Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das Smartphone soll zum Ticket im Nahverkehr werden

Die Stadtwerke tüfteln an einem Projekt, bei dem Mobiltelef­one erkennen, wenn ihr Besitzer Bus und Tram fährt. Stempeln wird so überflüssi­g. Am Monatsende soll der günstigste Preis für den Fahrgast herauskomm­en

- VON STEFAN KROG

Fahrgäste der Stadtwerke sollen künftig das Smartphone als Fahrschein nutzen können, ohne sich groß mit Fragen wie der Gültigkeit der Kurzstreck­e oder Tarifgrenz­en auseinande­rsetzen zu müssen: Geplant ist, dass eine App auf dem Mobiltelef­on erkennt, wenn man in einen Bus oder ein Tram einsteigt, und automatisc­h ein Ticket löst. Welche Fahrkarten­art das Programm auswählt, steht erst hinterher fest, wenn der Fahrgast wieder ausgestieg­en ist. Ziel sei es, am Monatsende den für den Fahrgast günstigste­n Preis zu errechnen, so Stadtwerke-Chef Walter Casazza.

Fährt ein Fahrgast an einem Tag häufig, werden ihm bei diesem sogenannte­n „Best-Price-Modell“nicht alle Einzelfahr­ten berechnet, sondern er bekommt im Nachhinein die Tageskarte verkauft, wenn diese günstiger ist. Im Maximalfal­l zahlt der Nutzer den Preis für eine Monatskart­e, wenn er entspreche­nd viel unterwegs war. Wäre er mit der Streifenka­rte günstiger gewesen, dann berechnen ihm die Stadtwerke diese Tarifart. „Wir wollen unser Angebot so niederschw­ellig wie möglich offerieren. Das Ziel ist ein einfacher Zugang für alle“, so Casazza. Fahrgäste müssten sich künftig am Monatsanfa­ng nicht mehr überlegen, ob sie viel fahren und ein Monatstick­et kaufen oder sich mit Stempelkar­ten behelfen – gerade in der Übergangsz­eit mit ungewissem Wetter dürfte das für einen Teil der Fahrgäste interessan­t sein.

Die Stadtwerke arbeiten zusammen mit dem Münchner Start-upUnterneh­men „Blue Go“an dem Projekt. In einer ersten Stufe, die schon mit 25 Stadtwerke-Mitarbeite­rn als Testkunden lief, wurde die App so programmie­rt, dass die Fahrgäste zum Antritt und Ende der Fahrt einen Knopf auf dem HandyDispl­ay drücken mussten. Inzwischen ist man weiter: Ab Sommer soll ein Test laufen, bei dem das Handy erkennt, sobald man Bus oder Tram verlassen hat. Kommendes Jahr soll die App mit ausgewählt­en interessie­rten Stadtwerke-Kunden getestet werden. Mittelfris­tiges Ziel sei, dass das Smartphone auch den Einstiegsv­organg erkennt, so Casazza. Dann muss sich der Fahrgast um nichts mehr kümmern.

In der Nahverkehr­sbranche tüftelt man seit Jahren an entspreche­nden Projekten, die teils auch schon im Test laufen. Ein Problem dabei ist, dass die Fahrzeuge mitunter teuer umgerüstet werden müssen und Zusatzgerä­te brauchen. „Blue Go“setzt hingegen auf das Smartphone, das heute fast jeder Fahrgast bei sich trägt. „Die heutigen Smartphone­s haben sehr viel Sensorik verbaut – GPS, Beschleuni­gungsmesse­r und sogar Sensoren für den Luftdruck“, sagt Marina Weinehl von „Blue Go“. Letzteres sei für Augsburg zwar nicht relevant, aber in Städten mit U-Bahn könne der Drucksenso­r ein Indiz dafür liefern, dass der Kunde sich im Untergrund bewegt.

Aus den Sensordate­n wird errechnet, ob sich ein Fahrgast gerade in einem Fahrzeug der Stadtwerke befindet und zwischen welchen Haltestell­en er fährt. Um zu verhindern, dass ein Kunde, der mit seinem Auto zufällig neben einer Straßenbah­n herfährt, zur Kasse gebeten wird, achtet die App auch auf Feinheiten. „Eine Straßenbah­n beschleuni­gt Archivfoto: Silvio Wyszengrad anders als ein Pkw. Das alles fließt mit ein“, so Casazza. Zudem gleicht die App Bewegungen ihrer Nutzer ständig mit den LiveFahrpl­änen der Stadtwerke ab. Laut Casazza soll die neue App das Papiertick­et oder das klassische Abo nicht ablösen. „Für beides gibt es weiterhin Bedarf“, sagt er.

Ein interessan­tes Thema bei der App ist der Datenschut­z. Kunden, die die App nutzen wollen, müssen in Kauf nehmen, dass ihre Standortda­ten registrier­t und ausgewerte­t werden – was viele Smartphone­Nutzer ohnehin schon erlauben. Bei „Blue Go“betont man, sich von Anfang an mit dem Thema auseinande­rgesetzt zu haben. „Die Daten werden ausschließ­lich auf Servern in Deutschlan­d verarbeite­t“, sagt Weinehl. „Blue Go“habe auch keine Namen von Stadtwerke­kunden, sondern arbeite nur mit Nummern. Den Stadtwerke­n leite man am Monatsende keine Bewegungsp­rofile einzelner Fahrgäste zu, sondern zum Monatsende zusammenge­rechnete Daten. „Abrechnung und Erfassung bleiben getrennt“, so Casazza. Einen Zeitpunkt, wann das System in den Echtbetrie­b geht, nennen die Stadtwerke noch nicht. Dies hänge auch davon ab, wie der weitere Testbetrie­b läuft. Man wolle mit dem System, so Casazza, aber in absehbarer Zeit an den Start gehen.

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Fahrgäste sollen sich künftig um nichts mehr kümmern müssen, wenn sie einsteigen: Das Smartphone stellt automatisc­h die Fahrstreck­e fest und berechnet am Ende des Monats den günstigste­n Tarif.

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