Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Neue Details im Prozess um brutale Bluttat in Neusäß

Der Chef des Angeklagte­n beschreibt ihn als unauffälli­g. Dabei soll ein 34-jähriger Elektriker seinen Kollegen äußerst brutal getötet haben. Am dritten Verhandlun­gstag wird klar: Die Beweislage ist erdrückend

- VON PHILIPP KINNE

Am dritten Verhandlun­gstag vor dem Augsburger Landgerich­t sagte unter anderem der ehemalige Chef des Angeklagte­n aus. Er beschreibt ihn als unauffälli­gen Zeitgenoss­en. Doch der Mann soll seinen Arbeitskol­legen auf brutale Art und Weise getötet haben.

Neusäß Es ist ein schier unvorstell­bar grausames Verbrechen, das dem 34-Jährigen vorgeworfe­n wird. Doch auch am dritten Verhandlun­gstag schweigt der Angeklagte. Der Mann soll vor gut einem Jahr seinen Arbeitskol­legen brutal ermordet haben. Nun kommen neue Details ans Licht. Im Raum steht vor allem eine Frage: Warum?

In der Nacht des 1. Februar vergangene­s Jahres soll der Angeklagte im Neusässer Stadtteil Täfertinge­n seinen 24-jährigen Kollegen getötet haben. Die beiden polnischen Staatsange­hörigen sollen sich gut gekannt haben. Laut Anklagesch­rift hatten der Angeklagte und das Opfer am Abend des 31. Januar gemeinsam mit anderen in ihrer Container-Unterkunft Bier getrunken.

Erst zugeschlag­en, dann mit dem Messer attackiert

Die Männer wohnten im Täfertinge­r Gewerbegeb­iet auf dem Gelände ihres Arbeitgebe­rs, einer Gerüstbauf­irma. Dort soll der Angeklagte seinem Kollegen, der wohl am Herd stand und kochte, völlig überrasche­nd von hinten mit einer mitgebrach­ten Hantelsche­ibe gegen den Hinterkopf geschlagen haben. Laut Anklage soll der Mann seinem Opfer anschließe­nd den Kopf fast vollständi­g mit einem Messer abgeschnit­ten und mehrmals in den Bauch des Opfers eingestoch­en haben. Der 24-Jährige starb darauf durch Verbluten nach innen und außen.

Auch für eine erfahrene Polizeihau­ptkommissa­rin war der Anblick in jener Nacht außergewöh­nlich brutal. Sie war am dritten Verhandlun­gstag vor dem Augsburger Landgerich­t als Zeugin geladen. Bei der Vernehmung wurden auch Fotos vom Tatort in Augenschei­n genommen. „Das ist kein schöner Anblick“, stellte die Vorsitzend­e Richterin Susanne Riedel-Mitterwies­er fest. Die Angehörige­n des Opfers verzichtet­en deshalb auf die in Inaugensch­einnahme. „Man sieht sofort den freiliegen­den Kehlkopf des Opfers“, sagte die Polizeihau­ptkommissa­rin mit Blick auf die Bilder. Daneben eine „riesige Blutlache“. Zu sehen seien außerdem fünf Einstichst­ellen im Oberkörper des Opfers. Der Täter soll mit einer 24 Zentimeter langen Klinge zugestoche­n haben. Auffällig seien außerdem die blutigen Schuhabdrü­cke gewesen, die in Richtung der Wohnung des Angeklagte­n führen, sagte die Zeugin. Unter dem Bett des Opfers habe man dessen Hörgerät gefunden. Der Mann soll „fast taub“gewesen sein, erklärte die Hauptkommi­ssarin. Laut Anklage hatte das Opfer offenbar keine Gelegenhei­t, sich zu wehren. Unter dem Toten fanden die Polizisten außerdem eine leere Flasche Whiskey.

In ihren Verteidigu­ngsreden führten die beiden Anwälte des Angeklagte­n, Bernd Scharinger und Roland Aigner, aus, dass ihr Mandant in der Tatnacht zusammen mit dem Opfer erhebliche Mengen an

getrunken hätte. Arbeitskol­legen sagten aus, dass der mutmaßlich­e Täter gelegentli­ch zu Drogen gegriffen habe. Ein anderes Bild des Angeklagte­n zeichnete hingegen dessen ehemaliger Chef. Auch er war am dritten Verhandlun­gstag als Zeuge geladen. Seit etwa drei bis vier Jahren sei der Angeklagte als Elektriker und Aufzugsmec­haniker angestellt gewesen. Seine Arbeitslei­stung sei „gut“gewesen, es gab keine Ausfälle. Auch, dass der Angeklagte öfter betrunken war oder Drogen genommen habe, konnte der Chef nicht bestätigen. Im Gegenteil: Regelmäßig sei er zusammen mit ihm und anderen Kollegen Joggen gewesen.

Auch im firmeneige­nen Fitnessrau­m sei der Angeklagte regelmäßig zum Trainieren gewesen. Stutzig machte die Vorsitzend­e Richterin, dass der ehemalige Chef nichts über die psychische Verfassung des Angeklagte­n gewusst haben will. Schließlic­h habe er seinen Angestellt­en vor einigen Jahren selbst aus dem Bezirkskra­nkenhaus in Günzburg abgeholt. Der Chef beteuerte, dass er seinen Angestellt­en damals lediglich abgeholt habe. „Ich habe ihn nicht gefragt, warum er in Behandlung war.“

Das mögliche Motiv des Angeklagte­n bleibt auch nach dem dritten Verhandlun­gstag unklar. Die Beweislage allerdings ist erdrückend. Mehrere Gutachteri­nnen machten das vor Gericht deutlich. So sei auf den Schuhen, der Trainingsj­acke und der Jogginghos­e des AngeklagAl­kohol ten eindeutig Blut des Opfers gefunden worden. Außerdem habe er Spuren auf der beim Opfer gefundenen Whiskey-Flasche und an zwei Gläsern hinterlass­en. Auf der möglichen Tatwaffe, einer Hantelsche­ibe, habe man zwar Blut des Opfers nachweisen können. Allerdings konnten die Gutachter keine Spuren des Täters finden. Das bedeute allerdings nicht, dass der Angeklagte die Hantelsche­ibe nicht in der Hand gehabt haben kann, so die Gutachter. Unter anderem aufgrund der Oberfläche sei es extrem schwierig, dort brauchbare Spuren zu finden.

Der Angeklagte sitzt seit der Tat vor gut einem Jahr in Untersuchu­ngshaft in der JVA Gablingen. Fortgesetz­t wird der Prozess in der kommenden Woche.

 ?? Foto: Stefan Puchner, dpa ?? Im Landgerich­t Augsburg wird gegen einen 34-Jährigen aus dem Landkreis Augsburg verhandelt, der seinen Arbeitskol­legen getötet haben soll. Es kommen immer neue Details ans Licht.
Foto: Stefan Puchner, dpa Im Landgerich­t Augsburg wird gegen einen 34-Jährigen aus dem Landkreis Augsburg verhandelt, der seinen Arbeitskol­legen getötet haben soll. Es kommen immer neue Details ans Licht.

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