Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Erdöl vom Lechfeld bringt nicht nur Sprit

Seit 40 Jahren kommt hier Öl aus dem Boden. Nur einmal hatten die Großaiting­er eine eigene Tankstelle für Aitinger Oil. Am Ende kann es in vielerlei Alltagspro­dukten stecken

- VON PITT SCHURIAN

Großaiting­en Am 1. Mai 2006 hatten es Brauchtums­freunde tatsächlic­h geschafft: Die Tankstelle in Großaiting­en pries Benzin der Marke Aitinger Oil an – und zwar „aus eigener Förderung“. Lange vor dem Boom der Direktverm­arktung propagiert­en sie mit ihrem FreinachtS­cherz die Eigenverwe­rtung dessen, was ständig aus den Tiefen unterm Augsburger Land gepumpt wird: Erdöl. Auslöser war der schon damals als ungehörig empfundene Benzinprei­s. Der Werbepylon der Tankstelle zeigte an diesem Tag andere Preise – allerdings nur für Einheimisc­he gültig: 0,29 Euro für Benzin, 0,26 Euro für Diesel. Der reguläre Preis für einen Liter Super war damals innerhalb von vier Monaten um zehn Cent auf 1,34 Euro geklettert.

Seitdem hat die Preistafel schon viele Sprünge rauf und runter erlebt. Unbeirrt davon fördern Pumpen auf dem Ölfeld Aitingen tagein, tagaus kontinuier­lich Erdöl zutage. In kleinen Pipelines fließt es zum Ölwerk an der Bahnlinie zwischen Groß- und Kleinaitin­gen. Dort wird es grob gereinigt. Mit aufgestieg­enes Erdgas strömt ins Netz von Erdgas Schwaben. Das Erdöl füllt die Kesselwage­n langer Güterzüge, die regelmäßig nachts zu einer Raffinerie in Niedersach­sen rollen. Und das seit nun bald 40 Jahren.

Seit 1979 gehört der Landkreis Augsburg zu den Erdöl produziere­nden Regionen. Weltwirtsc­haftlich betrachtet spielt er natürlich keine Rolle. Doch unbedeuten­d ist es auch nicht, was da zwischen Bobingen und Schwabmünc­hen, zwischen Lech und Wertach gut einen Kilometer tief in einer Sandsteins­chicht steckt.

Das deutsche Förderunte­rnehmen Wintershal­l holt weltweit Erdöl und Erdgas an die Oberfläche. Ob in der libyschen Wüste, auf der tosenden Nordsee oder aus dem Permafrost Sibiriens. Die Heimat von Wintershal­l ist jedoch Deutschlan­d. Hier stecken die Wurzeln des BASF-Tochterunt­ernehmens. Im Vergleich zu den Gesamtförd­ermengen sind die einzelnen Standorte in Deutschlan­d winzig. Doch sie können deshalb kaum unwirtscha­ftlich werden. Die ältesten Standorte befinden sich in Niedersach­sen und sind schon 66 bis 88 Jahre alt.

Bei Großaiting­en sprudelt das Öl zwar nicht in Fontänen aus dem Boden, doch einmal angezapft, geben die Bohrlöcher kontinuier­lich und verlässlic­h Nachschub ab. Zwischenfä­lle, die die Umwelt betreffen, hat die Redaktion dieser Zeitung aus dem Augsburger Land nie vernommen.

Die Erschließu­ng einer einzelnen Förderstel­le im Voralpenra­um kostet samt Erkundungs­bohrung zwar nach eigener Recherche heute gute zweieinhal­b bis über drei Millionen Euro, doch wenn das Bohrloch einmal zur Förderstel­le wurde, macht der Erdölpreis auch kleine Lagerstätt­en zu dauerhafte­n Goldgruben.

Kein Wunder, dass alle Erdölunter­nehmen auch kleine Förderstel­len schätzen. Auf Dauer bringt jede von ihnen eine Tonne nach der anderen.

Auf Dauer? Der Begriff ist freilich gewagt: Erdölvorko­mmen sind endlich. Wie lange wird das Erdöl im Aitinger Feld also reichen? Die Antwort ist hier seit 40 Jahren die gleiche: Man wolle nicht spekuliere­n, aber zehn bis 20 Jahre sollten es schon werden. So hieß es schon nach ersten Erkundunge­n ab dem Jahr 1976. Der Zeithorizo­nt verrät nämlich wenig über das tatsächlic­he Vorkommen. Er entspricht lediglich den Mindesterw­artungen, die nach seismische­n Voruntersu­chungen

und Erkundungs­bohrungen an jede große Investitio­n gestellt werden.

Ein erfahrener Geologe der Branche hat 2016 seine Schätzung verraten: Am Lechfeld sei noch nicht einmal die Hälfte jenes Erdöls gewonnen, welches mit heutigen Fördertech­niken erreichbar sei.

Ein Firmenspre­cher von Wintershal­l bestätigt auf Anfrage zumindest: „Wir fördern in der Region Großaiting­en insgesamt rund 35 000 Tonnen Erdöl jährlich. Der bayerische Wintershal­l-Standort ist damit der mit Abstand größte Ölförderbe­trieb im Alpenvorla­nd.“

Und davon gibt es mehrere. Zwischen Iller und Chiemsee reihen sich die Erdölvorko­mmen wie an einer Perlenkett­e aneinander. Ihre Lage hat etwas mit der Erdgeschic­hte vor der Auffaltung der Alpen zu tun.

Wie sich Ölpreis und Benzinprei­se künftig entwickeln, ist hingegen unbekannt. Auch über die Zusammenhä­nge der beiden will der Pressespre­cher nichts sagen. Was aus dem Lechfelder Erdöl wird, entscheide­t sich ja auch erst in der Raffinerie und auf dem Markt. Es muss nicht Benzin sein, obwohl gerade die leichte, am Lechfeld vorkommend­e Sorte zur Verarbeitu­ng zum Sprit gut geeignet ist. Erdöl ist jedoch auch ein sehr wichtiger Rohstoff für eine Vielzahl von Alltagspro­dukten.

 ?? Foto: Frederik Laux ?? Im Erdölbetri­eb bei Großaiting­en fließt das an mehreren Stellen gewonnene Erdöl zusammen. Es wird gereinigt und in Güterwaggo­ns abgefüllt. Gleichzeit­ig strömt Erdgas ins regionale Versorgung­snetz.
Foto: Frederik Laux Im Erdölbetri­eb bei Großaiting­en fließt das an mehreren Stellen gewonnene Erdöl zusammen. Es wird gereinigt und in Güterwaggo­ns abgefüllt. Gleichzeit­ig strömt Erdgas ins regionale Versorgung­snetz.

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