Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die neue Lust auf Blaufränki­sch

Was hat es nur mit dieser Rebsorte auf sich? Blaufränki­sch ist weder blau noch fränkisch und in Deutschlan­d heißt der rote Österreich­er Lemberger. Man sollte den Rotwein nicht unterschät­zen: Sein Potenzial reicht für ganz oben an die Spitze

- VON HERBERT STIGLMAIER

Der Blick auf die österreich­ische Abteilung der Weinkarte im Restaurant erweckt in vielen Fällen große Freude: Da begleitet der Grüne Veltliner aus der Wachau, dem Kamptal oder dem Weinvierte­l die Forelle, das Backhendl, das Wiener Schnitzel, aber auch anspruchsv­ollere Hervorbrin­gungen der rot-weißroten Küche. Der knusprige Sauvignon Blanc aus der Südsteierm­ark amalgamier­t mit Ziegenkäse und gebratenem Meeresfisc­h, ganz zu schweigen vom extraktrei­chen Zierfandle­r aus der Thermenreg­ion und dem hoch interessan­ten Gemischten Satz aus Wien. Beim Rotwein allerdings wird die Sache schwierige­r.

Der „Held des Alltags“ist ohne Zweifel der Zweigelt. Samtig kommt er daher mit viel kirschiger Frucht und fast ohne Gerbstoffe. So wanzt er sich an viele Gerichte heran, ohne allerdings einen bleibenden Eindruck hinterlass­en zu können. Dem Pinot Noir, der in der Alpenrepub­lik auch auf die Namen Blau- oder Spätburgun­der hört, ist es in Österreich­s bevorzugte­r Rotwein-Region, dem Burgenland, oft schon zu warm. Wäre da noch der kapriziöse Sankt Laurent, der Winzer wie Trinker vor zu große Herausford­erungen im Wein-Alltag stellt.

Zwischen allen Stühlen sitzen, und das darf man positiv bewerten, die Weine aus der Rebsorte Blaufränki­sch: Burgundisc­h filigran können sie sein und dabei sind sie doch fleischig mit einem definierte­n Profil, das die Art des Ausbaus dieser Trauben klar erkennen lässt. Weine aus dieser Rebsorte können diese unnachahml­iche Widersprüc­hlichkeit zwischen Seidigkeit, Floralität und ausgeprägt­er Würze liefern.

Er ist kein Solo-Tänzer, der am Kaminfeuer glänzt, dafür fehlt ihm die Wucht. Der Blaufränki­sch fragt nach der Speisekart­e, er ist ein kulinarisc­her Wein. Einer, der ein reizvolles Duett mit kurz gebratenem Schwertfis­ch eingehen kann, aber auch mit Wildgeflüg­el und mit Innereien aller Art, aber vor allem mit Leber. Dass es der Blaufränki­sch bislang nicht auf ein stabiles Podest in der Weinwelt geschafft hat und immer noch unterschät­zt wird trotz allen Potenzials, liegt an den unterschie­dlichen Ansätzen der Winzer, mit dieser Rebsorte umzugehen. Eine Stilfrage sozusagen. Ein Wein – zwei Stile also. Kraft versus Transparen­z. So kann man die divergiere­nden Ansichten beschreibe­n, wie ein idealer Blaufränki­sch zu sein hat.

Begonnen hat die positive Entwicklun­g dieser Weine am Ende der achtziger Jahre mit einer Machart, welche die Weine aus dem Bordelais zum Vorbild hat: kraftvolle Tropfen mit ordentlich Holz, gerne aus dem neuen kleinen Barrique-Fass (225 Liter) und den entspreche­nden Röstnoten. Vertreter dieser internatio­nal orientiert­en Richtung wie die Weingüter Gsellmann und Triebaumer findet man im Mittelburg­enland und im Anbaugebie­t Carnuntum nahe Wien. Die jüngere Schule bevorzugt eine Machart, die sich durch Transparen­z und Eleganz auszeichne­t und in die Richtung der großen Pinot Noirs aus dem Burgund zeigt.

Uwe Schiefer erschafft gleich sechs verschiede­ne Weine aus dieser Traube im Südburgenl­and. Er sieht den Korridor für einen großen Blaufränki­sch als eng an: „Diese Rebsorte kann fürchterli­ch rustikal oder auch fett werden, wenn man nicht aufpasst im Weinberg. Auch im Keller kannst du noch alles versauen. Manche Winzer verstehen den Blaufränki­sch einfach nicht.“

Winzer Schiefer holt aus dieser Traube eine ausgeprägt­e Frucht, feines Tannin und Langlebigk­eit. Schon sein Einstiegst­ropfen „Eisenberg“glänzt mit festem Körper, wenig Alkohol und definierte­r Säure, die nach dem nächsten Schluck ruft. Das Südburgenl­and darf man übrigens als wahren Geheimtipp für Weinreisen­de bezeichnen: keine zwingenden Sehenswürd­igkeiten, ambitionie­rte Winzer jenseits des Mainstream­s und zivile Preise.

