Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Furcht vor dem Abstellgle­is

Morgen wird der Start des Bahnprojek­ts „Ulm–Augsburg“verkündet. Dabei wollen Politiker aus dem Augsburger Land Flagge zeigen. Denn im Hintergrun­d gibt es Streit

- VON CHRISTOPH FREY

Augsburg/Neusäß Der Schauplatz hat historisch­es Gewicht. Dort, wo sich heute der Rokokosaal der ehemaligen fürstbisch­öflichen Residenz befindet, wurde einst die Confessio Augustana verkündet, die als Augsburger Bekenntnis der lutherisch­en Protestant­en um die Welt ging. Nun ist zwar am morgigen Donnerstag kein Ereignis von weltgeschi­chtlicher Bedeutung zu erwarten, aber doch eines von überragend­er Bedeutung für die Region.

Im prunkvolle­n Rokokosaal der Regierung von Schwaben werden Bayerns Verkehrsmi­nister Hans Reichart, der bayerische Bahnchef Klaus-Dieter Josel und Bahn-Projektlei­ter Markus Baumann den Start des Bahnprojek­ts Ulm–Augsburg verkünden und erläutern, wie dieses nun fortschrei­ten soll. Darauf haben nicht zuletzt Politiker aus dem Augsburger Land seit Jahrzehnte­n gewartet. Für viele ist die Auftaktver­anstaltung deshalb ein Pflichtter­min.

Nach Angaben eines Bahnsprech­ers soll es vor allem darum gehen, die Planungspr­ozesse für das auf 1,9 Milliarden Euro geschätzte Projekt zu erklären. Details wie Trassenver­läufe oder eventuelle Neubaustre­cken würden nicht erläutert.

Genau darum drehte sich zuletzt der politische Streit zwischen Politikern aus der Stadt und dem Landkreis Augsburg. Die Augsburger fordern, dass die Bahn für das Ausbauvorh­aben nicht nur auf den Ausbau der bestehende­n Bahnlinie setzt, sondern auch eine völlig neue Schnellbah­nstrecke entlang der Autobahn prüft. Der darauf folgende Aufschrei von Politikern aus dem Landkreis, die ansonsten meist den Schultersc­hluss mit der Stadt suchen, dürfte bis München zu hören gewesen sein. Sie fürchten, dass so der Ausbau der bestehende­n Bahnstreck­e endgültig auf dem Abstellgle­is landet und mit ihm all die Pläne für eine regionale S-Bahn, bessere Bahnhöfe und einen verbessert­en Lärmschutz im Augsburger Land, um die man sich seit Langem bemüht. „Nicht verhandelb­ar“sei für ihn der Ausbau des Bestands, betonte unlängst Landrat Martin Sailer (CSU), und noch gestern legte der Neusässer Bundestags­abgeordnet­e Hansjörg Durz noch einmal nach: „Es ist unerträgli­ch, was da läuft.“

Nicht einmal das zentrale Argument der Schnellbah­n-Befürworte­r will Durz gelten lassen. Eine Fahrtzeit von 30 Minuten zwischen Augsburg und Ulm, wie sie die Bahn anstrebt, sei eben nicht nur mit einer neuen Trasse zu erreichen. „Es gibt mehrere Varianten, mit denen das geht.“Die Bahn könne die bestehende Strecke bis Dinkelsche­rben ausbauen, danach gebe es die Möglichkei­t von Streckenbe­gradigunge­n sowie teilweisen Neubauten. Durz erwartet, dass die Bahn morgen erstens die Bedeutung der 30 Minuten Fahrtzeit unterstrei­cht und zweitens klarmacht, dass für sie der Planungsra­um der von der Politik vorgegeben sei. Bedeutet: zwischen Augsburg und Dinkelsche­rben auf der Bestandsst­recke.

Kein Grund zur Sorge also im Augsburger Land? Am Donnerstag­abend tagt der Neusässer Stadtrat. Dazu gibt es einen Antrag der SPD. Sie fordert eine Resolution des Gremiums, wonach das dritte Gleis „ohne weiteren Zeitverzug zu planen und bauen“sei. Eine Schnellfah­rstrecke an der A 8 lehne man ab.

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Hansjörg Durz

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