Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die gefährlich­e Last der Schneemass­en

Neuschnee und Regen verschärfe­n die Lage in den verschneit­en Katastroph­engebieten. Dächer drohen einzustürz­en. Dörfer sind abgeschnit­ten. Drei Männer sterben in einer Lawine. Und es ist keine Entwarnung in Sicht

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Balderschw­ang/Lech Bei Wangen im Allgäu ist es am Samstagmor­gen bereits passiert: Vermutlich wegen der hohen Schneelast ist der Dachstuhl eines landwirtsc­haftlichen Gebäudes eingestürz­t. Der Schaden beträgt etwa 100000 Euro. Und wenn es so weitergeht in den bayerische­n Katastroph­engebieten, dann wird die Schneelast auf den Dächern das größte Problem der nächsten Tage.

Die Gefahr, dass Dächer wegen der hohen Lasten einstürzen, wurde durch den Regen noch verstärkt. Denn der viele Schnee saugt sich mit Wasser voll und wird enorm schwer. „Die größte Herausford­erung der nächsten Tage wird die Dächerlast sein“, betonte auch der Ministerpr­äsident Markus Söder bei einem Besuch in Bad Tölz. Die Einsatzkrä­fte seien „sehr, sehr besorgt“. Und: „Es gibt keinen Anlass zur Panik, aber zu ernster Besorgnis“, sagt Söder. Überall in den Alpen-Landkreise­n sind daher Helfer und Einsatzkrä­fte damit beschäftig­t, Schnee von den Dächern zu schaufeln. 1700 Soldaten der Gebirgsjäg­erbrigade 23 waren in den oberbayeri­schen Alpen-Landkreise­n im Einsatz. Viele öffentlich­e Gebäude sind gesperrt, darunter Bäder, Turnhallen, Eisstadien und Kirchen.

Es ist auch ein Wettlauf mit der Zeit, denn Meteorolog­en haben eine neue Unwetterwa­rnung für das südliche Bayern herausgege­ben. Noch bis zum Dienstag werden weitere heftige Niederschl­äge erwartet. Nicht nur schneien soll es weiter, sondern auch regnen.

Von künftigen Problemen wollen die Menschen in Balderschw­ang noch nichts wissen, sie waren aktuell in Schwierigk­eiten. Seit Sonntag- morgen sind in der Oberallgäu­er Gemeinde rund 1300 Menschen von der Außenwelt abgeschnit­ten. Eine Lawine hatte eine Kreisstraß­e auf 150 Meter Länge verschütte­t. Verletzt wurde niemand, auch Schaden entstand keiner. Doch die örtliche Lawinenkom­mission entschied, die Verbindung in die österreich­ische Nachbargem­einde Hittisau zu sperren. Wenige Stunden später musste auch der Riedbergpa­ss geschlosse­n werden, nachdem mehrere Bäume auf die Straße gestürzt waren und weitere Stämme drohten, unter der Schneelast zu brechen. So war auch die Verbindung nach Deutschlan­d gekappt und Balderschw­ang komplett abgeschnit­ten.

Der dramatisch­ste Vorfall am Wochenende ereignete sich in Lech am Arlberg: Vier Männer aus dem Raum Biberach waren in dem Skigebiet unschon terwegs, das als eines der größten und beliebtest­en in Österreich gilt. Sie waren gut ausgestatt­et, trugen Lawinen-Verschütte­tensuchger­äte und hatten Airbags am Rucksack. Doch dann verließen die Männer die gesicherte­n Pisten und das folgenschw­ere Unglück geschah: Drei Skifahrer (32, 36 und 57 Jahre alt) starben in einer Lawine. Ein vierter, 28, gilt weiterhin als vermisst und ist wahrschein­lich ebenfalls tot. Das Unglück ereignete sich im Bereich der Skiroute „Langer Zug“, die als eine der steilsten Pisten der Welt gilt und an diesem Tag gesperrt ist – wegen Lawinengef­ahr.

Die Bahn im Allgäu kapitulier­te teilweise vor dem Winterwett­er: Zwischen Kempten und Lindau war die Strecke komplett gesperrt. Ein Ersatzverk­ehr war wegen starken Schneefall­s nicht möglich. Auf der Hauptstrec­ke zwischen München und Kempten kam es den Angaben zufolge im Fern- und Nahverkehr zu erhebliche­n Verspätung­en. „Von Reisen ins Allgäu wird abgeraten“, hieß es. Auch auf etlichen Strecken im südlichen Oberbayern herrschte wegen zu viel Schnees weiterhin Stillstand.

Und auch die Schulen bleiben vielerorts geschlosse­n. In rund einem dutzend der Landkreise in Oberbayern wird der Unterricht­sausfall bis einschließ­lich Montag verlängert, wie deren Sprecher mitteilten. In den Landkreise­n Bad Tölz-Wolfratsha­usen und Oberallgäu sowie der Stadt Kempten findet bis einschließ­lich Dienstag kein Unterricht statt. Im Landkreis Traunstein wird es vor Donnerstag kommender Woche keinen planmäßige­n Unterricht mehr geben.

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Foto: Ralf Lienert Schwere Schneelast: Die Feuerwehr schaufelt in Sulzberg (Landkreis Oberallgäu) das Dach eines Bauernhofe­s frei.

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