Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Furcht vor dem Abstellgleis
Morgen wird der Start des Bahnprojekts „Ulm–Augsburg“verkündet. Dabei wollen Politiker aus dem Augsburger Land Flagge zeigen. Denn im Hintergrund gibt es Streit
Augsburg/Neusäß Der Schauplatz hat historisches Gewicht. Dort, wo sich heute der Rokokosaal der ehemaligen fürstbischöflichen Residenz befindet, wurde einst die Confessio Augustana verkündet, die als Augsburger Bekenntnis der lutherischen Protestanten um die Welt ging. Nun ist zwar am morgigen Donnerstag kein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung zu erwarten, aber doch eines von überragender Bedeutung für die Region.
Im prunkvollen Rokokosaal der Regierung von Schwaben werden Bayerns Verkehrsminister Hans Reichart, der bayerische Bahnchef Klaus-Dieter Josel und Bahn-Projektleiter Markus Baumann den Start des Bahnprojekts Ulm–Augsburg verkünden und erläutern, wie dieses nun fortschreiten soll. Darauf haben nicht zuletzt Politiker aus dem Augsburger Land seit Jahrzehnten gewartet. Für viele ist die Auftaktveranstaltung deshalb ein Pflichttermin.
Nach Angaben eines Bahnsprechers soll es vor allem darum gehen, die Planungsprozesse für das auf 1,9 Milliarden Euro geschätzte Projekt zu erklären. Details wie Trassenverläufe oder eventuelle Neubaustrecken würden nicht erläutert.
Genau darum drehte sich zuletzt der politische Streit zwischen Politikern aus der Stadt und dem Landkreis Augsburg. Die Augsburger fordern, dass die Bahn für das Ausbauvorhaben nicht nur auf den Ausbau der bestehenden Bahnlinie setzt, sondern auch eine völlig neue Schnellbahnstrecke entlang der Autobahn prüft. Der darauf folgende Aufschrei von Politikern aus dem Landkreis, die ansonsten meist den Schulterschluss mit der Stadt suchen, dürfte bis München zu hören gewesen sein. Sie fürchten, dass so der Ausbau der bestehenden Bahnstrecke endgültig auf dem Abstellgleis landet und mit ihm all die Pläne für eine regionale S-Bahn, bessere Bahnhöfe und einen verbesserten Lärmschutz im Augsburger Land, um die man sich seit Langem bemüht. „Nicht verhandelbar“sei für ihn der Ausbau des Bestands, betonte unlängst Landrat Martin Sailer (CSU), und noch gestern legte der Neusässer Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz noch einmal nach: „Es ist unerträglich, was da läuft.“
Nicht einmal das zentrale Argument der Schnellbahn-Befürworter will Durz gelten lassen. Eine Fahrtzeit von 30 Minuten zwischen Augsburg und Ulm, wie sie die Bahn anstrebt, sei eben nicht nur mit einer neuen Trasse zu erreichen. „Es gibt mehrere Varianten, mit denen das geht.“Die Bahn könne die bestehende Strecke bis Dinkelscherben ausbauen, danach gebe es die Möglichkeit von Streckenbegradigungen sowie teilweisen Neubauten. Durz erwartet, dass die Bahn morgen erstens die Bedeutung der 30 Minuten Fahrtzeit unterstreicht und zweitens klarmacht, dass für sie der Planungsraum der von der Politik vorgegeben sei. Bedeutet: zwischen Augsburg und Dinkelscherben auf der Bestandsstrecke.
Kein Grund zur Sorge also im Augsburger Land? Am Donnerstagabend tagt der Neusässer Stadtrat. Dazu gibt es einen Antrag der SPD. Sie fordert eine Resolution des Gremiums, wonach das dritte Gleis „ohne weiteren Zeitverzug zu planen und bauen“sei. Eine Schnellfahrstrecke an der A 8 lehne man ab.