Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kunden müssen keine Tüten mehr heimtragen

Wer in der Innenstadt etwas kauft, kann die Waren ab September bei „Bücher Pustet“deponieren oder sie sich vom Fahrradkur­ier nach Hause liefern lassen – und zwar kostenlos. Welches Ziel die Stadt damit verfolgt

- VON STEFAN KROG

Kunden, die in einem Geschäft der Augsburger Innenstadt etwas kaufen, werden ihre Einkäufe ab September beim Bummeln nicht mehr herum- und später nach Hause tragen müssen, sondern können sie in einem „Dropshop“abgeben. Dort können die Einkäufe – vergleichb­ar mit dem Gepäckbus der Stadtwerke in der Adventszei­t – zwischenge­lagert werden. Wer möchte, kann sich die Waren mit dem Fahrradkur­ier nach Hause liefern lassen, und zwar kostenlos. Man wolle auf diese Weise das Einkaufen in der Innenstadt attraktive­r machen, so Ekkehard Schmölz, Leiter der städtische­n Tochter „Augsburg Marketing“.

Der neue Service ist nicht an den Einkauf in bestimmten Geschäften gebunden. Bezahlt werden die Kosten von 20 000 Euro pro Jahr in der auf zwei Jahre befristete­n Anlaufphas­e von „Augsburg Marketing“, wobei sich über den Fördervere­in die heimische Wirtschaft beteiligt. Bis September soll im ersten Stock bei „Bücher Pustet“der Dropshop eingericht­et werden.

Betrieben wird das Ganze von der Augsburger Firma „Boxbote“, die vor über drei Jahren in Augsburg als Essens-Kurier an den Start ging. Das Unternehme­n, das 30 Fahrer beschäftig­t und den Großteil des Umsatzes immer noch damit macht, Speisen und Getränke aus Restaurant­s nach Hause zu liefern, will sich breiter aufstellen. Die Überlegung sei, das Sortiment an lieferbare­n Artikeln auszuweite­n. Aktuell bietet „Boxbote“schon Dinge wie Blumen oder Drogeriear­tikel an, die man im Internet auswählen und vom Fahrradkur­ier nach Hause liefern lassen kann. Der Lieferdien­st sei ein Schritt dahin, die Aktivitäte­n auszubauen, so „Boxbote“-Mitgründer Raimund Seibold. Wenn das Projekt erfolgreic­h sei, sei es auch denkbar, dass die Kuriere die Ware direkt im Geschäft abholen, sodass Kunden auch nicht mehr zum Dropshop gehen müssen. Zunächst ist der Lie- ferradius auf das Stadtgebie­t Augsburg begrenzt. Vom Projekt, so Wirtschaft­sbürgermei­sterin Eva Weber (CSU), profitiert­en Kunden und Handel gleicherma­ßen. Es sei auch als Bestandtei­l einer Strategie zu sehen, um auf den Online-Handel zu reagieren.

Die Lieferung von Waren aus dem Einzelhand­el nach Hause ist inzwischen ein Thema, das deutsch- landweit aufkommt, auch wenn man (noch) nicht von einem Durchbruch sprechen kann. In Karlsruhe startete vor gut drei Jahren der gemeinsame (allerdings gebührenpf­lichtige) Lieferdien­st „Mein Kalix“, der inzwischen wieder eingestell­t wurde. In Stuttgart begann Daimler vor zwei Jahren einen Versuch, bei dem Kunden Einkäufe in der Innenstadt abgeben konnten und dann mit dem Archivfoto: Alexander Kaya Elektrotra­nsporter beliefert wurden. Und auch bei dem Projekt „Mein Günzburg“, bei dem es eine gemeinsame Internet-Plattform der Händler gibt, ist ein kostenlose­r Lieferserv­ice dabei.

„Alles, was dem Kunden hilft, bequemer im Zentrum einzukaufe­n, ist gut“, sagt Andre Köhn, Geschäftsf­ührer des Einzelhand­elsverband­s. Inzwischen diene der Besuch in der Innenstadt nicht mehr der reinen Versorgung, sondern solle ein Erlebnis für die Kunden sein. „Wer ins Café geht, ist vielleicht froh, keinen Tüten dabeizuhab­en.“

Köhns Einschätzu­ng deckt sich mit der Passantenb­efragung der Stadt Augsburg, mit der sie jährlich die Wünsche der Innenstadt­passanten erkunden möchte. Eine Kernaussag­e der Untersuchu­ng im vergangene­n Jahr: Die Besucher bleiben länger in der Innenstadt, kombiniere­n verschiede­ne Aktivitäte­n und besuchen häufiger als früher ein Café oder ein Restaurant. Mehr als ein Viertel der Passanten geht neben dem Einkauf noch in ein Lokal – ohne Tüten im Schlepptau vermutlich ein größeres Vergnügen als mit.

Dass der Bringservi­ce für die Kunden dank der Vorleistun­g der Stadt kostenlos ist, sei eine gute Lösung, sagt Köhn. Was ein Engagement des Handels betrifft, sagt er, dass man zunächst einmal abwarten müsse, wie der Service angenommen wird und was er bringt. Insgesamt sei es nötig, eine Strategie aus einem Guss zu entwerfen.

Der Service ist Bestandtei­l des städtische­n Mobilitäts­konzepts, mit dem die Schadstoff­belastung in der Luft gesenkt werden soll. Die Hoffnung ist, dass Innenstadt­kunden mit dem Service eher dazu bewegt werden können, aufs Auto zu verzichten. „Mit dem Shop&Drop-Konzept setzen wir ein erstes Pilotproje­kt der Agenda für Mobilität im Bereich der Innenstadt­logistik um“, sagt Bürgermeis­terin Weber. Zusammen mit der Hochschule will die Stadt bis zum Herbst in Erfahrung bringen, wie viel Wirtschaft­sverkehr in der Innenstadt unterwegs ist. Dazu sollen Gewerbetre­ibende befragt werden.

Ein Ansatz könnte sein, zusammen mit Paketdiens­ten ein Konzept zum Lieferverk­ehr zu entwickeln, das weniger Fahrten zur Folge hat, etwa mit einem zentralen Umschlagpl­atz im Zentrum, von wo aus die „letzte Meile“mit dem Lastenrad erledigt wird.

 ??  ?? Ab September können sich Innenstadt­kunden ihre Einkäufe kostenlos mit dem Fahrradkur­ier nach Hause liefern lassen. „Augsburg Marketing“finanziert das Projekt in der zweijährig­en Anlaufphas­e mit 20 000 Euro pro Jahr.
Ab September können sich Innenstadt­kunden ihre Einkäufe kostenlos mit dem Fahrradkur­ier nach Hause liefern lassen. „Augsburg Marketing“finanziert das Projekt in der zweijährig­en Anlaufphas­e mit 20 000 Euro pro Jahr.

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