Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Mit dem Klang sprechen“
Studenten des Leopold-Mozart-Zentrums spielen Tänze. Einen davon sogar zu neunt an zwei Klavieren
Rötliche Pflaster kleben an Hyejue Moons Finger, schützen die empfindliche Haut. Die Klavierstudentin des Leopold-Mozart-Zentrums geht zu einem der Flügel im Augsburger Bechstein-Zentrum. Sie ist aufgeregt. Obwohl sie nur für ihre Mitstudenten spielt. Und obwohl sie das Stück in-und auswendig kennt, es in ungezählten Stunden wieder und wieder geübt hat. Sie nimmt auf dem samtenen Hocker Platz. Holt Luft und legt ihre Finger auf die weißen Tasten. Dunkle, schwere Töne strömen aus dem Instrument. Sechs Studenten sitzen in dem Raum, lauschen gebannt, manche wärmen ihre Finger auf. Jeder wird an diesem Abend spielen. Es ist die Generalprobe für ihr Konzert „Tastenzauber – Wenn Tasten tanzen“.
Die Finger der Südkoreanerin gleiten flink und rasend schnell über die 88 Tasten. Ihr Köper wiegt sich sanft zur kraftvollen, fast bedrohlichen Musik. Moon spielt „La Valse“– der Walzer, von Maurice Ravel. Doch das Stück ist keineswegs locker und launig wie etwa ein Wiener Walzer. Nein, er ist düster, chaotisch und schwer. Das Werk komponierte der Franzose unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges und er beschreibt die damalige Stimmung. Es gilt als Meisterwerk.
Moon ist hoch konzentriert. Anders als Moritz Wolff. Der junge Musiker aus Germering (Landkreis Fürstenfeldbruck) hat seinen Auftritt schon hinter sich. Auch er hat einen Tanz auf dem Klavier einstudiert, die „Danzas Argentinas“, geschrieben von Alberto Ginastera. Kraftvoll, drängende Passagen wechseln darin mit melancholisch verträumten Klängen ab.
„Ich habe mich in das Stück verliebt“, sagt Wolff. Weil es ihn widerspiegele. Beide Seiten seiner Person zeige: die energiegeladene und die ruhige. Anders als Moon ist er an diesem Tag jedoch nicht aufgeregt. Er genießt es, wenn er Konzerte geben und „mit dem Klang sprechen kann“. Seine Gedanken und Gefühle wandelt er dann in Töne um. Was sich leicht anhört, ist tatsächlich harte Arbeit, braucht viel Übung, ausdauernde Konzentration und zehrt an den Kräften.
Und doch spielt Wolff gerne. „Jede Bewegung hat Einfluss auf die Musik“, sagt er mit strahlenden Augen. Etwa ob der Pianist die Tasten flach, oder steil anschlägt. Moon teilt seine Begeisterung. „Es ist wie Atmen“, sagt sie. Nicht nur, weil ihr das Spielen leicht fällt. Sondern weil sie es zum Leben braucht. Die junge Frau kennt es nicht anders. Schon als sie ein Kind war, hat sie sich an das Klavier ihrer Mutter gesetzt. „Ich habe Melodien aus dem Fernseher nachgespielt“, sagt sie. Für sie klingt Klaviermusik wie Wasser. Leise Töne perlen wie Regentropfen. Dunkle Noten rauschen drängend und dröhnend wie Wasserfälle.
Die letzte tiefe Note von „La Valse“verhallt. Die Zuschauer applaudieren und die Pianistin atmet auf. Nach Moon stehen noch ein spanischer Tanz von Enrique Granados und ein russischer von Igor Strawinski auf dem Programm, das elf Stücke umfasst. Zwei der Tänze werden zu zweit gespielt. Bei der Abschluss-Rumba spielen dann sogar alle neun Musiker an zwei Flügeln. Konzert „Tastenzauber – Wenn Tasten tanzen“findet am Donnerstag, 28. Februar, um 19.30 Uhr, im Parktheater im Kurhaus Göggingen statt.