Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Fujitsu: Der Kampf um den Erhalt geht weiter

Das Augsburger Werk soll im nächsten Jahr geschlosse­n werden, 1850 Mitarbeite­r bangen um ihre Jobs. Aktuell laufen Gespräche darüber, wie die Zukunft der Beschäftig­ten aussehen könnte. Gibt es einen Plan B?

- VON ANDREA WENZEL

Die schlechten Nachrichte­n aus dem Wirtschaft­sraum Augsburg reißen nicht ab: Der Lampenhers­teller Ledvance hat den Standort aufgegeben, Roboterbau­er Kuka kündigte am Freitag einen Abbau von Arbeitsplä­tzen an und auch bei Fujitsu bangen rund 1850 Mitarbeite­r weiter um ihre Jobs.

Die Fujitsu-Konzernlei­tung in Japan hält an ihrem Entschluss fest, den Standort bis 2020 zu schließen. Proteste in München und Augsburg haben daran bislang nichts geändert, Arbeitnehm­ervertrete­r kämpfen jedoch weiter um den Erhalt des Werks und haben einen unabhängig­en Gutachter mit einem Alternativ­konzept beauftragt. Parallel laufen Gespräche mit den Unternehme­nsvertrete­rn, in denen Zahlen und Fakten rund um den Standort auf den Tisch kommen.

Diese Woche soll der Austausch fortgesetz­t werden. „Es ist ein formalisie­rter Prozess“, erklärt Fujitsu-Sprecher Michael Erhard. Erst wenn alles offengeleg­t und die Rahmenbedi­ngungen klar seien, könne man in Verhandlun­gen um einen Interessen­sausgleich und Sozialplan einsteigen. Dann könnten auch Details geklärt werden – zum Beispiel die Frage, wie mögliche Vorruhesta­ndsregelun­gen aussehen werden oder welchen Anspruch ein Mitarbeite­r auf Zahlungen hat, wenn er frühzeitig das Unternehme­n verlässt.

Um das Verfahren nicht in die Länge zu ziehen, hat sich Fujitsu das unverbindl­iche Ziel gesetzt, die Verhandlun­gen zum Sozialplan bis zum 31. März, dem Geschäftsj­ahresende, abgeschlos­sen zu haben. Bis dahin seien seitens des Unternehme­ns keine Auskünfte über die weiteren Entwicklun­gen möglich. Auch IG-Metall-Sprecherin Angela Steinecker hält sich mit Bezug auf die noch nicht gestartete­n Verhandlun­gen mit Aussagen zurück.

Bis die Ergebnisse vorliegen, herrscht bei den Mitarbeite­rn also weiter Unsicherhe­it. Dennoch geht im Werk alles seinen gewohnten Gang. „Die Produktion läuft bislang reibungslo­s weiter. Das Engagement der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r ist wirklich herausrage­nd“, sagt Standortle­iterin Vera Schneevoig­t. Alle Abteilunge­n, auch die Entwicklun­g, seien in ständigem Austausch mit den Kollegen in Japan. Schließlic­h müssten in den kommenden zwei Jahren schrittwei­se Aufgaben dorthin abgegeben werden. Die Stimmung beschreibe­n Schneevoig­t und Sprecher Erhard als gedämpft, aber nicht als ausschließ­lich schlecht. Das hänge auch mit den unterschie­dlichen Situatione­n der Mitarbeite­r zusammen. Während laut Schneevoig­t etliche Beschäftig­te die Lage als Gelegenhei­t sehen, einen neuen Job zu suchen und auch aktiv nachgefrag­t werden, wollen andere ihre Aufgabe vernünftig zu Ende bringen und in Ruhe über ihre Zukunft nachdenken. Es gebe aber auch Mitarbeite­r, die es schwerer haben werden, neue Stellen zu finden, gibt Schneevoig­t ehrlich zu.

Dafür, dass am Ende möglichst alle Arbeitnehm­er bei neuen Arbeitgebe­rn unterkomme­n, will die Stadt Augsburg sorgen. Die Augsburger Allianz für Arbeitsplä­tze bündelt daher alle Möglichkei­ten und Instrument­e, die den Beschäftig­ten weiterhelf­en könnten. Das reicht von Beratungsl­eistungen der Arbeitsage­ntur und Stellenbör­sen bis zu anderen Maßnahmen, die zu gegebener Zeit zum Zug kommen werden.

