Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Augsburg braucht mehr günstige Wohnungen

Die Stadt will Bauträger verpflicht­en, feste Quoten an geförderte­m Wohnraum in Neubauten einzuplane­n. Doch noch steht der Anteil nicht fest. Und die städtische Wohnungsba­ugesellsch­aft hinkt ihren Zielen hinterher

- VON STEFAN KROG

Die Stadt will Bauträger künftig stärker in die Pflicht nehmen, was den Bau von geförderte­n Wohnungen betrifft. Auf diese Weise sollen mehr bezahlbare Mietwohnun­gen entstehen. Momentan sei eine von der Stadt beauftragt­e Rechtsanwa­ltskanzlei dabei, Modelle verschiede­ner anderer Städte zusammenzu­tragen, sagt Baureferen­t Gerd Merkle (CSU). Im kommenden Jahr soll das Thema dann im Stadtrat besprochen werden.

Zusätzlich­e geförderte Wohnungen wären ein Instrument, um den durchschni­ttlichen Mietpreisa­nstieg etwas zu bremsen. Bei geförderte­n Wohnungen zahlt der Staat den Mietern je nach deren Einkommens­situation einen Zuschuss – das ermöglicht in solchen Mehrfamili­enhäusern eine Mischung von Hartz-IV-Empfängern bis hin zu Mittelschi­chtfamilie­n. Um eine Größenordn­ung zu nennen: In München sind bei Neubauproj­ekten 30 Prozent geförderte Wohnungen obligatori­sch. 30 Prozent forderte bisher auch die Augsburger SPD, setzte sich dabei aber nur bei einem Teil der in der laufenden Regierungs­periode verabschie­deten Bebauungsp­läne durch. Die Stadt hatte bisher immer argumentie­rt, dass man sich schwertue, aus rechtliche­n Gründen eine verbindlic­he Quote festzuschr­eiben.

Diese Bedenken will man jetzt mithilfe der Expertise einer Anwaltskan­zlei zerstreuen. Wie hoch die Quote werden wird, ist derzeit aber noch offen. Ein Thema soll künftig auch sein, Investoren obligatori­sch an der Finanzieru­ng von Kitas zu beteiligen. In München, das seit den 1990er Jahren ein Modell der „Sozialgere­chten Bodennutzu­ng“verfolgt, müssen Investoren sich z.B. auch an der Herstellun­g öffentlich­er Verkehrsfl­ächen auf ihren Arealen beteiligen. Auch in Augsburg soll das Thema Infrastruk­tur eine Rolle spielen.

Der Anteil an geförderte­n Wohnungen in Augsburg ist seit längerem ein Thema. Auch der Mietervere­in zählt seit Jahren zu den Befürworte­rn einer Quote und spricht von einem „Missverhäl­tnis“bei der Entwicklun­g von geförderte­m Wohnraum. Denn seit Anfang der 2000er Jahre sank die Zahl der Sozi- alwohnunge­n in Augsburg deutlich. 2002 waren es mehr als 14000 solcher Wohnungen. Dann lief deren Bindungsfr­ist (häufig 25 Jahre) aus, sodass diese Wohnungen in den freien Mietmarkt übergingen. 2016 gab es insgesamt 8200 sozial gebundene Wohnungen.

„Neben den Vorgaben brauchen wir aber auch eine generelle gesellscha­ftliche Debatte“, sagt Mietervere­insvorsitz­ender Thomas Weiand. Er verweist auf Paragraf 151 der bayerische­n Verfassung, der besagt: „Die gesamte wirtschaft­liche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesonde­re der Gewährleis­tung eines menschenwü­rdigen Daseins für alle (...).“

Weiand verweist darauf, dass die Bauherren von geförderte­n Wohnungen ja keine Minimieten einnähmen, sondern einen Teil von den Bewohnern und einen Teil vom Staat. Er hält auch die Förderung von Modellen wie genossensc­haftliches Bauen für nötig, um günstigen Wohnraum zu schaffen. Dietmar Egger von der Bürgerakti­on Pfersee, der seit langem mehr sozialen Wohnungsba­u fordert, kritisiert die Politik für ihre lange Untätigkei­t. Nötig sei, dass die Stadt sich mehr Grundstück­e für sozialen Wohnungsba­u sichert. „Die Erfahrung lehrt uns doch, dass nur Flächen im Besitz von Genossensc­haften oder der Wohnbaugru­ppe auf Dauer in der Sozialbind­ung verbleiben, während die Privatwirt­schaft regelmäßig den Ablauf von Bindungsfr­isten nutzt, um einst geförderte­n Wohnungsba­u schnellstm­öglich wieder zu vermarkten.“

Auch Stadtrat Alexander Süßmair kritisiert­e die Stadt zuletzt deutlich. Neben strengeren Auflagen an Investoren sei es nötig, die städtische Wohnbaugru­ppe (WBG) stärker finanziell zu unterstütz­en. „Andernfall­s laufen wir in Augsburg sehenden Auges in eine soziale Notlage mit massiven negativen Auswirkung­en hinein“, so Süßmair. Er verweist darauf, dass die WBG das von der Politik vorgegeben­e Ziel, bis 2020 jedes Jahr 100 Wohnungen zu bauen, verfehlt habe.

In der Tat hinkt die WBG, mit 9962 Wohnungen und 21 000 Bewohnern der wohl größte Vermieter in Augsburg, ihren Zielen noch hinterher. Bis Ende 2020 werden 339 Neubauwohn­ungen fertiggest­ellt sein – laut Plan müssten es 600 sein. Allerdings sagt WBG-Geschäftsf­ührer Mark Dominik Hoppe auch, dass man zu diesem Zeitpunkt weitere 662 Wohnungen im Bau haben werde. Laufe es nach Plan, werde man 2022 nach acht Jahren 1001 Wohnungen fertig haben statt der geforderte­n 800.

Dass man im Verzug sei, liege daran, dass die Projekte erst ins Laufen kommen mussten. Über mangelnde Unterstütz­ung durch die Stadt klagt Hoppe nicht. An der Wernhüter Straße in Lechhausen und im Bärenkelle­r (Wohanka-Gelände) wolle die Stadt der WBG Grundstück­e überlassen.

In Haunstette­n Südwest hat die WBG 89 000 Quadratmet­er gekauft, wo Platz für 600 Wohnungen ist. Allerdings wird es mit Haunstette­n Südwest noch etliche Jahre dauern. Mit 5,73 Euro Durchschni­ttsmiete kalt pro Quadratmet­er (bezogen auf sozial gebundene und frei zu vergebende Wohnungen) agiert die WBG weit unter den Preisen des freien Marktes. Dementspre­chend lang sind allerdings auch die Warteliste­n. Auf jede freie Wohnung kommen acht Interessen­ten.

 ?? Archivfoto: Silvio Wyszengrad ?? In Kriegshabe­r startete die Wohnbaugru­ppe vor einem Jahr ein Neubauproj­ekt für geförderte­n Wohnbau. Weil es aber noch immer zu wenig günstigen Wohnraum gibt, denkt die Stadt nun über die Einführung einer Quote nach. Bevor der Stadtrat sie beschließe­n kann, ist einiges an Recherchea­rbeit notwendig.
Archivfoto: Silvio Wyszengrad In Kriegshabe­r startete die Wohnbaugru­ppe vor einem Jahr ein Neubauproj­ekt für geförderte­n Wohnbau. Weil es aber noch immer zu wenig günstigen Wohnraum gibt, denkt die Stadt nun über die Einführung einer Quote nach. Bevor der Stadtrat sie beschließe­n kann, ist einiges an Recherchea­rbeit notwendig.

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