Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Gefangen in der Zeitschleife
Tatort: Murot und das Murmeltier
Wer es gemütlich mag und zum „Tatort“gerne die Beine hochlegt, genießt mit Vorliebe die Fälle aus Münster. Ganz anders Wiesbaden. Dort ermittelt als Kommissar ein Freak. Den spielt Ulrich Tukur, ausgesetzt den Turbulenzen des Wahnsinns und einer dramaturgischen Raffinesse, die ihresgleichen sucht. Ein grotesker, so blutig wie komischer TV-Krimi, über den viele den Kopf schütteln werden. „Murot und das Murmeltier“ist nicht zuletzt dank der Präsenz des LKA-Mannes Felix Murot ein TV-Ereignis.
Wenn morgens um 7.30 Uhr das Telefon Murot aus dem Bett holt, schrillen die Alarmsignale. Nicht deshalb, weil Assistentin Magda Wächter den Ermittler wegen einer Geiselnahme in einer Bank braucht. Das Szenario kennt man auch aus zahlreichen Krimis und aus „Aktenzeichen XY“. Das Faszinierende: Murot stirbt mehrfach, wacht aber am selben Tag immer wieder auf.
Als ob die Zeit stehen geblieben wäre: Es ist Murot selbst, der sein Schicksal mit dem des philosophierenden Geiselnehmers teilt, von einer Frau mit Armbrust bedroht und nach 13 Filmminuten offenbar erschossen wird. „Ein irrsinniges Déjà-vu“, bescheinigt er sich. Was ist denn, wenn passiert, was man im Traum schon erlebt hat? Immer wieder begegnet er im Treppenhaus einer Joggerin („Ihr Schuh ist offen“), wird draußen von einem kleinen Buben angerempelt, der nicht von der Mama in die Kita gebracht werden will. Da ist die Punkerin, die ihm ständig die Windschutzscheibe reinigen möchte. „Jeder Tag ist derselbe“, sagt Murot. Das meint sinngemäß auch ein Rettungssanitäter. „Tatort, Polizeiruf, Soko, der Alte, der Junge. Immer dasselbe.“
Bis auf den großartigen Soundtrack, der sich wie eine bizarre Sinfonie aus „Traumschiff“-Klängen und Metal anhört. Schade, dass eines stört: Die sich stets wiederholende Zeitschleife, in die Murot gerät, ist ein allzu offensichtliches Remake des Kinohits „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Dennoch unser Fazit: Ein intelligenter „Tatort“, der zum Glück nicht intellektuell angekränkelt ist. Rupert Huber