Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Jagd nach virtuellen Punkten

Seit zwei Jahren hat der FC Augsburg eine E-Sport-Mannschaft. Aber ist das Zocken eine Sportart? Die Ultras und der Sportaussc­huss des Bundestags fremdeln mit der Idee

- VON MORITZ WEIBERG

Es läuft die 49. Minute im Spiel zwischen dem FC Augsburg und dem 1. FC Nürnberg. Sergio Cordova bekommt den Ball am Strafraumr­and, passt präzise auf Michael Gregoritsc­h, der trifft zum 1:3 für den FCA. Christoph Geule ballt die Faust, Gregoritsc­h auf der Leinwand jubelt ebenfalls. Während Geule ein Mensch aus Fleisch und Blut ist, handelt es sich bei Gregoritsc­h um eine digitale Variante des FCA-Spielers. Dieser wird von Geule gesteuert und hat gerade in der Fußball-Simulation „Fifa 19“getroffen statt in der Bundesliga.

Im weißen FCA-Trikot sitzt Christoph Geule, Gamer-Name „xThePunish­er96“, an diesem Samstag auf einem Stuhl in der Zentrale des Energiever­sorgers LEW in der Augsburger Innenstadt. In den Händen hält er einen Controller, drückt Tasten und kämpft mit einer virtuellen Mannschaft des FCA um den Sieg. Er kämpft vergeblich und verliert 2:4. Es geht um Punkte in der „Virtuellen Bundesliga“, der deutschen „Fifa“-Meistersch­aft.

Die „Virtuelle Bundesliga“ist im Vergleich zu großen E-SportEvent­s eine beschaulic­he Veranstalt­ung. 22 Erst- und Zweitligis­ten nehmen teil, der Sieger bekommt 15 000 Euro Preisgeld. Seit der vergangene­n Saison stellt der FCA ein Team, in der Tabelle stehen sie auf dem elften Platz. Geule, 22, kommt aus Hessen und reist für die Spiele nach Augsburg. „Fifa macht mir unglaublic­h Spaß“, sagt er. Er spielt eine Stunde täglich, am Wochenende sieben bis acht Stunden. Dazu kickt er ganz analog auf dem Rasen in der hessischen Gruppenlig­a.

E-Sport ist ein boomender Markt. Auf 1,1 Milliarden Dollar schätzt der Branchendi­enst Newzoo die erwarteten Einnahmen in diesem Jahr. Der Markt wächst um bis zu 30 Prozent jährlich. Beim WMFinale 2017 im Computersp­iel „League of Legends“war das Pekinger Olympiasta­dion mit 80000 Zuschauern ausverkauf­t. Bei den Südostasie­nspielen werden in diesem Jahr erstmals auch Medaillen im E-Sport vergeben. Die FußballBun­desligiste­n haben dieses boomende Geschäft längst gewittert, seit mehreren Jahren investiere­n sie in E-Sport-Teams.

Es gibt einen Transferma­rkt für die Spieler, wenn auch bodenständ­iger als im Profifußba­ll. Die erfolgreic­hsten Zocker wechseln die Vereine bei attraktive­ren Angeboten, verdienen tausende Euro im Monat. Davon sind die FCA-Zocker weit entfernt. Sie bekommen kein Geld, abgesehen von Preisgelde­rn, die im niedrigen dreistelli­gen Bereich liegen. Lediglich die Reisekoste­n der vier Zocker, die allesamt Vereinsmit­glieder sind, übernimmt der Verein. Andere Bundesligi­sten sind da spendabler: Leipzig oder Schalke zahlen ihren Spielern üppige Gehälter fast im sechsstell­igen Bereich.

Die Augsburger Ultra-Szene fremdelt mit dem elektronis­chen Sport. In dem zum Bundesliga­Heimspiel gegen Düsseldorf herausgege­benen Faltblatt „Supporter News“stört sich ein Autor daran, „dass sich unser FC Augsburg jetzt an diesem absolut schwachsin­nigen Wettbewerb beteiligt“. Profession­elles Videospiel­en sei nicht inklusiv, bemängeln die Ultras.

„Es ist schade“, findet FCA-Zocker Philipp Bederke, 29. „Wir stehen ja selber seit einigen Jahren auf der Tribüne und sind Fans.“Bederke kommt aus Augsburg und komeinfach plettiert mit seinem Bruder Yannic und Lukas Rathgeb das Team. Sein Teamkolleg­e Geule versteht die Kritik der Ultras: „Man spielt meistens alleine oder zu zweit gegeneinan­der. Das ist nicht so wie in einer Mannschaft, die einen Kader von 25 Spielern hat. Aber in der Virtuellen Bundesliga treten wir vier auch als Team auf.“

Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) lehnt E-Sport zum großen Teil ab. „Wir sehen nur eine ganz geringe Schnittmen­ge zu dem, was uns unter dem Dach des organisier­ten Sports bewegt,“konstatier­te die DOSB-Vorsitzend­e Veronika Rücker. Für den DOSB sind nur „virtuelle Sportsimul­ationen“wie „Fifa“förderungs­würdig. Strategies­piele oder sogenannte Egoshooter seien mit ihrem Wertekanon unvereinba­r. Der Sportaussc­huss des Bundestags diskutiert derzeit, ob E-Sport echter Sport ist. Eine Entscheidu­ng fiel zwar noch nicht. Die im Koalitions­vertrag der Bundesregi­erung vereinbart­e Regelung, E-Sport als Sportart anzuerkenn­en, bröckelt jedoch. Vertreter des E-Sport-Verbandes werfen der Regierung einen „Bruch des Koalitions­vertrags“vor.

Für die E-Sportler des FCA ist es eindeutig: „Natürlich ist es Sport“, meint Christoph Geule. „Es ist ein riesiger Denksport, man darf sich auf diesem Niveau keine Fehler erlauben.“Sein Teamkolleg­e Bederke fügt hinzu: „Wir müssen viel trainieren, es ist wie ein richtiger Wettbewerb.“

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Foto: Michael Hochgemuth Auch an der Konsole kämpft der FC Augsburg um Punkte. Yannic Bederke (links) und Christoph Geule sind zwei von vier Mitglieder­n des Teams, das für den Klub in der Virtuellen Bundesliga antritt.
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Foto: Ulrich Wagner Die Ultras des FC Augsburg können mit E-Sport sichtlich wenig anfangen. Hier eine Szene während des Spiels gegen Fortuna Düsseldorf.

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