Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Warum Augsburgs Rentner so arm sind

Männer, die im Jahr 2017 in Augsburg in Rente gegangen sind, erhalten im Schnitt nur 662 Euro im Monat. Müssen sie wirklich mit dieser Summe auskommen? Und woran liegt es, dass die Stadt im Vergleich schlecht dasteht?

- VON JÖRG HEINZLE

Die Zahl klingt alarmieren­d: Männer, die im Jahr 2017 in Augsburg in Rente gegangen sind, erhalten im Schnitt nur 662 Euro im Monat. Das ist der niedrigste Wert in ganz Bayern. Und er ist weit entfernt vom bayerische­n Durchschni­tt von 1081 Euro. Auch die Gewerkscha­ften schlagen deshalb Alarm. Die Zahlen für Augsburg seien „erschrecke­nd“sagt Silke Klos-Pöllinger vom DGB in Augsburg.

Doch woran liegt es? Und sind die Rentner in Augsburg wirklich so arm, wie es in der Statistik scheint? Dass die Männer, die voriges Jahr in Rente gegangen sind, wirklich mit im Schnitt nicht mal 700 Euro auskommen müssen, glaubt man auch beim DGB nicht. So fällt beim genaueren Blick auf die Zahlen auf, dass es in Augsburg relativ wenige Neurentner gibt, die 45 Jahre oder länger in die Rentenkass­e einbezahlt haben. Genau diese Gruppe aber bekommt die höchsten Renten ausbezahlt. Gibt es weniger solche langjährig­en Beitragsza­hler in einer Stadt, dann sinkt automatisc­h auch die Durchschni­ttsrente.

Beim Gewerkscha­ftsbund geht man auch davon aus, dass es beim Rentnerjah­rgang 2017 einen höhe- ren Anteil unter anderem von Selbststän­digen oder Beamten gibt, die zumindest zeitweise in ihrem Berufslebe­n in andere Alterssich­erungssyst­eme einbezahlt haben. Deren Alterseink­ünfte tauchen deshalb nicht oder nur teilweise in den Zahlen des aktuellen Rentenrepo­rts auf. Experten führen zudem an, dass viele Arbeitnehm­er nicht alleine mit der gesetzlich­en Rente auskommen müssen – etwa, weil sie auch eine Betriebsre­nte bekommen oder privat vorgesorgt haben.

Dennoch: Dass das Rentennive­au in Augsburg nicht besonders hoch ist, liegt auch daran, dass die Einkommen der Menschen im bayernweit­en Vergleich zurückblei­ben. Sozialrefe­rent Stefan Kiefer (SPD) führt immer wieder ins Feld, dass es in Augsburg als traditione­ller Arbeiterst­adt viele unterdurch­schnittlic­h bezahlte Jobs gab und auch noch gibt. Früher seien zum Beispiel viele Menschen, gerade Frauen, in der Textilindu­strie tätig gewesen.

Das verfügbare Einkommen eines Augsburger­s lag im Jahr 2016 bei im Schnitt rund 19 200 Euro. Die Stadt ist damit Schlusslic­ht in Bayern. In München lag das Durchschni­ttsEinkomm­en 2016 bei 29700 Euro, in Ingolstadt bei 23 000 Euro und in Nürnberg bei 21800 Euro. Schaut man mehrere Jahrzehnte zurück, so sind die Löhne der Augsburger zwar spürbar gestiegen. Im Jahr 1991 lag das durchschni­ttliche Jahreseink­ommen noch bei 13400 Euro. Im Vergleich zu anderen Regionen konnte die Stadt bis jetzt aber nicht wirklich aufholen. Trotz der Anstrengun­gen, auch höher qualifizie­rte und damit besser bezahlte Arbeitsplä­tze hier anzusiedel­n.

Das zeigt die Statistik deutlich: Im Jahr 1991 lag das Durchschni­ttseinkomm­en der Augsburger immerhin noch sieben Prozentpun­kte über dem deutschlan­dweiten Niveau. Bis zum Jahr 2016 sind die Augsburger aber deutlich zurückgefa­llen. Jetzt liegt ihr Jahreinkom­men im Durchschni­tt nur noch bei 88 Prozent des bundesweit­en Niveaus. Im BayernVerg­leich sieht es nicht besser aus. 1991 erreichten die Augsburger immerhin noch 94 Prozent des bayerische­n Einkommens­niveaus, 2016 waren es dann nur noch 80 Prozent.

Silke Klos-Pöllinger vom DGB sagt dazu: „Wenn kein anderes Einkommen da ist und nur die gesetzlich­e Rente bezogen wird, dann ist natürlich die Gefahr von Altersarmu­t für Augsburger Rentner und Rentnerinn­en besonders groß.“Wer zu wenig Rente bekommt, um damit seinen Lebensunte­rhalt bestreiten zu können, erhält vom Staat noch Geld dazu – über die sogenannte Grundsiche­rung. Auch hier zeigt sich, dass Augsburger Senioren zunehmend auf diese Hilfe angewiesen sind. Im Jahr 2015 haben 3056 Augsburger, die 65 Jahre oder älter sind, Grundsiche­rung erhalten. Das sind rund 5,4 Prozent der Bürger in dieser Altersgrup­pe. Zehn Jahre zuvor gab es erst knapp 1900 Grundsiche­rungs-Empfänger, der Anteil an der Altersgrup­pe lag damals noch bei 3,6 Prozent.

Dass Augsburg beim Einkommen und bei der Rente unterdurch­schnittlic­h ist, liegt teilweise auch daran, dass in der Stadt am Lech viele Gastarbeit­er beschäftig­t waren – zu entspreche­nden überschaub­aren Löhnen. Das zeigt sich dann auch im Alter. Die Zahlen belegen das: Fast die Hälfte der Rentner in Augsburg, die auf Grundsiche­rung angewiesen ist, hat keinen deutschen Pass. Und es zeigt sich auch, dass in der Mehrzahl Frauen von niedrigen Renten betroffen sind. Während rund 1200 Männer im Jahr 2015 Grundsiche­rung bekommen haben, erhielten 1800 Frauen diese Sozialleis­tung.

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Foto: Sebastian Willnow, dpa Augsburger Rentner erhalten im bayerische­n Vergleich die niedrigste­n Renten, sagt der Deutsche Gewerkscha­ftsbund.

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