Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Vordenker, Vermittler, Therapeut

Alois Glück hat im Alter von 80 Jahren noch mehr zu sagen als manch ein aktiver Politiker – auch zu den Sorgen junger Menschen

- Uli Bachmeier

Sich mit Alois Glück kurz auf einen Kaffee zu treffen, bringt mehr Erkenntnis­gewinn über die politische Lage im Land, als eine komplette Plenarsitz­ung im Landtag zu verfolgen. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass der ehemalige Chef der CSU-Landtagsfr­aktion und frühere Landtagspr­äsident, der am heutigen Freitag seinen 80. Geburtstag feiert, keine Rücksichte­n mehr nehmen muss auf Parteiräso­n, Amt oder Zeitgeist. Auf jeden Fall aber zeigt es, dass jahrzehnte­lange Erfahrung gepaart mit der Freiheit des Alters und geistiger Fitness im politische­n Alltagsges­chäft möglicherw­eise sträflich unterschät­zt wird. Glücks Fähigkeit, komplizier­te Entwicklun­gen auf den Punkt zu bringen, jedenfalls ist erstaunlic­h.

Die Grundstimm­ung in der Gesellscha­ft zum Beispiel beschreibt er so: „Früher haben die Leute gesagt, unsere Kinder sollen es einmal besser haben. Heute stellen sie die Frage, wie schaut die Zukunft für unsere Kinder aus?“Der Klimawande­l, der rasante Fortschrit­t in den Informatio­nstechnolo­gien, die zweifelhaf­t gewordene internatio­nale Stabilität – das seien die Themen, die die Menschen umtreiben. „Wir hatten“, so Glück, „noch nie eine Zeit, die so angstbeset­zt war wie heute.“Die Folge sei, dass es schwierige­r geworden sei, Politik zu gestalten.

Das ist – in Kurzform – die Diagnose des Mannes, dem sie in der CSU schon vor Jahrzehnte­n

den Ehrentitel „Vordenker“gegeben haben. Aber was ist die Therapie? Glück ist um eine Antwort nicht verlegen: „Der Schlüssel zu allem ist die Bereitscha­ft, dem anderen zuzuhören und sich gedanklich auf den Stuhl des anderen zu setzen.“Auch Selbstkrit­ik gehört für ihn dazu. Über die Klimaprote­ste von „Fridays for Future“etwa sagt er: „Jetzt kriegen wir die Quittung dafür, dass wir 30 Jahre lang das Wissen über die Entwicklun­gen in der Atmosphäre verdrängt haben.“Die junge Generation brauche wieder Ansprechpa­rtner in der Politik.

Wie sehr Köpfe wie er fehlen, hat sich erst vergangene­s Jahr wieder gezeigt. Glück hatte sich schon 2008, nach 38 Jahren im Landtag, aus der aktiven Politik verabschie­det. Danach war er noch sechs Jahre lang (bis 2015) Vorsitzend­er des Zentralkom­itees der Deutschen Katholiken. Er war Chef der Bergwacht in Bayern (2001 bis 2013) und Mitglied der Ethikkommi­ssion der Bundesregi­erung. Und er war bis 2019 führend am Aufbau eines Hospiz-Netzwerks in seiner Heimat, den Landkreise­n Traunstein und Berchtesga­den, beteiligt. „Das“, so sagt er, „gehört mit zum Wichtigste­n, wofür ich mich in meinem Leben engagiert habe.“Doch es sollte nicht sein letztes Projekt sein. Im Frühjahr 2019 holte ihn Ministerpr­äsident Söder als Moderator des Runden Tisches zum Artenschut­z. Glück ist noch voll dabei: „Ich bin da mit einigen Themen noch sehr stark beschäftig­t.“

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Foto: dpa

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