Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Bahn-Pendler von Ausstand kalt erwischt
Neuer Betreiber auf der Strecke ins Allgäu muss am zweiten Tag improvisieren, obwohl er nicht bestreikt wurde
Region Bundesweit ging am frühen Montagmorgen auf den Schienenstrecken der Republik (fast) nichts mehr – und auch im Raum Augsburg hat der Warnstreik der Gewerkschaft EVG bei der Bahn viele Pendler kalt erwischt. Am Hauptbahnhof suchten viele nach Möglichkeiten, doch noch mit dem Zug nach München zu kommen. Andere setzten sich ins Auto – und standen auf der A 8 im Stau. Um 9 Uhr endete der Streik, doch die Auswirkungen des Ausstands waren noch länger zu spüren.
Am Hauptbahnhof bildete sich vor dem Infostand eine lange Schlange, ein Teil der Wartenden stand im Regen. Christiane Muth sollte um 10 Uhr bei einer Besprechung in München sein. Um 6.30 Uhr sah sie zu Hause, dass ein Zug um 6.44 Uhr fahren sollte. Das war für sie nicht zu schaffen. Die nächste Chance sollte sich kurz vor acht Uhr bieten – doch um 8.20 Uhr stand Christiane Muth immer noch am Bahnhof. Sie hat kein Verständnis für den Streik, da das Angebot der Bahn gut gewesen sei. Eine andere Pendlerin saß in einem Zug nach München, der aber nicht abfuhr. Die Pendler seien „leidgeprüft“– und würden sich schon gar nicht mehr aufregen. Um 8.50 Uhr fuhr ihr Zug in Richtung München los – halb leer. Offenbar waren viele Pendler aufs Auto umgestiegen oder nach Hause gegangen.
Vivian Götz hätte um 9 Uhr in Donauwörth sein sollen: „Ich habe meinen Chef angerufen, dass es nicht klappt.“Während eines früheren Streiks hatte sie sich mit anderen Pendlern zusammengetan und ein Taxi genommen. „Die Bahn hat die Kosten aber nicht übernommen.“Weil das so ist, fand sie am Montag keine Taxi-Mitfahrer.
Auch die Bayerische Regiobahn (BRB) und Meridian waren vom Streik indirekt betroffen: Weil bei der Bahn auch die DB Netz AG, die für Gleise, Weichen und Signale zuständig ist, bestreikt wurde, konnten auch die anderen Anbieter nicht fahren. Die BRB fährt unter anderem in Richtung Ammersee und Aichach – und seit dem Fahrplanwechsel am Wochenende auch auf der Strecke von Augsburg ins Allgäu. Fast alle Zugverbindungen fielen aus: „Bis 9 Uhr konnte bei uns kein Zug verkehren. Wenn die Weichen und Signale nicht gestellt werden, dann sind uns die Hände gebunden“, sagte BRB-Sprecher Christopher Raabe gegenüber unserer Zeitung: „Unsere Mitarbeiter stehen quasi Gewehr bei Fuß und sitzen teilweise in den Bahnen, können aber nicht losfahren. Wir bedauern das sehr.“Der Sprecher erinnert sich an einen Streik vor einigen Jahren, als man versucht hatte, trotzdem zu fahren. „Nach zwei Stationen war meist Schluss“, so Raabe. Auch Mitarbeiter der BRB sind in der Gewerkschaft EVG organisiert. Zum Streik aufgerufen wurden gestern aber nur die Mitarbeiter der Deutschen Bahn. Raabe: „Klar ist das ärgerlich, weil wir nicht bestreikt werden. Aber da kann man nichts machen.“
Kurz nach 9 Uhr waren dann die ersten Bahnen unterwegs. So fuhr der Zug von Augsburg nach Füssen pünktlich. Er war etwas voller als sonst, aber nicht überfüllt. Bei anderen Zügen gab es noch Verspätungen, doch gegen Mittag hatte sich die Lage einigermaßen normalisiert.
Mancher Kunde hatte am Morgen beim Blick in die Fahrplan-App noch gehofft, pünktlich in die Arbeit zu kommen. Denn die Verbindungen der BRB wurden dort aufgeführt, die der DB nicht. Raabe: „Die App betreibt die Bahn. Wir haben zwar die Infos geliefert, dass auch unsere Züge nicht fahren können, aber das hat sich in der App offenbar nicht durchgeschlagen. Warum das so war, das weiß ich auch nicht.“
Arbeitnehmer und Schüler kamen wegen des Streiks zwar zu spät. „Aber die Auswirkungen hielten sich bei uns in Grenzen“, hieß es sowohl bei der Leonhard-WagnerMittelschule als auch beim Gymnasium in Schwabmünchen. Offenbar waren die meisten auf Auto oder Busse umgestiegen.
Die BRB ist seit Sonntag Betreiber der Strecken von Augsburg nach Landsberg und Augsburg nach Buchloe – und ist direkt am zweiten Tag mit dem Streik konfrontiert. Raabe: „Das ist natürlich bedauerlich, zumal am Sonntag zum Start alles sehr gut lief.“Trotz des neuen Betreibers halten sich Änderungen im Fahrplan aber in Grenzen. Auffällig ist, dass einige Züge nun länger sind, weil bei der BRB keine Doppelstockwagen im Einsatz sind: „Das, was die Bahn in der Höhe gemacht hat, müssen wir durch Länge ausgleichen.“Was die Zahl der Sitzplätze betrifft, habe sein Unternehmen alle Vorgaben erfüllt.