Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mit dem Spickzettel im Spind aus der Krise
Michael Gregoritsch hat seit acht Spielen nicht mehr getroffen. Die Krise des Torjägers steht auch exemplarisch für den Fall des Bundesligisten. Doch ein Hilfsmittel von Manuel Baum soll helfen
Im Spind von Michael Gregoritsch liegt seit der Vorrunde ein kleiner Zettel. Darauf ist der Strafraum zu sehen und die Wahrscheinlichkeiten, von wo aus man am besten trifft. Cheftrainer Manuel Baum hat ihn dem österreichischen Stürmer des FC Augsburg schon in der Vorrunde gegeben. Vielleicht hat Baum schon da geahnt, dass der 24-Jährige in dieser Saison so eine Visualisierung als Hilfe noch benötigen wird.
In der abgelaufenen Saison war es fast so, dass Gregoritsch auch aus 50 Metern wohl noch das Tor getroffen hätte mit verbundenen Augen. Mit 13 Treffern war er der Torschützenkönig der Augsburger und mit ein Garant dafür, dass diese Spielzeit sorgenfrei über die Bühne ging. Er stand exemplarisch für die Zuversicht, dass da ein Team am Entstehen ist, das mit seiner Qualität und seinem Talent dem reinen Abstiegskampf irgendwann den Rücken kehren könnte.
Damals, sagt Gregoritsch während der Pressekonferenz vor dem Heimspiel am Freitag in der ausverkauften WWK-Arena gegen Borussia Dortmund (20.30 Uhr, Eurosport-Player), seien „Bälle reingeflogen, wo ich oft nach dem Spiel nicht gewusst habe, wie sie reingegangen sind. Dieses Jahr geht er an den Innenpfosten und wieder raus.“
Nicht einmal ein Jahr später steckt der FCA in seiner wohl tiefsten Krise seit dem Aufstieg in die Bundesliga. Auch wenn der FCA vor dem Duell mit dem Tabellenführer mit nur 18 Punkten immer noch auf Platz 15 steht. Und wieder kann Gregoritsch als gutes Beispiel für den Abschwung herhalten.
Drei Tore in nur 22 Spielen – für den Anspruch von Gregoritsch ist das zu wenig. Er trifft einfach nicht mehr. So wie am vergangenen Sams- tag in Freiburg. So komisch es klingen mag und so schlecht der FCA beim 1:5 auch gespielt haben mag, es gab in der zweiten Halbzeit eine Phase, in der der FCA aufschließen hätte können. Zuerst vergab JaCheol Koo (59.) die Chance zum 2:3 und als Luca Waldschmidt auf 4:1 (64.) für Freiburg erhöht hatte, vergab Gregoritsch gleich zwei große Chancen. In der 66. Minute prallte sein Ball an den Freiburger Innenpfosten und in der 76. Minute schoss Gregoritsch den Freiburger Torhüter Alexander Schwolow aus zwei Metern an. Nichts war es mit einem möglichen 3:4, am Ende hieß es so- gar 1:5. „Wenn man hinten drinsteht, springt so ein Ball nicht rein“, sagte Gregoritsch fatalistisch. „Ein Tor von mir hätte die Situation verändern können, genauso wie in Bremen, wo ich den Ball vorbeilegen will.“Auch dort hatte Gregoritsch nach dem 0:3 eine Riesenmöglichkeit, doch er scheiterte am WerderTorhüter Jiri Pavlenka. Am Ende hieß es 0:4.
Es waren die beiden schlechtesten Spiele des FC Augsburg in dieser Saison. Das weiß auch Gregoritsch. Seine Analyse der Freiburg-Pleite ist schonungslos: „Das ist einfach. Wir sind nicht in das Spiel gegangen mit der Bereitschaft und Wachheit, die man braucht. Wir haben nicht die Vorgaben umgesetzt, die wir hatten.“Man habe eine gute Trainingswoche gehabt. Und ist dann einem Trugschluss aufgesessen. Gregoritsch: „Man denkt sich, gegen Bayern war es super, die haben wir in Schach gehalten, jetzt fahren wir nach Freiburg und gewinnen dann da mal. Es wird aber nie in der Bundesliga so sein, dass eine Mannschaft ohne 100 Prozent Leistungsbereitschaft, Willen und Leidenschaft eine andere Mannschaft herspielen wird.“
Eine Einsicht, die während der Woche thematisiert wurde. „Wir hatten mit dem Trainer ein wirklich gutes Gespräch, was wir alle gemeinsam noch einmal verändern können. Ich glaube, das schärft die Sinne.“Das soll Dortmund zu spüren bekommen. „Wir werden Lösungen präsentieren, die dem FC Augsburg angemessen sind“, verspricht Gregoritsch. Und er lässt keinen Zweifel daran, dass die teilweise desolaten Leistungen in Bremen und Freiburg kein Indiz dafür sind, dass es Störungen zwischen Mannschaft und Trainer gibt, auch wenn manche Begebenheiten der letzten Woche andere Schlüsse durchaus zulassen. Gregoritsch sagt: „Wir treten absolut als Einheit auf.“
Er bricht sogar eine Lanze für Manuel Baum: „Wir wissen, dass wir eine sehr guten Trainer haben, der uns immer einen guten Plan mitgibt. Wenn wir den eingehalten haben, haben wir gewonnen oder so gespielt, dass wir nicht unterlegen waren.“Darum ist er sich auch sicher, dass der FCA die Klasse hält: „Wir werden nicht absteigen, davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt.“
Und mit Abstiegskampf kennt sich Michael Gregoritsch aus – schließlich stand er zwei Jahre beim Hamburger SV unter Vertrag. Die aktuelle Situation beim FCA sei mit der in Hamburg aber nicht zu vergleichen: „Hier ist es ruhiger, weil alles intern geregelt wird.“
Noch halten auch die Fans zum FCA. Dass dies so bleibt, dafür will Gregoritsch wieder mit seinen Toren sorgen. Vielleicht geht ja gegen Dortmund seine Serie von acht Spielen in Folge ohne Tor zu Ende. Im Hinspiel traf Gregoritsch bei der spektakulären 3:4-Niederlage zum zwischenzeitlichen 3:3. Vielleicht ein gutes Omen. Viele Fans sagen, es war das beste Spiel, das der FCA je in der Bundesliga gemacht hat. Es ist noch keine fünf Monate her. Es fühlt sich aber an, als seien es Jahre.