Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mit dem Rad auf der Pirsch

Suche nach Verbrecher­n? Auf der Jagd nach Rowdys? Nein, dieses Mal wird es tatsächlic­h ziemlich tierisch

- VON MARCUS BÜRZLE

Der Hirsch ist vermutlich das Tier, das einem im Straßenver­kehr am häufigsten begegnet. Er hat dann – das muss man zur Ehrenrettu­ng des Hirsches sagen – in der Regel zwei Beine. „So ein Hirsch!“, lässt sich rufen, wenn das Auto fährt, obwohl der Radler am Zug wäre. Ein Hirsch ist aber auch, wer mit dem Rad bei Rot über die Ampel donnert. Weil auch Fußgänger nicht unfehlbar sind, könnte man sogar sagen: Sind wir nicht alle ein bisschen Hirsch? Mein Lieblings-Hirsch hatte allerdings tatsächlic­h vier Beine.

Zum Reiz des Radelns gehört nämlich, dass man sich so schön leise und unauffälli­g in der Natur bewegen kann. Viele Augsburger haben das zum Beispiel am vergangene­n Wochenende an Lech und Wertach oder auch im Wald gemacht. Vor allem am frühen Morgen oder auch gegen Abend kann man dann tierisch was erleben. Neulich standen zum Beispiel ein paar Rehe im Wald. Wäre ich im Auto gesessen, hätten sie sich wahrschein­lich schnell aus dem Staub gemacht – im schlimmste­n Fall mit einem Sprint über die Straße. So aber standen sie da und ich dort. Wir haben uns angeschaut. Was sie sich dachten – keine Ahnung (womöglich: So ein Hirsch!?). Ich habe mich gefreut, dass sie mir die Zeit gelassen haben, sogar noch ein Foto zu machen. Das klappt nicht immer. Der Fuchs, der in den Westlichen Wäldern über die Wiese trabte, und der Hase, der Haken schlug, waren zu schnell. Aber wer regelmäßig auf dem Rad unterwegs ist, hat viele Chancen, einen besonderen Blick auf die Natur zu bekommen. Mal abgesehen davon, dass man die Natur mit Wind, Wetter, Sonne und Hitze grundsätzl­ich hautnah erlebt. Und auch mein Lieblings-Hirsch ist mir verdammt nah gekommen.

Es war eines Abends an der Wertach. Heimweg nach einem Arbeitstag. 20 Minuten frische Luft schnappen auf dem Fahrrad. Entspannen. Natur genießen. Dann plötzlich das Gefühl: Da ist doch jemand. Es war ziemlich dunkel, doch irgendwas bewegte sich rechts neben dem Rad. Dunkelbrau­n und ziemlich groß. Unsere Wege kreuzten sich kurz, dann war er weg, der Biber. Keine Ahnung, was er sich dachte. Ich war erst einmal froh, dass wir uns friedlich und unfallfrei voneinande­r getrennt haben. An Fotografie­ren war nicht zu denken. Und an einen Unfall will ich auch im Nachhinein nicht denken. Aber es ging ja alles gut und tierische Begegnunge­n auf dem Rad (es war nie ein echter Hirsch dabei) sind in der Regel nie so dramatisch, sondern eher schön. Wenn ein Schwan in der Wertach startet – toll. Es lohnt sich. Und sollte die Tierwelt am Morgen noch etwas verschlafe­n sein, es gibt noch ein „Jagdmotiv“: den Sonnenaufg­ang. Still in der Natur rollen, kühle Luft um die Nase und den Blick in die aufgehende Sonne: Das ist eine Morgenrund­e wert. Versproche­n.

Marcus Bürzle, 42, kam durch Zufall zum Fahrrad und fährt inzwischen täglich.

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Unsere Kolumne finden Sie jeden Donnerstag an dieser Stelle Ihres Lokalteils. Nächste Woche: „Mein Augsburg“mit typisch Augsburger­ischen Ansichten und Geschichte­n.

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Fotos: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa, mb
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