Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Das Smartphone soll zum Ticket im Nahverkehr werden
Die Stadtwerke tüfteln an einem Projekt, bei dem Mobiltelefone erkennen, wenn ihr Besitzer Bus und Tram fährt. Stempeln wird so überflüssig. Am Monatsende soll der günstigste Preis für den Fahrgast herauskommen
Fahrgäste der Stadtwerke sollen künftig das Smartphone als Fahrschein nutzen können, ohne sich groß mit Fragen wie der Gültigkeit der Kurzstrecke oder Tarifgrenzen auseinandersetzen zu müssen: Geplant ist, dass eine App auf dem Mobiltelefon erkennt, wenn man in einen Bus oder ein Tram einsteigt, und automatisch ein Ticket löst. Welche Fahrkartenart das Programm auswählt, steht erst hinterher fest, wenn der Fahrgast wieder ausgestiegen ist. Ziel sei es, am Monatsende den für den Fahrgast günstigsten Preis zu errechnen, so Stadtwerke-Chef Walter Casazza.
Fährt ein Fahrgast an einem Tag häufig, werden ihm bei diesem sogenannten „Best-Price-Modell“nicht alle Einzelfahrten berechnet, sondern er bekommt im Nachhinein die Tageskarte verkauft, wenn diese günstiger ist. Im Maximalfall zahlt der Nutzer den Preis für eine Monatskarte, wenn er entsprechend viel unterwegs war. Wäre er mit der Streifenkarte günstiger gewesen, dann berechnen ihm die Stadtwerke diese Tarifart. „Wir wollen unser Angebot so niederschwellig wie möglich offerieren. Das Ziel ist ein einfacher Zugang für alle“, so Casazza. Fahrgäste müssten sich künftig am Monatsanfang nicht mehr überlegen, ob sie viel fahren und ein Monatsticket kaufen oder sich mit Stempelkarten behelfen – gerade in der Übergangszeit mit ungewissem Wetter dürfte das für einen Teil der Fahrgäste interessant sein.
Die Stadtwerke arbeiten zusammen mit dem Münchner Start-upUnternehmen „Blue Go“an dem Projekt. In einer ersten Stufe, die schon mit 25 Stadtwerke-Mitarbeitern als Testkunden lief, wurde die App so programmiert, dass die Fahrgäste zum Antritt und Ende der Fahrt einen Knopf auf dem HandyDisplay drücken mussten. Inzwischen ist man weiter: Ab Sommer soll ein Test laufen, bei dem das Handy erkennt, sobald man Bus oder Tram verlassen hat. Kommendes Jahr soll die App mit ausgewählten interessierten Stadtwerke-Kunden getestet werden. Mittelfristiges Ziel sei, dass das Smartphone auch den Einstiegsvorgang erkennt, so Casazza. Dann muss sich der Fahrgast um nichts mehr kümmern.
In der Nahverkehrsbranche tüftelt man seit Jahren an entsprechenden Projekten, die teils auch schon im Test laufen. Ein Problem dabei ist, dass die Fahrzeuge mitunter teuer umgerüstet werden müssen und Zusatzgeräte brauchen. „Blue Go“setzt hingegen auf das Smartphone, das heute fast jeder Fahrgast bei sich trägt. „Die heutigen Smartphones haben sehr viel Sensorik verbaut – GPS, Beschleunigungsmesser und sogar Sensoren für den Luftdruck“, sagt Marina Weinehl von „Blue Go“. Letzteres sei für Augsburg zwar nicht relevant, aber in Städten mit U-Bahn könne der Drucksensor ein Indiz dafür liefern, dass der Kunde sich im Untergrund bewegt.
Aus den Sensordaten wird errechnet, ob sich ein Fahrgast gerade in einem Fahrzeug der Stadtwerke befindet und zwischen welchen Haltestellen er fährt. Um zu verhindern, dass ein Kunde, der mit seinem Auto zufällig neben einer Straßenbahn herfährt, zur Kasse gebeten wird, achtet die App auch auf Feinheiten. „Eine Straßenbahn beschleunigt Archivfoto: Silvio Wyszengrad anders als ein Pkw. Das alles fließt mit ein“, so Casazza. Zudem gleicht die App Bewegungen ihrer Nutzer ständig mit den LiveFahrplänen der Stadtwerke ab. Laut Casazza soll die neue App das Papierticket oder das klassische Abo nicht ablösen. „Für beides gibt es weiterhin Bedarf“, sagt er.
Ein interessantes Thema bei der App ist der Datenschutz. Kunden, die die App nutzen wollen, müssen in Kauf nehmen, dass ihre Standortdaten registriert und ausgewertet werden – was viele SmartphoneNutzer ohnehin schon erlauben. Bei „Blue Go“betont man, sich von Anfang an mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben. „Die Daten werden ausschließlich auf Servern in Deutschland verarbeitet“, sagt Weinehl. „Blue Go“habe auch keine Namen von Stadtwerkekunden, sondern arbeite nur mit Nummern. Den Stadtwerken leite man am Monatsende keine Bewegungsprofile einzelner Fahrgäste zu, sondern zum Monatsende zusammengerechnete Daten. „Abrechnung und Erfassung bleiben getrennt“, so Casazza. Einen Zeitpunkt, wann das System in den Echtbetrieb geht, nennen die Stadtwerke noch nicht. Dies hänge auch davon ab, wie der weitere Testbetrieb läuft. Man wolle mit dem System, so Casazza, aber in absehbarer Zeit an den Start gehen.
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