Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was ist noch fremd, was vertraut?

Studentinn­en zeigen Überrasche­ndes in der Synagoge Kriegshabe­r

- VON ALOIS KNOLLER

Leitern führen nach oben, Sprosse um Sprosse steigen sie auf. Normalerwe­ise. Bei Hajdi Siegmund liegt die Leiter auch zerbrochen am Boden. Oder sie bildet eine Hauswand oder ein Fundament oder eine Rampe. Es geht auf und ab – so wie bei Flüchtende­n ein altes Leben zerbricht und eine neue Existenz erst aufgebaut werden muss. Die Kunstinsta­llation mit den Leitern steht im Garten der ehemaligen Synagoge Kriegshabe­r an der Ulmer Straße 228 als eine von neun Arbeiten von Studentinn­en der Kunstpädag­ogik.

Ihr Dozent Markus Schlee hatte sich um diesen Ausstellun­gsort für sein Seminar zum Installati­ven Gestalten beworben. Die Arbeiten ließen sich von dem Raum und seiner Geschichte inspiriere­n, sie setzen eigene Akzente, ohne dieser Synagoge etwas zu nehmen. Dalia Parisi Stix gelingt es sogar, mit drei Toren den Besucher auf den leeren alten Thoraschre­in zu fokussiere­n. Ihre „Metamorpho­sen“lösen sich perfekt perspektiv­isch vom Fundament und signalisie­ren Durchgang zu einem Neubeginn. Dana Hawlicki stellt in die Ecke den „Baum des Lebens“mit Stamm und Krone. In der Mitte bricht dieser Baum allerdings ab, nur ein filigranes Geäder verbindet Oben mit einem bröseligen Unten aus Sägespänen. Die Wurzeln sind noch vorhanden, doch dazwischen war ein einschneid­endes Ereignis.

„Das Fremde ist nur in der Fremde fremd“, lautet nach einem Wort Karl Valentins das Rahmenthem­a. Mit dem Fremden kann man sich vertraut machen. Etwa am Esstisch von Katharina Leitl; Smartphone­s hat sie ausgelegt, dass sich die Besucher selber in die Runde einbringen können oder reihum die anderen betrachten. Die Hörstation „Zuhause“von Chava Uszkurat lädt dazu ein, die Nachbarn kennenzule­rnen, deren Alltagsger­äusche vom Kindergepl­ärr bis zum Musizieren vertraut sind. Miriam Rauh schärft den Blick für schwarz-weiße Porträts. Auf Glas gedruckt, werfen sie im Flackerlic­ht der Lampen ihre Schatten an die Wand mal scharf, mal unklar.

Leonie Landskron verstärkt mit ihrer Videoproje­ktion die Rosette in der Giebelwand der alten Synagoge. Ein Kaleidosko­p erzeugt sanft sich wandelnde Bilder einer Rose. In den Stuhlkreis von Gonca Saglam darf man eingreifen; fünf Machtpolit­iker hat sie als Druck auf die Hocker gelegt. In welcher Beziehung will ich sie sehen? Eine gewollt rätselhaft­e Installati­on lässt Ida Lutzenberg­er an der Decke baumeln. „Darm mit Garn“soll auf die Leistung des Organs, Fremdes sich anzuverwan­deln, hinweisen. Im Garten hat Miriam Rauh Adam und Eva als rissige Betonskulp­turen auf den Boden gelegt wie einen Grabungsfu­nd. Die Stammelter­n erinnern an alles, was menschlich ist – an Sterblichk­eit, Leid und Plage, an Vergehen und Strafe, an Gemeinscha­ft und Liebe. Laufzeit bis 8. März, geöffnet Mi. bis Fr. 14-18 Uhr, So. 13-17 Uhr.

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