Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Narren zieht es nach Wertingen
Viele Pakete des Textilversandhauses Buttinette gehen derzeit an Kunden in Deutschland und dem Rest Europas
Wertingen Mäuschen spielen – das macht Anja Schreiber hin und wieder gerne. Dann mischt sie sich unter die Kundschaft, will wissen, wie neue Produkte ankommen. Schließlich ist sie Einkäuferin beim Wertinger Textil-Versandhandel Buttinette. Da ist es natürlich interessant, ob es Kritik gibt oder ob sie mit ihren Bestellungen richtig gelegen und den Narren-Nerv getroffen hat.
Im Moment herrscht Hochkonjunktur im Faschingshaus von Buttinette. An manchen Tagen verlassen bis zu 18 000 Pakete das Wertinger Versandhaus – so viel wie sonst das ganze Jahr über nicht. Die zahlreichen Parkplätze im Hof sind an diesem Freitag alle belegt. Viele Autofahrer sind deshalb auf die Industriestraße ausgewichen. Die Kennzeichen verraten, woher die Kunden kommen: aus Aichach, Augsburg, Donauwörth, Heidenheim, Dillingen, Günzburg, München oder Ulm. In den Umkleidekabinen geht es entsprechend hoch her, die Einkaufswagen sind bis oben hin beladen mit allerlei Schnickschnack, Plüsch, Stoffen und Accessoires.
An diesem Tag halten sich auffallend viele Frauen im Laden auf. Natürlich: Der Weiberfasching naht. So wie Beate Meir aus Westendorf. „Bei uns im Ort ist der Gumpige Donnerstag ein Mega-Ereignis.“ Das Feiern gehe schon am Nachmittag los und ende erst um Mitternacht. Die Frau setzt sich verschiedene Perücken auf, dreht sich vor dem Spiegel und überlegt, wie sie das vorgegebene Motto am besten umsetzen kann: Zur Rocky Horror Picture Show, dem schrägsten Musical aller Zeiten, will sie eine gute Figur machen. „Nein, die rote Perücke macht mich zu blass“, sagt sie und greift zu silbernen Kunsthaaren. „Ja, das ist es.“Nun noch eine schillernde Hotpants, passende Netzstrümpfe dazu, eine knallige Federboa umgehängt, dann hat sie ihr Outfit zusammen.
Hinter dem Vorhang einer Umkleidekabine kichert jemand. Hier probieren Frauen aus Niederstotzingen neckische Feenkleider im Vokuhila-Style an – vorne kurz, hinten lang. Das Design stammt exklusiv aus dem Kreativzimmer von Buttinette.
Einen „bärigen“Spaß scheint offensichtlich Sandra Kersting zu haben. Die Gundersheimerin hat sich einen Umhang übergeworfen. Jetzt schauen nur noch ihre Augen und ein paar Haarsträhnen aus dem Plüsch hervor. In Sekundenschnelle hat sie sich in ein Zebra verwandelt. „So etwas habe ich gesucht – ein Kostüm, das wärmt und gleichzeitig praktisch ist.“Doch auf der Kleiderstange hängen weitere tierische Ponchos: Giraffen, Panther, Kängurus und Flamingos. Die Entscheidung fällt Sandra Kersting nicht leicht. Im Geiste geht sie bereits von Haus zu Haus, so wie es in Gundersheim bei Weißenburg an Weiberfasching Brauch ist. Je verrückter und ausgefallen die Verkleidung sei, umso mehr Ausgaben der „Öllinger Brennnessel“ließen sich verkaufen, erzählt sie von der örtlichen Karnevalszeitung und lacht in den Spiegel.
Vom Retro-Trend des Wilden Westens ist an diesem Wochenende nur wenig zu spüren. Zu Cowboyhüten und Indianerfedern greift die Damenwelt ausnahmsweise gar nicht. Dafür sind umso mehr Reisigbesen, spitze Hüte und hässliche Gumminasen gefragt.