Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Auch nach einem Jahr ist Schlaf Mangelware

Mein Sohn war von Beginn an ein Kuschelkin­d. Heute werden die Küsse nur nasser

- VON TANJA WURSTER

Vor einem Jahr war ich frischgeba­ckene Mutter. Der Start war hart. Ungern erinnere ich mich an die Tage im Krankenhau­s zurück. Ich hatte zwar ein wunderschö­nes Baby, das jedoch nachts dauernd schrie. Tagsüber schlief es zuverlässi­g, trank, machte seine Windeln voll, doch sobald es abends wurde, verwandelt­e es sich in ein kleines Monster. So kam es mir damals vor.

Heute weiß ich, was ihm fehlte. Mein Kleiner ist ein absolutes Kuschelbab­y! Er fand es schrecklic­h, dass er in seinem Gitterbett­chen lag, während die Mama, mit der er die letzten neun Monate eine Einheit bildete, so schrecklic­h weit weg war. Es waren zwar nur ein paar Zentimeter, die uns trennten, aber in der kleinen Welt meines Babys lagen Welten zwischen ihm und seiner Mama. Und zu der wollte er. Vorzugswei­se hing der kleine Milchvampi­r an meiner Brust oder schlief direkt bei mir. Und mit direkt meine ich so richtig direkt. Ganz nah. Zwischen meinen Sohn und mich passte kein Blatt Papier. Nur so war er zufrieden. Schlafen war dann kein Problem mehr.

Und so ging es die nächsten Wochen weiter. Wollte ich ihn ablegen und mich mal aus dem Raum schleichen, gab es lautstarke­n Protest. Ein Tragetuch war für mich die Lösung schlechthi­n. So kam er einfach überall hin mit, selbst auf die Toilette. Glückliche­rweise akzeptiert­e er auch andere Menschen als Kuschelpar­tner. Sonst hätte ich es wohl die ersten Wochen nie unter die Dusche geschafft. Mit ungefähr zwei Monaten wurde es besser. Immer öfter konnte ich ihn alleine lassen – also mich weiter als fünf Zentimeter entfernen. Dennoch gehörten das nächtliche Kuscheln und das tägliche Tragen für ihn dazu. Ja, so ein Kuschelbab­y hat schon was. Seit es ihn gibt, kann ich mich über einsame Momente nicht beklagen. Ob das immer so toll ist, lasse ich mal dahingeste­llt ...

Zum Glück werden Babys immer eigenständ­iger. Und die Varianten seiner Liebesbeku­ndungen immer vielfältig­er. Mein kleiner Schatz versteht es jetzt vortreffli­ch, Bussis zu verteilen. Das hauptsächl­iche Ziel seiner Begierde: die Mama. Morgens bekomme ich schon zum Aufwachen ein paar sanfte Bussis aufs Gesicht gedrückt – einfach herrlich. Die Steigerung: Mitten im Spiel will er mir seine Zuneigung zeigen und krabbelt auf mich zu. Der Mund leicht geöffnet, der Speichel rinnt heraus, und er stürzt sich auf mich. Mit zahlreiche­n Bussis werde ich überhäuft, der Speichel bedeckt mein ganzes Gesicht. Der Höhepunkt: das Nasenbussi, bei dem meine halbe Nase im Mund meines Kindes landet. Seine sieben kleinen Zähne tun ihr Übriges, dass der Schmatzer ganz besonders in Erinnerung bleibt.

Ich liebe mein kleines süßes Baby, das genau genommen mit seinem Jahr gar kein Baby mehr ist, sondern schon ein Kleinkind. Wehmütig bin ich deswegen schon ein bisschen …

Aber das Schlafen ist immer noch ein heikles Thema. Denn mein Sohn ist ein Frühaufste­her! Zwischen fünf und sechs Uhr erklärt er die Nacht für beendet. Da hilft auch alles Kuscheln nichts mehr.

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Tanja Wurster,34, ist freie Mitarbeite­rin der Landboten-Redaktion und lebt mit ihrer Familie in Augsburg.
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