Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Kommunikat­ion mit verwirrten Menschen

Petra Wannicke ist eine zertifizie­rte Validation­slehrerin und erklärt bei einem Kurs in der Volkshochs­chule, wie der Umgang mit desorienti­erten Menschen funktionie­ren kann

- VON STEFFI BRAND

Landkreis Augsburg Immer häufiger stößt Maria an ihre Grenzen. Ihre Mutter Anneliese ist alt und verwirrt, manchmal sogar desorienti­ert. Gespräche mit Anneliese gestalten sich für Maria zunehmend anstrengen­der, denn sie weiß nicht mehr, wie sie ihrer eigenen Mutter begegnen soll. Auf der Suche nach einer Lösung für ihr Problem ist sie auf Naomi Feil und ihre Kommunikat­ionsmethod­e der Validation® gestoßen. Was das genau bedeutet, möchte sie nun von Petra Wannicke lernen, die dazu einen Kurs bei der Volkshochs­chule anbietet.

Was sich hinter dem Wort verbirgt, mit dem nur wenige etwas anfangen können, ist ein wertschätz­ender, empathisch­er Umgang mit desorienti­erten Menschen. Für wertvoll wird sowohl der Mensch erachtet als auch die Kommunikat­ion mit ihm. Die Kommunikat­ionsmethod­e basiert auf psychologi­schen Prinzipien, die Petra Wannicke auch aus ihrer Tätigkeit als Heilprakti­kerin für Psychother­apie geläufig sind. Sie weiß: „Es ist ein großer Schritt für Angehörige, aus den alten Schuhen zu schlüpfen und sich neu auf den Angehörige­n in seiner verwirrten und vielleicht sogar desorienti­erten Art einzustell­en.“Doch genau diesen Weg versucht die Kommunikat­ionsform der Validation zu bereiten.

Die typischen W-Fragen können beispielsw­eise dabei helfen, einen verwirrten Menschen anzusprech­en. Erklärt Anneliese, sie will Hause, könnte Maria in ein Gespräch einsteigen und Fragen stellen: Wo ist dein Zuhause? Wo möchtest du hin? Was willst du machen? Wie fühlst du dich? Was bewegt dich? Was siehst du, wenn du an Zuhause denkst? Was machst du als Erstes, wenn du zu Hause bist? Möglich ist der Einsatz dieser in den ersten beiden Phasen der Desorienti­erung. In dieser Zeit ist eine verbale Form der Kommunikat­ion noch möglich.

In Phase drei und vier der Desorienti­erung wird diese verbale Kommunikat­ion immer häufiger zur nonverbale­n Kommunikat­ion. Berührunge­n stehen dann im Vordernach Symbolfoto: Oliver Berg, dpa

grund und der Gesang. „Lieder sind der Königsweg der Gefühle“, weiß Petra Wannicke. So kann das Lied „Kommt ein Vogel geflogen“dem Gefühl des Verlorense­ins Ausdruck verleihen. Das Gefühl von Wut hingegen kommt in den Klassikern „Das Wandern ist des Müllers Lust“und „Es klappert die Mühle am rauW-Fragen schenden Bauch“gut zum Ausdruck.

In der Ausbildung von Pflegekräf­ten wird das Thema Validation regelmäßig behandelt, weiß die examiniert­e Krankensch­wester aus eigener Erfahrung. Nur es auch in der Praxis zu leben, bedeutet eine Gratwander­ung für Pflegekräf­te. „Empathie und das Einlassen auf die Gefühle eines Menschen lässt sich nur schwer mit der profession­ellen Distanzier­theit im Pflegeallt­ag verbinden“, sagt Petra Wannicke und ergänzt: Die Kommunikat­ionsform der Validation könne auch privat eingeübt und angewendet werden. Grundvorau­ssetzung ist Empathie.

Eine empathisch­e Grundhaltu­ng ist nötig, um herauszufi­nden, wo sich der andere gerade befindet, was er äußert und welche Form der Kommunikat­ion Zugang zu diesem verwirrten Menschen ermöglicht. Gelingt die Validation in der Praxis, ist es möglich, Vertrauen zum alten Menschen aufzubauen, ihm zu ermögliche­n, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen und ihm so Würde und Selbstwert­gefühl zurückzuge­ben. Auch das Lösen unerledigt­er Lebensaufg­aben spielt im hohen Alter eine Rolle, wenn die Phase des Aufarbeite­ns beginnt.

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Ein wertschätz­ender, empathisch­er Umgang ist für demenzkran­ke Menschen wichtig.
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Petra Wannicke

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