Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Letzter Schreibwar­enladen ist mehr als ein Geschäft

Die Inhaberinn­en von Schreibwar­en Nettel in Gersthofen bieten nicht nur eine bunte Mischung an Waren an, sondern hören auch den Kunden zu. Einer der letzten Läden dieser Art

- VON RENATE DUMREICHER

Schulhefte, Briefe, den passenden Füller, aber auch Geschenke und seit Kurzem auch Gewürze – wo gibt’s das schon außer im Supermarkt unter einem Dach? Schreibwar­en Nettel in Gersthofen ist einer der letzten Läden, wie man sie früher antraf.

Gersthofen Schulhefte, Briefe, den passenden Füller, aber auch Geschenke und seit Kurzem auch Gewürze – wo gibt’s das schon außer im Supermarkt unter einem Dach? Und dann auch noch die Inhaberinn­en, die ihre Kunden kennen? Schreibwar­en Nettel in Gersthofen ist einer der letzten Läden, wie man sie früher an jeder Ecke antraf. Das Geschäft hat sich zu einem beliebten kleinen Kommunikat­ionszentru­m entwickelt.

Seit 57 Jahren gibt es den Schreibwar­enladen Nettel in der Augsburger Straße in Gersthofen. Den Inhaberinn­en ist er eine Herzensang­elegenheit, mit viel Liebe zum Detail und für die Kundschaft.

Am 1. Januar 1994 übernahmen die Schwestern Gerda Drüssler und Inge Gulden zusammen mit Helga Sperlich den Schreibwar­enladen von der Gründerin Luise Nettel. Als ehemalige Filialleit­erinnen einer Drogerie und zweifache Mütter entschiede­n sich Gerda und Inge 1993 als Wiedereins­tieg in das Berufslebe­n für die Selbststän­digkeit.

„Ich bin einfach in den Laden rein und habe gefragt“, erinnert sich Gerda Drüssler. Luise Nettel, verstorben im April 2012, war damals im Rentenalte­r und froh über die geklärte Nachfolge. Helga Sperlich als dritte Geschäftsf­ührerin war frühere Arbeitskol­legin der Schwestern und ergänzt das Trio nun seit 25 Jahren.

„Die Selbststän­digkeit war für uns wegen der Kinder die beste Lösung zum freien Arbeiten. Nach der Schule konnten wir nach Hause, und mein Mann hat die Schicht im Laden übernommen“, erinnert sich Gerda Drüssler. „Auch freitags und am Wochenende hilft er heute noch aus beim Lottogesch­äft. Die Fußballwet­ten sind irgendwie Männersa- che, dann wird hier gefachsimp­elt wie am Stammtisch“, ergänzt sie.

Heute sind die Kinder erwachsen und gehen ihre eigenen Wege. Die drei Damen haben das ursprüngli­che Flair erhalten, nur das Sortiment hat sich mit der Zeit verändert. „Schulbedar­f ist in der heutigen Zeit nicht mehr das Kerngeschä­ft. Im Laufe der Zeit kamen Deko- und Geschenkar­tikel, Keramik, Schals und Taschen und seit Kurzem auch Gewürze hinzu“, berichtet Inge Gulden.

Die Ideen holen sie sich auf Messen oder von Großhändle­rn. Die Laufkundsc­haft gibt es kaum, weiß die Vielfalt zu schätzen und verbringt gerne mal ein paar Minuten zum Schmökern im liebevoll gestaltete­n Laden. „Die Kunden sind zufrieden und freuen sich immer über ein nettes Gespräch. Und bei uns bleibt alles im Vertrauen“, sind sich die Schwestern einig.

Neben dem Verkauf gibt es noch eine wichtige Nebensache im Schreibwar­enladen Nettel: das Sammeln von Kleidung und Schuhen für arme Familien in Ungarn. Seit nun bereits 15 Jahren werden im Laden Spenden angenommen, in der Garage sorgfältig sortiert nach Männer-, Frauen-, Kinder-, Sommer- und Winterklei­dung, um alle vier bis sechs Wochen palettenwe­ise mit der Spedition Schenker in 23 kleine ungarische Dörfer an der rumänische­n Grenze gebracht zu werden – alles kostenfrei. „Einmal im Jahr fahren wir selber dort hin, um zu helfen und die Familien kennenzule­rnen. Es ist unglaublic­h, wie viel Armut es gibt – gar nicht so weit weg“, berichtet Gerda Drüssler sichtlich gerührt.

Harte Zeiten haben sie auch hinStammku­ndschaft, ter sich gebracht. Als die Baustelle für den neuen Kanal in der Augsburger Straße vor zwei Jahren fast fünf Monate lang das Parken vor dem Laden unmöglich gemacht hat, gab es starke Einbußen. Aber es ging doch immer weiter.

Die gute und persönlich­e Beratung jedes Kunden gehört zum täglichen Geschäft dazu. „Die Menschen schätzen das Alte und Gewohnte“, sind sich die Schwestern einig. Daher wird auch nichts in der Einrichtun­g verändert, solange die drei Engel vom Schreibwar­en Nettel noch da sind.

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Foto: Renate Dumreicher Für Gerda Drüssler (links) und Inge Gulden ist Schreibwar­en Nettel mehr als „nur“ihr Laden.

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