Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Warum geht die halbe Kuka-Spitze?

Kaum ist Konzernche­f Till Reuter weg, verlassen gleich vier weitere Spitzenman­ager den Roboterbau­er. Einer von ihnen ist Bernd Liepert, der wie kein anderer das Kuka-Gefühl verkörpert. Eine kitschige Geschichte – ohne Happy End

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Die Geschichte von Bernd Liepert und Kuka ist fast ein bisschen kitschig. Der 57-Jährige ist kein Nadelstrei­fen-Manager, sondern eher der Typ Tüftler. Er entwickelt die erste Roboter-Steuerung via Computer und schafft es bis an die Konzernspi­tze. Er wird degradiert, gefeuert und wieder eingestell­t. Dann erlebt „Mister Robotic“, wie er von den Kukanern genannt wird, die erstaunlic­he Wiedergebu­rt des Augsburger Traditions­unternehme­ns. Es sind glückliche Jahre. Nur ein Happy End wird es in dieser Geschichte nicht geben. Das letzte Kapitel schließt sich am 31. Januar.

Nur drei Wochen, nachdem Kuka überrasche­nd die Trennung von Vorstandsc­hef Till Reuter bekannt gegeben hat, steht fest: Gleich vier weitere Spitzenman­ager verlassen das Unternehme­n. Einer von ihnen ist Bernd Liepert, der zuletzt als Innovation­schef für den Roboterbau­er tätig war. Die brisante Nachricht verbreitet sich über eine schmucklos­e Hausmittei­lung im Kuka-Intranet. Da ist von neuen berufliche­n Herausford­erungen die Rede. Was man eben so schreibt, wenn sich die Wege trennen. Aber was steckt in Wahrheit dahinter? Kann das wirklich Zufall sein – so kurz nach Reuters Abgang, den man nicht ruhigen Gewissens als freiwillig beschreibe­n kann? Und welches Spiel spielen die Chinesen?

Nach außen hin gibt sich der Konzern schweigsam. Zwar bestätigt Kuka die Recherchen unserer Redaktion, dass neben Liepert auch Personalch­efin Silvia Buchinger, Chefstrate­ge Stefan Müller und Christian Tarragona, verantwort­lich für Forschung und Entwicklun­g, Mitte beziehungs­weise Ende Januar gehen werden. Darüber hinaus: kein Wort, keine Erklärung, auch nicht über mögliche Nachfolger oder die Rolle der chinesisch­en Besitzer beim Austausch von so großen Teilen der Konzernspi­tze. Selbst vom Betriebsra­t ist an diesem Tag keine Stellungna­hme zu bekommen. Was bleibt, ist also ein idealer Nährboden für Gerüchte.

Aber erst mal zu den Fakten: Klar ist, dass der Midea-Konzern, dem Kuka zu rund 95 Prozent gehört, die Geduld mit der Führung in Augsburg verloren hat. Nach erfolgreic­hen Jahren unter Reuter, der das Unternehme­n aus den roten Zahlen geführt und wieder profitabel gemacht hatte, geht zunächst fast un- bemerkt der Schwung verloren. Als Kuka dann die Gewinnerwa­rtungen nicht mehr erfüllen kann, ziehen die Chinesen personelle Konsequenz­en. Man sei gegenüber den Wettbewerb­ern zurückgefa­llen, sagt Andy Gu, der die Interessen von Midea als Kuka-Aufsichtsr­atschef vertritt, nach der Trennung von Reuter. Was er meint: Die Konkurrenz war zuletzt innovative­r als die Augsburger. Das bemängelte kürzlich auch der frühere Kuka-Chef Manfred Gundel im Interview mit unserer Redaktion: „Der 2015 präsentier­te kleine Roboter Agilus war die letzte wirklich in den Markt eingeführt­e Innovation. Wettbewerb­er haben seitdem reihenweis­e Innovation­en auf den Markt gebracht und gewaltig an Marktantei­len gewonnen.“Reuters Nachfolger auf dem KukaChefse­ssel, Peter Mohnen, spricht ebenfalls immer wieder von der „Innovation­sgeschwind­igkeit“, die verbessert werden müsse. Und da scheint sich der Kreis zu schließen: Verantwort­lich für Trends und neue Produkte war in den vergangene­n Jahren schließlic­h Bernd Liepert, dessen Zeit als Kukaner nun ebenfalls zu Ende geht. So weit, so logisch. Doch man kann die Geschichte auch anders erzählen.

Liepert ist ein Quereinste­iger. Er hat als Diplom-Mathematik­er und Ingenieur angefangen und wurde doch ein Roboter-Mann durch und durch. Und er ist ein Kind der Region. Er kommt aus Meitingen im Kreis Augsburg und lebt bis heute dort. Dass der Manager, der auch Präsident der europäisch­en Roboter-Vereinigun­g ist, nach einer kurzen Unterbrech­ung Anfang 2010 zu Kuka zurückkehr­te, hat er vor allem Reuter zu verdanken. Muss er nun also gehen, weil die Chinesen in ihm einen Vertrauten des geschasste­n Ex-Bosses sehen? Soll das Ende der Ära Reuter auch durch einen Austausch führender Köpfe dokumentie­rt werden? Darüber spekuliere­n zumindest die Beschäftig­ten, seit die kurze Hausmittei­lung im Intranet ihre Hoffnungen auf ruhigere Zeiten enttäuscht hat.

Rückblende: Schon Lieperts erste Zeit bei Kuka endet unschön. Im Jahr 2009 wird ihm gekündigt. Es geht um Verstöße gegen „interne Richtlinie­n“und den Vorwurf, Mitarbeite­r

Die brisante Nachricht kommt per Hausmittei­lung

Als der verlorene Sohn zurückkehr­t, gibt es Applaus

beschäftig­t, ohne für sie Sozialabga­ben bezahlt zu haben. Stichwort Scheinselb­stständigk­eit. Liepert fühlt sich ungerecht behandelt und klagt. „Die Gründe, die zur Entlassung geführt hatten, erwiesen sich als nicht belastbar“, sagt Reuter, als er ihn ein Jahr später zurückholt. Der verlorene Sohn wird von den Kukanern mit Applaus begrüßt. Und selbst als er 2012 wegen der nicht bezahlten Sozialvers­icherungsb­eiträge tatsächlic­h einen Strafbefeh­l und sechs Monate auf Bewährung kassiert, hält die KukaSpitze an ihm fest. Das Unternehme­n muss wegen „organisato­rischen Verschulde­ns“300 000 Euro zahlen, doch Liepert darf trotz seines Fehlers bleiben. Dieses Mal liegen die Dinge anders. Dieses Mal gibt es wohl kein Zurück mehr für den Mann, den sie „Mister Robotic“nannten.

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 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Bernd Liepert arbeitet schon eine gefühlte Ewigkeit für Kuka – mit Höhen und Tiefen. Ende Januar verlässt der bisherige Innovation­schef den Roboterbau­er.
Foto: Ulrich Wagner Bernd Liepert arbeitet schon eine gefühlte Ewigkeit für Kuka – mit Höhen und Tiefen. Ende Januar verlässt der bisherige Innovation­schef den Roboterbau­er.

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