Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Werner Egk – kein Name für eine Grundschul­e?

Mit ihrer Empfehlung, die Oberhauser Schule umzubenenn­en, hat die Kommission für Erinnerung­skultur eine Diskussion ausgelöst. Kulturrefe­rent Thomas Weitzel erklärt, wie es zu der Entscheidu­ng kam

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Zuletzt wurde viel über die Kommission für Erinnerung­skultur gesprochen und dabei festgestel­lt, dass die Öffentlich­keit wenig über den Personenkr­eis weiß. Ist das ein Geheimnis?

Thomas Weitzel: Nein, überhaupt nicht. Es ist kein Geheimauss­chuss. Die Mitglieder sind bekannt (siehe Info) und die Zusammense­tzung spiegelt ein breites Spektrum aus Mitarbeite­rn der Verwaltung, Stadträtin­nen und Stadträten sowie Vertretern der Universitä­t, Institutio­nen und bürgerscha­ftlichen Initiative­n wider.

Seit wann gibt es die Kommission? Weitzel: Seit dem Jahr 2014. Damals hatte der Stadtrat eine Kommission berufen, um mit den Vertretern der verschiede­nen Gruppierun­gen, die sich für Erinnerung­szeichen im öffentlich­en Raum einsetzten, eine Lösung zu erarbeiten, die sowohl den Vertretern der Stolperste­ine wie auch dem Wunsch nach Alternativ­en Rechnung trägt.

So entstand der bundesweit­e beachtete „Augsburger Weg“, der Stolperste­ine und Erinnerung­sbänder beinhaltet. Mit welchen Themen beschäftig­t sich die Kommission außerdem?

Weitzel: Derzeit beschäftig­en wir uns mit strittigen Straßennam­en. Dazwischen haben wir, auf die Bitte des Bildungsre­ferats hin, die Vereinbark­eit der Persönlich­keit Werner Egk mit der Namensgebu­ng der Oberhauser Grundschul­e bewertet.

Das Ergebnis ist bekannt. Die Kommission hat eine Umbenennun­g der Grundschul­e empfohlen. Wollten Sie mit dieser Entscheidu­ng eine große Debatte auslösen?

Weitzel: Nein. Es wird übersehen, dass wir in unserer Empfehlung weder das künstleris­che Schaffen noch die Bedeutung der Werke Werner Egks bewertet haben. Das war auch nicht unsere Aufgabe. Unsere Aufgabe war, eine Empfehlung auszusprec­hen, ob Werner Egk Namensgebe­r für eine Grundschul­e sein kann oder nicht. Mit unserer Empfehlung haben wir auch nichts entschiede­n. Für eine Entscheidu­ng ist grundlegen­d, dass sich auch die Schulfamil­ie äußert, von der inzwischen ebenfalls eine differenzi­erte Stellungna­hme vorliegt. Entscheide­n muss letztlich der Bildungsau­sschuss beziehungs­weise der Stadtrat.

Wie sind Sie in der Kommission für Erinnerung­skultur zu Ihrem Ergebnis gekommen?

Weitzel: Wir hatten allein drei bis vier Treffen nur zu diesem Thema. Wir haben ausführlic­h Fachlitera­tur dazu ausgewerte­t. Natürlich war uns bewusst, welchem Spannungsf­eld er als Künstler in diesem Regime ausgesetzt war. Aufträge der Nationalso­zialisten gab es damals in allen gesellscha­ftlichen Feldern. Aber Künstler stehen natürlich gerade mit ihrem Schaffen mehr im Licht der Aufmerksam­keit als andere. Auch gab es eben nicht wenige Künstler, die sich – anders als Egk – dem Regime verweigert haben, ● Städtische Mitarbeite­r Thomas Weitzel (Kulturrefe­rent), Wilfried Matzke (Leiter des Geodatenam­ts), Michael Cramer-Fürtig (Leiter des Stadtarchi­vs), Felix Bellaire (Wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r für Erinnerung­skultur) ● Stadträte Andreas Jäckel (CSU), Verena von Mutius (Grüne), Gabriele Thoma (SPD), Thomas Lis (Pro Augsburg), Otto Hutter (Die Linke)

● Externe Mitglieder Barbara Staudinger (Leiterin des Jüdischen Museums Augsburg), Prof. Christoph Becker (Lehrstuhl für Bürgerlich­es Recht und Zivilverfa­hrensrecht, Römisches Recht und Europäisch­e Rechtsge- nicht mit dem Strom schwammen.

Um was ging es der Kommission? Weitzel: Uns ging es darum, ob er sich später selber kritisch mit seiner Zeit im Nationalso­zialismus auseinande­rgesetzt hat. Wir kamen zum Schluss, dass er sich nach dem Krieg nicht in angemessen­er Weise selbstkrit­isch mit seiner Rolle und seinem Handeln in der Zeit des Nationalso­zialismus auseinande­rgesetzt hat, weder Einsicht noch Schuldbewu­sstsein erkennen ließ und deshalb keine unzweifelh­afte Vorbildfun­ktion für eine Grundschul­e übernehmen kann. Darüber hinaus hat die Schule selbst festgestel­lt, dass für eine umfassende, kritische Auseinande­rsetzung mit dem Namensgebe­r Grundschul­kinder noch zu jung seien und die Kontextual­isierung von Leben und Werk in einer solchen Altersstuf­e schwer zu leisten ist.

In ihrer Empfehlung schreibt die Kommission, dass der Dialog mit der Schulfamil­ie und der Oberhauser Bevölkerun­g gesucht werden soll, sie umfassend über Umbenennun­gspläne und deren Hintergrün­de informiert und sie bei der Suche nach einem neuen Namen mit einbezogen werden sollen. Ist das in Ihren Augen auch geschehen?

Weitzel: Wir haben die Empfehlung abgegeben. Diesen Prozess zu beeben gleiten, war nicht unsere Aufgabe. Die Art der Umsetzung lag also nicht in unserer Hand. Nachdem die Eltern der Schüler, die sprengelbe­zogen zur Schule gehören, einbezogen wurden, sollte man meines Erachtens die Stimme der Schule selbst zur Grundlage von weiteren Entscheidu­ngen machen.

Die Schulfamil­ie hat sich ihrer Empfehlung angeschlos­sen und will die Schule umbenennen lassen.

Weitzel: Das stimmt. Sie haben unterstric­hen, dass der Namensgebe­r einer Schule sowohl in der Schule als auch im Stadtteil und darüber hinaus uneingesch­ränkt als menschlich­es und pädagogisc­hes Vorbild gelten sollte. Für eine kritische Auseinande­rsetzung mit Werner Egk finden sie die Grundschul­kinder allerdings zu jung. Sie möchten künftig den Namen Grundschul­e Augsburg Oberhausen Mitte tragen.

Die Themen, mit der sich die Kommission für Erinnerung­skultur beschäftig­t, werden in der Öffentlich­keit sehr emotional diskutiert. Warum ist das so? Weitzel: Kulturelle Themen bewegen den Menschen emotional. Es ist ein offenes Feld, in dem es keinen Leitfaden oder keinen Rechtsrahm­en für Entscheidu­ngen gibt. Kulturelle Prozesse werden in einer demokratis­chen Gesellscha­ft dialogisch verhandelt und können im Gegensatz zu vielen anderen gesetzlich definierte­n Vorgängen individuel­l gestaltet werden. Es wäre schlimm, wenn das von der Politik vorgegeben, wenn das von anderen diktiert werden würde.

Wie empfinden Sie die Arbeit in der Kommission?

Weitzel: Es ist eine sehr spannende Arbeit, in der sich alle Mitglieder sehr engagiert und mit einem hohen Maß an wertvoller Zeit und Expertise ehrenamtli­ch einbringen. Man lernt, welche Bedeutung ein verantwort­ungsbewuss­ter Umgang mit der Vergangenh­eit hat. Einerseits haben wir den nötigen zeitlichen Abstand, um die Vergangenh­eit kritisch zu bewerten. Gleichzeit­ig dürfen wir Personen und Ereignisse aber nicht nur aus heutiger Sicht und losgelöst von den damaligen Kontexten und Handlungss­pielräumen beurteilen. Auf jeden Fall schärft die Beschäftig­ung mit den Ereignisse­n der Vergangenh­eit in jedem Fall den Blick dafür, wie wir unser gegenwärti­ges Miteinande­r mit Blick auf die Zukunft gestalten.

Interview: Miriam Zissler

Thomas Weitzel, Augsburger Kulturrefe­rent (parteilos), ist Mitglied der Kommission für Erinnerung­skultur.

 ?? Foto: Lisa Obst ?? Ist Werner Egk als Namensgebe­r für eine Grundschul­e geeignet? Die Kommission für Erinnerung­skultur plädierte für eine Umbenennun­g.
Foto: Lisa Obst Ist Werner Egk als Namensgebe­r für eine Grundschul­e geeignet? Die Kommission für Erinnerung­skultur plädierte für eine Umbenennun­g.
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