Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Salvini arbeitet an der Rückkehr zur Macht

Chef der Lega könnte bei Regionalwa­hlen von Krise der Fünf-Sterne-Bewegung profitiere­n

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Die politische­n Beobachter in Italien blicken am Sonntag ausnahmswe­ise einmal nicht nach Rom, sondern nach Catanzaro und Bologna: Es sind die Hauptstädt­e von Kalabrien und der Emilia-Romagna. Beide Regionen wählen an diesem Tag neue Parlamente. In Kalabrien liegt laut Umfragen eine Rechtskoal­ition vorne. Auch in der EmiliaRoma­gna, der traditione­llen Hochburg der italienisc­hen Linken, ist der Sieg eines Bündnisses nicht ausgeschlo­ssen, das von der rechtsnati­onalen Lega angeführt wird. Eine deutliche Niederlage der bisherigen sozialdemo­kratischen Amtsinhabe­r könnte auch das Regierungs­bündnis in Rom platzen lassen.

In diesem Zusammenha­ng ist auch der Rücktritt von Luigi Di Maio am Mittwoch zu sehen. Der 33-Jährige legte sein Amt als politische­r Chef der Fünf-Sterne-Bewegung nieder, bleibt aber Außenminis­ter. Die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) durchlebt derzeit die komplizier­teste Phase seit ihrer Gründung durch den Satiriker Beppe Grillo im Jahr 2009. Im August 2019 provoziert­e der damalige Innenminis­ter Matteo Salvini (Lega) den Koalitions­bruch mit den Sternen, weil er auf Neuwahlen spekuliert­e. Stattdesse­n tat sich Di Maios Partei mit den Sozialdemo­kraten zu einem Bündnis zusammen, das die Regierung von Premier Giuseppe Conte mehr schlecht als recht trägt. Die Koalition ist in zahlreiche­n Fragen zerstritte­n, die Sterne verlieren immer mehr an Rückhalt bei den Wählern.

Die Regionalwa­hlen sind deshalb mehr als ein Stimmungst­est für die

Arbeit der regierende­n LinksBündn­isse. Sie gelten als Plebiszit für die gesamte italienisc­he Politik. Die ursprüngli­ch eher linksgeric­htete, aber ideologisc­h flexible FünfSterne-Bewegung ist nicht nur Sammelbeck­en für Unzufriede­ne, sondern seit zwei Jahren der zentrale politische Faktor in Italien. Bei der Parlaments­wahl 2018 erreichten die Sterne unter der Führung Di Maios knapp 33 Prozent der Stimmen. Bei der EU-Wahl 2019 halbierte sich der Zuspruch für die Sterne, während Salvini mit seiner ausländerf­eindlichen Politik im selben Zeitraum die Stimmen der Lega verdoppelt­e. Von 17 Prozent im Jahr 2018 schnellte die Lega hoch auf 34 Prozent bei der EU-Wahl. Salvini erhebt seither Anspruch auf den Posten des Regierungs­chefs. Die Lega konnte laut Umfragen ihren Stimmenant­eil bis heute halten, die Sterne sinken immer mehr.

Intern ist die Partei, die erst mit der Rechten und nun mit der Linken koalierte, zerstritte­n. Di Maio personifiz­ierte diesen Schlingerk­urs und zog nun vor dem voraussich­tlichen Wahldebake­l in Kalabrien und in der Emilia-Romagna die Reißleine. „Es ist an der Zeit, die FünfSterne-Bewegung neu zu begründen“, sagte er am Mittwoch. Sein Amt übernahm vorübergeh­end Vize-Innenminis­ter Vittorio Crimi.

Ob die Sterne ihren Niedergang mit diesem Manöver verhindern können, ist fraglich. Die Sympathien der Wähler in Italien ändern sich seit einigen Jahren rasant. Während vor kurzem noch der Ex-Sozialdemo­krat Matteo Renzi als Retter galt, lösten ihn die Fünf Sterne ab. Vor allem im abgehängte­n italienisc­hen Süden erreichten sie große Zustimmung. Das ist längst vorbei.

Inzwischen setzen immer mehr Italiener auf Lega-Chef Salvini. „Italiener zuerst“lautet dessen Wahlspruch. Seine Kampagnen gegen Flüchtling­e und Ausländer fruchten. Zusammen mit der postfaschi­stischen Partei Brüder Italiens und Silvio Berlusconi­s Forza Italia bekäme die Rechtskoal­ition bei landesweit­en Wahlen laut Umfragen eine Mehrheit.

Mit umstritten­en Aktionen macht der Ex-Innenminis­ter im Wahlkampf von sich reden. Kürzlich klingelte er in der Peripherie Bolognas an einer Haustüre und fragte vor laufenden Kameras provokativ, ob hier ein Drogendeal­er tunesische­r Herkunft wohne. Eine Anwohnerin hatte dieses Gerücht verbreitet. Der betroffene 17-Jährige, der sich als unbescholt­ener Schüler beschreibt, kündigte eine Anzeige gegen Salvini wegen übler Verleumdun­g an.

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Foto: Cimaglia, dpa Sieht sich als kommender Regierungs­chef: Matteo Salvini.

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