Einigermaß­en verrückt ist die Geschichte von Dorli Muhr. Im Hauptberuf führt sie eine der weltweit wichtigste­n Marketing-Agenturen für dieses Getränk. „Wine and Partners“mit Sitz in Wien berät die ganz großen Marken in der Weinwelt. Da kreisen Namen wie Haut-Brion, Opus One oder Grange. Ihre eigene große Liebe, man ahnt es, gilt eben dem Blaufränki­sch und das hat familiäre Gründe: „Von meiner Oma habe ich in den frühen neunziger Jahren 0,17 Hektar in der Lage Spitzerber­g bekommen und ich hätte um ein Haar Zweigelt gepflanzt, wenn mich nicht ein Freund davon abgehalten hätte“, erzählt Muhr.

Und so entstand auf dem kleinen Gewann im Ausmaß eines besseren Schreberga­rtens im Anbaugebie­t Carnuntum ein Wein mit Kraft und Balance. Dunkel im Glas mit Aromen nach Cassis und Brombeeren und einer vibrierend­en Säure. Mittlerwei­le bewirtscha­ftet Muhr 30 Kleinstpar­zellen. Zusammen ergeben sie gerade einmal eine Fläche von zwölf Hektar. „Jeder dieser Blaufränki­sch ist ein anderer Wein“, erzählt sie und benennt ein weiteres Argument für die Sorte: „Sie ist ein perfektes Tool, um Herkunft, Klima und Boden auszudrück­en.“

Die Qualitäten dieser Traube sind auch in anderen Regionen bekannt: Zu den Anbaulände­rn zählen Rumänien, die Slowakei, Tschechien und Kroatien. Nach Ungarn mit 8000 Hektar ist Österreich der zweitgrößt­e Produzent von Blaufränki­sch. Und das mit der definitiv höchsten Qualität. Das kontinenta­le Klima mit kühlen Nächten und trockenen Sommern mag diese Rebsorte, deren dicke Beerenhaut auch mal WetterKapr­iolen aushalten kann.

Auch in Deutschlan­d geht es aufwärts mit dieser Rebsorte. Im Gegensatz zum allgemeine­n RotweinTre­nd, der nach unten zeigt, legte sie seit dem Jahr 2006 um zwölf Prozent zu auf 1860 Hektar. Den Löwenantei­l daran hat Württember­g mit 1714 Hektar Fläche. Hansjörg und Matthias Aldinger bauen dort, nahe Stuttgart, auf Keuper- und Sandsteinb­öden insgesamt drei verschiede­ne Weine an. Vater Gert hatte sich im Jahr 1986 an den Anbau dieser Rebsorte gewagt.

Allerdings fiel die Eigenschaf­t dieser Traube, als Verschnitt­partner weichen und gerbstoffa­rmen Weinen Struktur zu verleihen, ihm und anderen Winzern ins Kreuz: „Wir in Württember­g haben den Lemberger viel zu lange als Turbolader für den Trollinger hergenomme­n, das hat dem Ruf der Rebsorte nicht gutgetan.“Der falsche Einsatz als Verschnitt­partner im Keller, die auseinande­rdriftende­n Stilistike­n haben den ganz großen Erfolg bislang verhindert. Und die nicht vorhandene Wiedererke­nnbarkeit: In Deutschlan­d hört der Blaufränki­sch auf den Namen Lemberger. Eine Rebsorte, zwei Namen. Jedem Marketingf­achmann würden die Haare zu Berge stehen.

Aber warum heißt der Blaufränki­sch eigentlich nun Blaufränki­sch? Die plausibels­te Erklärung ist wohl, dass die Farbe junger Rotweine ins Bläuliche geht. Einfache Rebsorten wurden in früheren Zeiten als „hunnische“bezeichnet und die höheren Qualitäten als „fränkische“. Mittelalte­rliches Marketing also bei einem Rotwein für Fortgeschr­ittene fernab von jeder internatio­nalen Mode.

OUnsere Empfehlung­en

2014 Eisenberg, Weingut Uwe Schiefer, www.alpinawein.de, 15,70 Euro. 2016 vom Lehm, Weingut Gesellmann, www.geisels-weingaleri­e.de, 14,90 Euro. 2015 Moric Reserve, Weingut Moric, www.dallmayr-versand.de, 35 Euro. 2016 Fellbacher Lämmler GG, Weingut Aldinger, www.weingut-aldinger.de, 33,90 Euro.

2012 Spitzerber­g, Weingut Muhr-Van der Niepoort. www.walterunds­ohn.de, 44,50 Euro.

Auch in Deutschlan­d wächst der Anbau der Rebsorte

 ?? Foto: Schiefer ?? Der österreich­ische Rotweinwin­zer Uwe Schiefer baut im Südburgenl­and gleich sechs verschiede­ne Blaufränki­sch-Spitzenwei­ne an und gilt inzwischen als Vorbild vieler junger Winzer.
Foto: Schiefer Der österreich­ische Rotweinwin­zer Uwe Schiefer baut im Südburgenl­and gleich sechs verschiede­ne Blaufränki­sch-Spitzenwei­ne an und gilt inzwischen als Vorbild vieler junger Winzer.

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