backbetriebe bestätigen diese Entwicklung. Die Umsätze in den Lechbäck-Filialen seien in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Teils hätten die Einnahmen in einzelnen Läden nicht einmal gereicht, um die Ladenmiete zu decken.
Die 24 Lechbäck-Filialen mit ihren rund 80 Verkäuferinnen waren ohnehin nur ein kleiner Zweig des Gersthofer Unternehmens, mit einen Anteil von rund fünf Prozent an den zuletzt rund 35 Millionen Euro Jahresumsatz. Die anderen 95 Prozent erwirtschafteten die Backbetriebe mit dem Verkauf von Backwaren an Großkunden wie Discounter und Supermärkte. Das Kernge- schäft war es, die Filialen der Discounter täglich mit frischen Backwaren zu beliefern. Doch auch dieses Geschäft ist stark rückläufig. Die Discounter setzen immer mehr auf tiefgefrorene Ware, die erst in den Märkten fertig gebacken wird.
Die Backbetriebe seien dabei, umzusteuern, teilte das Unternehmen noch im Sommer mit. Die Bäckerei suchte neue Kunden, etwa Kantinen oder Kliniken in der Region, um das Geschäft breiter aufzustellen. Doch der Wandel in der Branche vollzog sich offenbar zu schnell. Als nun auch noch der Hauptkunde Aldi seinen Vertrag mit den Backbetrieben kündigte, zog die Firmenleitung die Reißleine. Dass die Gersthofer Backbetriebe in Schwierigkeiten stecken, deutete sich schon im Februar an. Damals traten die Backbetriebe aus dem Arbeitgeberverband aus, um den Mitarbeitern keine Lohnsteigerungen zahlen zu müssen, die der Tarifvertrag vorsah.
Im Juli wurde dann ein Streit zwischen Firmenleitung und Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht ausgetragen. Der Betriebsrat hatte vor allem das Verhalten einer Personalleiterin kritisiert. Ältere Verkäuferinnen in den Lechbäck-Filialen fühlten sich schlecht behandelt. NGG-Sekretär Tim Lubecki äußerte den Verdacht, die Firma wolle langjährige und besser bezahlte Verkäuferinnen loswerden. Es gab aber auch Verkäuferinnen, die diese Kritik nicht teilten und hinter der Personalchefin standen. Rund zwei Drittel der Verkäuferinnen unterschrieben auf einer Solidaritätsliste für die Chefin. Der Wirbel war nicht unbedingt gut für das Geschäft: Ein Augsburger Unternehmen, dessen Kantine von den Gersthofer Backbetrieben beliefert wurde, sprang nach Informationen unserer Redaktion wegen der Negativ-Schlagzeilen ab.
Viele Beschäftigte hofften trotz der schwierigen Lage bis zuletzt, dass es weitergeht. Noch im Herbst wurde den Mitarbeitern, die bleiben und nicht das Weite suchen, eine Prämie von 200 Euro versprochen. Noch Ende voriger Woche wussten viele Beschäftigte nichts davon, dass sie ab Montag keinen Arbeitsplatz mehr haben. Gehofft hatten die Mitarbeiter auch auf die Hilfe der Münchner Serafin-Gruppe, die die
Eine Kunde sprang wegen der Negativ-Schlagzeilen ab
Backbetriebe 2014 übernommen hatte. Hinter Serafin steht als Hauptgesellschafter Philipp Haindl, ein Spross der Unternehmerfamilie Haindl. Sie ist bekannt durch die Papierfabrik, die sie in Augsburg betrieben und im Jahr 2001 an den UPM-Konzern verkauft hat. Ein anderer bekannter Augsburger aus der Familie, Georg Haindl, hat mit ihm beruflich nichts zu tun.
Serafin investiert in mittelständische Firmen mit dem Ziel, deren Geschäft auszubauen und ertragreicher zu machen. In Gersthofen ist daraus nichts geworden. Am Montag protestieren aufgebrachte Mitarbeiter vor dem Firmengebäude in Gersthofen. Für die Tage, die sie im Dezember noch gearbeitet haben, bekommen sie wegen der Pleite nun nicht einmal mehr den Lohn ausbezahlt. Gesammelte Überstunden, Urlaubstage – das alles ist weg. Serafin-Chef Philipp Haindl hatte angekündigt, die Mitarbeiter mit einer siebenstelligen Summe unterstützen zu wollen. Zu dieser Zusage steht er auch noch am Montag. Auf Anfrage teilt Serafin unserer Redaktion recht bürokratisch formuliert mit, einen „finanziellen Beitrag“beizusteuern. „Zur Abmilderung eventueller Folgewirkungen auf die Mitarbeiter.“