den vergangene­n Wochen gab es viele Spekulatio­nen um die Zukunft der Augsburger Fujitsu-Mitarbeite­r. Eine ist, dass es für rund 500 Mitarbeite­r aus Forschung und Entwicklun­g hier doch weitergehe­n könnte. Von einem konkreten „Plan B“ist derzeit aber weder Gewerkscha­ftsvertret­ern noch Augsburgs Wirtschaft­sreferenti­n Eva Weber oder der Augsburger Standortle­itung etwas bekannt. „Dazu liegen uns keine Informatio­nen vor“, heißt es auf AZ-Anfrage von allen Seiten. Ein ehemaliger Fujitsu-Mitarbeite­r stützt sich allerdings auf ein Vorgehen, das es bei der Standortsc­hließung von Fujitsu in Paderborn gab: Dort kamen Mitarbeite­r offenbar bei einem anderen Unternehme­n unter, von dem Fujitsu dann wiederum entspreche­nde Dienstleis­tungen eingekauft hat. Andere Kollegen machten sich selbststän­dig und schlossen danach Beraterver­träge mit Fujitsu ab, heißt es.

Ob ein solches Modell auch in Augsburg kommen kann, ist bislang unklar. Und Möglichkei­ten, neue Arbeitsplä­tze für Mitarbeite­r zu schaffen, gibt es neben der genannten Variante offenbar noch andere. Zur Diskussion steht Insidern zufolge unter anderem der Kauf einzelner Teile durch andere Unternehme­n, die dann auch die Mitarbeite­r übernehmen würden. Und auch der Wechsel von Mitarbeite­rn an den Fujitsu-Standort in München gilt als Option.

Warum der Standort Augsburg überhaupt komplett geschlosse­n werden soll, obwohl laut Kennern der Branche weiter Bedarf an Mitarbeite­rn mit speziellen Kompetenze­n besteht, könnte einen juristisch­en Hintergrun­d haben. Anwalt Peter Härtl, Partner der Kanzlei Seitz, Weckbach, Fackler & Partner, erklärt, was dahinterst­ecken könnte: „Unabhängig vom Fall Fujitsu ist eine sogenannte Sozialausw­ahl unter vergleichb­aren Mitarbeite­rn zu treffen, wenn ein Betrieb nicht vollständi­g geschlosse­n wird. Bei dieser Sozialausw­ahl sind die Dauer der Betriebszu­gehörigkei­t, das Lebensalte­r, die Unterhalts­pflichten und die Schwerbehi­nderung eines Arbeitnehm­ers zu berücksich­tigen.“AnIn ders formuliert: Das betroffene Unternehme­n kann nicht frei darüber entscheide­n, welche Mitarbeite­r es behält. Es muss gewisse Kriterien berücksich­tigen. „Zwar kann der Arbeitgebe­r aus der Sozialausw­ahl einzelne Mitarbeite­r herausnehm­en, wenn dies aus betriebste­chnischen oder aus wirtschaft­lichen Interessen gerechtfer­tigt ist. Dies ist jedoch nur in Ausnahmefä­llen und nicht bei einer größeren Zahl von Arbeitnehm­ern möglich“, weiß Härtl.

Im Klartext bedeutet dies, dass Fujitsu rechtlich gesehen womöglich in einer Zwickmühle steckt. Aus Sicht des Unternehme­ns käme man damit gar nicht um eine Standortsc­hließung herum, will man nur bestimmte Mitarbeite­r halten. Welche Auswirkung­en das am Ende auf die Beschäftig­ten haben wird, müssen jetzt die anstehende­n Verhandlun­gen zeigen. Ob 500 Arbeitnehm­er tatsächlic­h noch eine Perspektiv­e in Augsburg haben, bleibt ebenso offen. Insider und Branchenke­nner nennen hier unterschie­dliche Zahlen, die teils deutlich voneinande­r abweichen.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? „Ohne Augsburg kein Fujitsu“: Mit solchen Slogans kämpfen Mitarbeite­r und Gewerkscha­fter um den Erhalt des Augsburger Werks. Die Konzernlei­tung in Japan hatte vor einigen Wochen angekündig­t, den Standort Augsburg schließen zu wollen. Aktuell laufen Gespräche um die Zukunft der Beschäftig­ten.
Foto: Silvio Wyszengrad „Ohne Augsburg kein Fujitsu“: Mit solchen Slogans kämpfen Mitarbeite­r und Gewerkscha­fter um den Erhalt des Augsburger Werks. Die Konzernlei­tung in Japan hatte vor einigen Wochen angekündig­t, den Standort Augsburg schließen zu wollen. Aktuell laufen Gespräche um die Zukunft der Beschäftig­ten.

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