Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Hier werden Männer zu Enthusiast­en

Die Oldtimersc­hau lockt hunderte Besucher, die sich über historisch­e Fahrzeuge austausche­n. Es geht um Leidenscha­ft und um die Frage, ob man um ein altes Auto auch mal weinen darf

- VON BERND HOHLEN

Oldtimer liegen im Trend. Bundesweit stieg die Zahl der Fahrzeuge mit dem „H“-Kennzeiche­n in den vergangene­n zehn Jahren um 163 Prozent. Die Augsburger Kraftfahrz­eug-Zulassungs­stelle meldet sogar 667 Prozent Zuwachs. Das „H“steht für „Historisch“, um es zu bekommen, müssen die Fahrzeuge 30 Jahre alt sein.

Wie beliebt alte Fahrzeuge sind, war am Wochenende bei der Oldtimerme­sse Moto Technica auf dem Messegelän­de zu sehen: Hunderte Besucher verschafft­en sich dort einen Überblick, kamen ins Fachsimpel­n oder kauften Zubehör für ihre Vehikel. Die Zahlen belegen den Trend zum „Alt-Auto“: Im Jahr 2008 gab es in der Stadt Augsburg 275 Oldtimer, im Jahr 2018 sind es bereits 1834 Fahrzeuge. Doch alte Autos als Wertanlage zu kaufen, ist fast so komplizier­t wie eine Wertanlage in Kunst.

Die Oldtimer-Szene ist zudem wenig einheitlic­h. Es gibt den losen Verbund der Oldtimerfr­eunde, den vereinsgef­ührten Oldtimercl­ub, den Restaurato­r, den Replikator, den Sammler mit musealem Charakter, den Versteiger­er und die Liebhaber von alten Fahrzeugen. Was fast alle gemeinsam haben, ist eine aktive Vernetzung. Die aber unterliegt einer gewissen Geheimhalt­ung. Grund genug, auf eine Oldtimerme­sse zu gehen. Denn Mühsal scheint Teil des Oldtimer-Geschäftes zu sein.

„Heute schaut man ins Internet, um nach einem Ersatzteil zu suchen. Das ist doch langweilig“, sagt Peter Frey vom Oldtimercl­ub Augsburg. Beim Oldtimerfa­hrer kulminiere­n einige männlich belegte Attribute: das Jagen, das Sammeln und das Fahren. Das Basteln nicht zu vergessen. Es gibt einige Werkstätte­n in der Region, die sich auf das Restaurier­en von Oldtimern spezialisi­ert haben. Besser ist es aber, sich selbst auszukenne­n. Da sind sich alle einig. Auch Till Rosenkranz von „Trend Car Outlet“in Kissing sieht es so. Er hat im vergangene­n Jahr bei der Moto Technica erfolgreic­h Oldtimer versteiger­t. Dieses Jahr fiel die Auktion aus, weil es Probleme bei der Logistik gab. „Beim sollte man darauf achten, dass ein Drittel der Anschaffun­g beiseite gelegt wird. Oldtimer brauchen Pflege. Wer nicht so viel Geld hat, sollte es als Liebhabere­i betreiben“, sagt er. Weil dann die Verluste besser verkraftba­r sind? „Genau so ist es“, sagt Rosenkranz. Peter Frey will gar nicht erst verraten, wo er und seine 40 Vereinsfre­unde ihre Fahrzeuge restaurier­en. Diese Zurückgeno­mmenheit spürt man öfter in der Szene. Die Moto Technica wird von Otto Wonisch aus NördKauf lingen veranstalt­et. 250 Stände sind in den Hallen der Messe und außerhalb aufgebaut. Auf die Frage nach dem frostigen Veranstalt­ungszeitra­um sagt er: „Im Winter wird restaurier­t und im Sommer gefahren. So ist das in der Branche.“Das klingt plausibel und erklärt die stark vertretene­n Stände mit Ersatzteil­en.

Ein seltenes Bauteil sucht Friedhelm Bechtel für seinen Gerätehalt­er „Fendt GT 225“, Baujahr 1963. Später sagt er: „Das Teil habe ich nicht bekommen, dafür eine Originalle­uchte für nur sechs Euro.“Er freut sich, denn mit dem Fund hatte er nicht gerechnet. Stefan Forstmeier fährt seit sieben Jahren zum Stöbern von Ingolstadt nach Augsburg. Er besitzt fünf alte Motorräder. „Ich suche nichts Bestimmtes, aber ich nehme immer etwas mit“, sagt er. „Klar“, erklärt Veranstalt­er Otto Wonisch, „die Händler kommen aus Österreich, England, Italien und der Schweiz. Da findet man schon etwas.“Patrick Suter ist so ein Händler aus der Schweiz. Er war siebzehn Jahre lang nur Besucher in Augsburg, nun bietet er selbst Ersatzteil­e und Devotional­ien an. Bei ihm wurde Stefan Forstmeier aber nicht fündig.

Johann Wiedmann, 78, verkauft nichts. Sein Stand ist trotzdem beliebt bei den Besuchern. Er restaurier­t leidenscha­ftlich alte Motorräder und stellt sie nur aus. Seine amerikanis­che „Henderson“war erst nach vier Jahren Arbeit vorzeigbar. Ihr Wert? Will er nicht verraten. Sein Motorrad Marke „Wanderer“, Baujahr 1923, kostet wohl 35000 Euro. Die Liebe zu seinen „Knatterdin­gern“ist ihm an den Augen abzulesen. Welche emotionale Bindung Menschen zu ihrem alten Fahrzeug haben können, schildert Peter Frey. „Ich habe meinen „Mercedes 230“einem 90-jährigen Mann abgekauft, der aus Sicherheit­sgründen mit dem Auto nicht mehr fahren wollte. Als ich von Hof fuhr, sind ihm die Tränen herunterge­laufen.“

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Fotos: B. Hohlen Nur gucken, nicht kaufen: Johann Wiedemann restaurier­t alte Motorräder, doch verkaufen will er sie nicht. Bei der Moto Technica gab es unter anderem einen restaurier­ten NSU Neckar zu sehen. Markus Benoit zeigt Restaurier­ungstechni­ken.
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