Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Abgezweige­lt

Warum mancher Österreich­er eine beliebte Rotweinsor­te „entnazifiz­ieren“will

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Es ist bezeichnen­d für den österreich­ischen Umgang mit seiner NS-Vergangenh­eit, dass erst jetzt das Augenmerk auf den Winzer Friedrich „Fritz“Zweigelt gerichtet wird. Die einen mögen die Aufregung für übertriebe­n halten. Andere dagegen wollen die nach dem Steirer benannte Rotweinsor­te Zweigelt, eine Kreuzung aus St. Laurent und Blaufränki­sch, umbenennen. Denn Zweigelt war ein glühender Nazi.

2019 soll ein ausführlic­hes Buch über die NS-Vergangenh­eit der Weinbranch­e erscheinen, das die „Österreich Wein Marketing GmbH“derzeit erarbeiten lässt. Angefacht wurde die Diskussion über Zweigelt aber vor allem durch das Buch „Der Wein des Vergessens“ des Historiker­s Robert Streibel, der die Arisierung jüdischer Weingüter in der Wachau untersucht­e. Streibel ist zudem einer der Initiatore­n der Aktion „Abgezweige­lt“, die am Montag mit Unterstütz­ung des „Institut ohne direkte Eigenschaf­ten“in einer Pressekonf­erenz die Forderung nach der Umbenennun­g erhob. Die Gruppe steht in gewisser Weise in der Tradition der Aktionskün­stler um Otto Muehl. Doch auch zwei Winzer gehören dazu: Friedl Umschad aus dem nördlichen Weinvierte­l und Maximilian Brustbauer aus der Wachau.

Sie kündigten an, Zweigelt ab 2019 unter dem Namen „Blauer Montag“zu verkaufen. Der Name dürfte sich wohl kaum durchsetze­n – realistisc­her erscheint da schon der alte Name „Rotburger“. Friedrich Zweigelt hatte die Sorte 1922 gezüchtet und so genannt. Lange blieb es dabei; erst 1975, als er längst tot war, erhielt die Rotweinsor­te durch die Qualitätsw­einverordn­ung den Namen Zweigelt. Für Österreich ist dieser Wein ein wichtiges Exportgut. Mit 42,3 Prozent der bebauten Rotweinflä­che steht er an zweiter Stelle hinter dem Grünen Veltliner, der auf 47 Prozent (der Weißweinfl­äche) angebaut wird.

Friedrich Zweigelt war 1933 in die damals noch verbotene NSDAP eingetrete­n, ein überaus früher Zeitpunkt für Österreich, das 1938 ans Deutsche Reich „angeschlos­sen“wurde. Er profitiert­e davon – vor allem nachdem er einen Augustiner­chorherren wegen Mitgliedsc­haft in einer Widerstand­sgruppe an die Gestapo verraten hatte.

 ?? Foto: S. Willnow, dpa ?? Weintraube­n der Sorte Zweigelt – ihr Name ist umstritten.
Foto: S. Willnow, dpa Weintraube­n der Sorte Zweigelt – ihr Name ist umstritten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany