Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Alkoholike­r als Betreuer

Am Ende fehlten 14 000 Euro

- VON PETER RICHTER

In der Region Augsburg sind rund 6000 Menschen auf einen Betreuer angewiesen, weil sie weder körperlich noch geistig in der Lage sind, wichtige Entscheidu­ngen für sich zu treffen. Meist überträgt die Betreuungs­stelle der Stadt oder beim Landratsam­t Angehörige­n diese Aufgabe. Sie dürfen damit auch finanziell­e Dinge für die von ihnen betreuten Menschen regeln. Die Voraussetz­ung: Die Behörde hat sich vorher über die Verhältnis­se informiert und das Betreuungs­gericht ihrer Wahl zugestimmt.

Doch wird immer gründlich genug geprüft? Der Fall eines Mannes, der vor dem Amtsgerich­t verhandelt wurde, weckt Zweifel. Im Sommer 2016 war der 54-Jährige zum gesetzlich­en Betreuer seiner Mutter bestimmt worden. Sie war von ihrer Wohnung in ein Pflegeheim gewechselt, wo sie 2017 starb. Doch der 54-Jährige, gelernter Maler und Lackierer, ist seit mehr als einem Jahrzehnt arbeitslos, x-fach vorbestraf­t und Alkoholike­r. Und das schon seit 20 Jahren. Als Betreuer der Mutter war für den Sohn die Verlockung zu groß: Zwei Monate später war kein Geld mehr auf ihrem Bankkonto, es fehlten 14000 Euro.

Der 54-Jährige, dem monatlich 424 Euro zur Verfügung stehen, hat das meiste davon für drei TürkeiUrla­ube ausgegeben. „All inclusive“, wie er sich erinnert. „Ich habe das Dreifache getrunken.“Wieder zu Hause habe er auch nicht mehr das Billigbier gekauft, bis das Geld ausgegeben war. Der Angeklagte macht kein Hehl daraus, dass er „Spiegeltri­nker“ist, der seinen Alkoholpeg­el über den Tag konstant hält. Damit er sich gut fühlt, trinkt der 54-Jährige nach eigenen Angaben täglich zwölf Flaschen Bier und zwei Liter Wein. Als Richter Baptist Michaele erstaunt nachfragt, wie er das denn finanziere, erwidert der

Der Angeklagte macht keinen Hehl aus seiner Sucht

Angeklagte: „Ich esse manchmal nichts, drei, vier Tage.“Seine als Zeugin angereiste Schwester bestätigt den Alkoholkon­sum ihres Bruders. Seit Jahren habe sie zu ihm keinen Kontakt gehabt. Sie zählt seine gescheiter­ten Suchtthera­pien auf, seine Strafen. Später hört sie den Gutachter sagen, ihr Bruder sei nicht therapierb­ar, „weitgehend ein hoffnungsl­oser Fall“. Doch ist der Angeklagte überhaupt schuldfähi­g? Der Sachverstä­ndige Johannes Wittmann, Facharzt für Psychiatri­e, bejahte dies. Auch mit dieser Menge Alkohol im Blut, so Wittmann, Leiter der medizinisc­hen Abteilung der JVA Aichach, habe der Angeklagte sich im Griff, wisse, was er tue. „Spiegeltri­nker“verhalten sich für ihre Umgebung unauffälli­g. Was der Angeklagte am Prozesstag unter Beweis stellte. Vor der Verhandlun­g, die um 13 Uhr beginnt, hatte er, wie er sagte, bereits sieben Bier gekippt. Man merkte es ihm nicht an.

Trotz seiner vielen Vorstrafen und der Höhe des Schadens bleibt dem 54-Jährigen das Gefängnis erspart. Die im Urteil verhängte Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten wird, Richter und Staatsanwa­lt waren sich einig, zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem muss der Verurteilt­e 120 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit leisten.

Zudem ging die Sache für ihn finanziell schlecht aus. Von der Mutter zum Alleinerbe­n bestimmt, erbte er auch ihre Schulden. Verteidige­r Frank Thaler wies darauf hin. Sein Mandant soll, da er das Erbe annahm, für Heimkosten in Höhe von 18000 Euro aufkommen. Bei der Arbeitsage­ntur hat er die 14000 Euro seiner Mutter verschwieg­en, weshalb seine Hartz-IV-Bezüge um 130 Euro gekürzt bleiben.

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