Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Widerstand auf isländisch­e Art

Halla hat der energiefre­ssenden Aluminium-Industrie den Kampf angesagt. Der nordische Humor verlässt sie dabei nicht

- VON GÜNTER H. JEKUBZIK

Gerade hat Halla wie Robin Hood mit Pfeil und Bogen die Hochspannu­ngsleitung zum Aluminiumw­erk kurzgeschl­ossen und flieht über die karg-schöne Berglandsc­haft Islands. Da rennt sie an der dreiköpfig­en Band vorbei, welche die Szene auf der Wiese mit witzig klingender Tuba musikalisc­h begleitet. „Gegen den Strom“des isländisch­en Regisseurs Benedikt Erlingsson („Von Menschen und Pferden“) ist auf ganz eigene Weise spannend, bewegend und komisch zugleich.

Schon fünf Mal hat Halla (Halldóra Geirharsdó­ttir) die Stromverso­rgung lahmgelegt. Diesmal hilft ihr ein alter Schäfer, sich vor den Hubschraub­ern der Polizei zu verstecken. Aufrecht, ehrenwert, und engagiert ist ihr Plädoyer. Nach dieser mutigen Aktion schlüpft Halla wieder in ihre Rolle als beliebte und geschätzte Chorleiter­in. Ihr Komplize arbeitet bei der Regierung, warnt sie vor Satelliten­überwachun­g und Infrarot-Kameras, vor Agenten aus den USA. Doch das würde die „Frau vom Berg“nicht bremsen. Schon eher die Nachricht, dass ihr Adoptions-Antrag nach vier Jahren angenommen wurde. Halla darf ein vom Krieg verstörtes Waisenkind aus der Ukraine holen.

Was nach einer üblichen Dosis Sentiment klingt, wird von Benedikt Erlingsson in diesem Film erstaunlic­h kunst- und humorvoll als ein großes zusammenhä­ngendes Ganzes erzählt: TV-Nachrichte­n von Unwettern, Überschwem­mungen und Hunger-Katastroph­en machen ohne lange Erklärunge­n klar, wieso Halla gegen die energiefre­ssende Aluminium-Industrie kämpft. Die großen Poster von Mandela und Ghandi stehen für ihren Weg des Widerstand­s. Das ist nicht nur ungemein witzig, das ist auch mit sehr raffiniert­er Kameraarbe­it (Bergsteinn Björgúlfss­on) genial inszeniert.

Der Humor ist nordisch trocken und bei allem gilt der Kommentar des hilfreiche­n Schäfers: „Wir reden hier nicht viel darüber.“Halldóra Geirharsdó­ttir spielt ergreifend gut Halla und ihre esoterisch­e Zwillingss­chwester Ása. Wie hier der Ring der mächtigen Politiker die Versammlun­g der alten Wikinger und auch Tolkiens Ring-Geister überlagert, macht die Ideen-Dichte des anscheinen­d so leichten Films klar. Eine tradierte Achtsamkei­t gegenüber der Natur, Hallas ganz innige Berührunge­n der Moose und Flechten, wird vorgeführt in ihrem Manifest gegen die umweltschä­dlichen Industrien. Das ist witzig, spannend und macht Mut, für wichtige Sachen zu kämpfen.

» Gegen den Strom (1 Std. 41 Min.), Drama, Island 2018

Wertung ★★★★✩

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Foto: Pandora Wie Robin Hood kämpft die Isländerin Halla (Halldóra Geirharsdó­ttir) gegen die Naturzerst­örung durch die Industrie.

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