Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wohin entwickelt sich die Bahnhofstraße?
Die Hauptverbindung zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt ist ein Sorgenkind. Einzelhändler klagen über zu wenig Kunden und zu viele Baustellen. Die Stadt hat eine Idee, wie die Zukunft aussehen könnte
Ein Nachmittag in der Vorweihnachtszeit. Die Augsburger Innenstadt ist gut besucht und auch in der Bahnhofstraße zwischen Königsplatz und Hauptbahnhof sind viele Menschen unterwegs. Doch die meisten schlendern nicht gemütlich an Schaufenstern vorbei, sondern gehen zügig und zielstrebig. Ihr Weg führt sie in Richtung Innenstadt, um dort den Christkindlesmarkt zu besuchen und Erledigungen zu machen. Oder sie kommen von dort, manche mit Tüten in der Hand, und wollen zum Zug.
Die Bahnhofstraße ist die wichtigste Verbindung von der Augsburger Innenstadt zum Hauptbahnhof. Laut Frequenzmessungen der Stadt aus dem vergangenen Jahr passieren täglich zwischen 10 und 20 Uhr bis zu 20 000 Personen die Straße. Trotzdem sind viele Einzelhändler unzufrieden: Sie sind frustriert von den vielen Baustellen in der Straße, der Verkehrs- und Parksituation und von der Ladenstruktur.
„Immer wieder wurde hier die Straße aufgerissen, um Strom-, Gas- Wasserleitungen zu verlegen“, sagt Sabine Springer, Inhaberin des Benetton-Stores. „Das war eine Katastrophe.“Ein anderer Geschäftsmann, der anonym bleiben möchte, sagt: „Alle ziehen aus. Wer holt die ganzen Geschäfte zurück? Wenn erst die Viktoriapassage schließt, kommen noch weniger Leute, um hier in der Straße einzukaufen.“
André Köhn, Bezirksgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern, kennt die Probleme in der Augsburger Bahnhofstraße: „Sie ist nach wie vor eine wichtige Verbindung zur Innenstadt – allerdings mit strukturellen Schwierigkeiten. Wir haben es hier mit einem Potenzialraum mit Entwicklungsbedarf zu tun.“Die Chance sieht Köhn, wenn Immobilieneigentümer, der Handel und die Stadtentwicklung Hand in Hand an den Herausforderungen arbeiten.
Im Einzelhandelsentwicklungskonzept, das die Stadt 2016 in Auftrag gegeben hat, ist von einem „wesentlichen Entwicklungspotenzial“der Bahnhofstraße zu lesen. Weiter heißt es dort sachlich: „Es existieren bereits Planungen zur Umgestal- tung des öffentlichen Raums, die zur Steigerung der Aufenthaltsqualität und zur positiven Entwicklung der Bahnhofstraße insgesamt beitragen sollen.“Dazu gehört laut Wirtschaftsreferat die Umgestaltung des Königsplatzes und die dadurch verbesserte Anbindung der Bahnhofstraße an die Fußgängerzone. „Um sogenannten Trading-Down-Tendenzen, also einer Zunahme an Leerständen, gezielt entgegenzuwirken, wurde außerdem die Ansiedlung von weiteren Vergnügungsstätten wie Wettbüros, Spielhallen und Striptease-Lokale ausgeschlossen“, sagt Wirtschaftsreferentin Eva Weber.
Doch diese Bemühungen gehen vielen Einzelhändlern in der Straße nicht weit genug. Neben attraktiveren Mietern wünschen sich viele Geschäftsleute eine klare und übersichtlichere Verkehrsführung. „Das Verkehrskonzept ist, vorsichtig ausgedrückt, unglücklich“, sagt der Inhaber eines alteingesessenen Geschäfts. „Wenn man mit dem Auto in die Bahnhofstraße möchte, ist das mit den Einbahnstraßen und Abbiege-Verboten eine echte Herausforund derung.“Die Stadt plant eine langfristige Neuordnung der Bahnhofstraße. Aus dem Baureferat heißt es, man wolle in einem ersten Schritt den westlichen, sprich bahnhofsnahen Bereich und die Überquerung der Viktoriastraße verbessern. Der Übergang werde auf der gesamten Breite und in direkter Verlängerung der Bahnhofstraße erfolgen.
Im mittleren Abschnitt der Bahnhofstraße – zwischen Hübnerstraße und Schrannenstraße – sollen auch langfristig Autos fahren dürfen. Allerdings werden laut Baureferat die Bürgersteige verbreitert. Die Allee in der Bahnhofstraße soll wieder durchgängig hergestellt werden.
Vielleicht schaffen diese Maßnahmen auch einen Ausgleich zwischen den beiden Straßenseiten. Denn die Frequenzzählung bestätigt, was die Einzelhändler sagen: Die Bahnhofstraße hat eine „Sonnenseite“und eine „Schattenseite“. Tatsächlich werden auf der Nordseite, die vom Königsplatz kommend rechte Seite, höhere Frequenzen gemessen als auf der Südseite. Der Tagesmittelwert im Jahr 2017 lag auf der Nordseite bei 1322 Passanten pro Stunde. Auf der Südseite waren es im selben Zeitraum gerade einmal 585 Personen. Ein Grund dafür sind wohl die großen Marken wie C&A und Peek&Cloppenburg auf der Nordseite. „Wir haben dort einen deutlich höheren Handelsbesatz, sprich Geschäfte“, sagt André Köhn. „Auf der anderen Seite sind eher Dienstleister angesiedelt.“
Ob sich die Bauarbeiten rund um den Bahnhof positiv auf die Bahnhofstraße auswirken? Viele Einzelhändler sind skeptisch. „Es bräuchte Markenläden und keine Kruschtgeschäfte“, findet ein Gastronom. Ein anderer, der schon seit 18 Jahren in der Straße ansässig ist, sagt: „Es hat sich viel geändert über die Jahre. Früher waren hier hochwertige Geschäfte. Aber die Leute wollen kein Geld mehr ausgeben und machen hier nur noch Billigeinkäufe. Ich denke nicht, dass sich durch den neuen Bahnhof etwas daran »Kommentar ändert.“
Es gibt eine Sonnen- und eine Schattenseite