Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Junger Mann verliert Nerven und sticht mit Messer zu

Wie eine aufrichtig­e Entschuldi­gung einen 26-Jährigen vor einer Freiheitss­trafe bewahrt

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Landkreis Augsburg Dass sich Täter im Gerichtssa­al bei ihren Opfern entschuldi­gen, ist an der Tagesordnu­ng. Oft sind es wenige Worte, manchmal werden sie sogar vom Verteidige­r in der Hoffnung auf eine mildere Strafe vorgelesen. Anders war es gestern am Amtsgerich­t Augsburg: Ein 26-jähriger Lagerarbei­ter drückte ganz beherzt sein Bedauern aus, dass er vor einem Jahr einen anderen Mann mit einem Messer verletzt hatte. Er stand auf, ging zum Opfer, reichte ihm die Hand und schüttelte sie kräftig.

Laut Anklage hatte der Lagerarbei­ter sein Opfer mit einer etwa fünf Zentimeter langen Klinge unterhalb der linken Achsel getroffen. Die Folge: eine zwei Zentimeter tiefe Wunde, die ambulant im Klinikum versorgt werden musste. Darüber, wie es zum Messerstic­h kam, gibt es verschiede­ne Darstellun­gen.

Die Staatsanwa­ltschaft fasste das Geschehen so zusammen: Nachts gegen 2.15 Uhr kam es im November 2017 in einer Straße in einer kleinen Gemeinde im westlichen Landkreis zunächst zu einer verbalen Auseinande­rsetzung zwischen zwei Männern. Darauf folgte ein Händel, in dessen Verlauf der 26-Jährige aus seiner Hosentasch­e das Messer zog und zustach.

Der Angreifer hatte eine andere Erinnerung an die Nacht: Er sei mit einem Freund gerade aus einer Bar gekommen. Dann habe es gegenseiti­ge Beschimpfu­ngen mit zwei Männern auf der anderen Straßensei­te gegeben. Die beiden Streithähn­e rückten aneinander und hätten sich hin- und hergeschup­ft. Dann habe der Angeklagte sein Messer gezückt und es warnend in die Höhe gehalten. Daraufhin sei der 46-jährige Kontrahent „richtig aggressiv“geworden und habe ihn gewürgt.

Der Maurer erlebte die Nacht wiederum etwas anders: Er und sein Freund hätten den späteren Messerstec­her – der nach Wodka- und Bierkonsum laut Polizei einen Blutalkoho­lwert von etwa einem Promille hatte – zweimal auf der Straße zur Ruhe ermahnt. Daraufhin sei er schon mit den Worten „Ich stech dich ab“auf ihn losgestürm­t. Bleibende Erinnerung ist eine Narbe.

Für Richterin Rita Greser hatte der 26-Jährige damals die Nerven verloren und dann überreagie­rt. Ohne den Vorfall zu bagatellis­ieren: Für sie handelte es sich um einen minderschw­eren Fall, der am Ende eine Geldstrafe in Höhe von 3150 Euro zur Folge hatte. Staatsanwä­ltin Andrea Lieb hatte für die angeklagte gefährlich­e Körperverl­etzung eine zwölfmonat­ige Bewährungs­strafe samt 80 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit gefordert – schließlic­h ging der Messerstic­h in eine empfindlic­he Körperregi­on.

Der Anwalt des Angeklagte­n, Thorsten Junker, plädierte für eine geringere Strafe: Es gab bereits einen Täter-Opfer-Ausgleich von fast 1700 Euro und eine aufrichtig­e Entschuldi­gung. Sein Mandant beteuerte: „Das nächste Mal hole ich sofort die Polizei.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany