Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Augschburgerisch für Zugezogene
In der Biologie bezeichnet man Arten, die dank menschlicher Hilfe ihre angestammte Heimat verlassen und anderswo ein neues Zuhause gefunden haben, als „Neobiota“. Manchmal zieht der Zweifüßler aber auch selbst um und fühlt sich dann fremd wie die Gelbkopfamazonen in Bad Canstatts Häuserschluchten. Erst recht, wenn Menschen aus Köln, Hamburg oder Hannover in Augsburg leben, aber vorher noch nie in der Schwabenmetropole gewesen waren.
Ich versuche mich jetzt in diese Einwanderer hineinzuversetzen und stelle mir vor, wie sie Augsburg in ihren ersten Wochen erleben. Rein sprachlich müsste ein Hannoveraner in Augsburg so viele Schwierigkeiten wie in Timbuktu haben. Zuallererst müsste er ein
Wörterbuch „Augschburgerisch – Deutsch“und „Deutsch – Augschburgerisch“bekommen. Und gleich damit verbunden einen Sprachkurs, der ihn die hohe Kunst des „R“lehrt – am besten mit Wörtern wie „Schmuttr“, „Plärrer“, „Schlabbr“, Schnappr, „Marrmeladkrapfa“, „Zwieblroschtbrota“, „Krampfodrra“.
Und dass es einen Ton gibt, der oszilliert zwischen „a“und „o“. Wie er vorkommt in „Strassaba“, „Würschtla“, und „Ma“(Mann). Und dass es in unserer Sprache einen zusätzlichen Selbstlaut gibt, nämlich „oi“, wie er im wichtigsten Augsburg Wort vorkommt: „hoi“.
Man müsste ihm auch sagen, dass man in einer Bäckerei keine „Brötchen“bestellt, sondern Semmel, im ganzen Satz: „I krieg zwei normale Semmel“.
Ach könnte ich doch im Auftrag der Stadt so einen Kurs für NeuAugsburger anbieten. Ich hätte ihnen so viel zu erklären. Auch dass man sich in der „Strassaba“, wenn kein anderer Platz frei ist, nicht einfach neben einen fremden Augsburger setzt. Letzterer könnte das als Bedrohung empfinden. Ich könnte ihnen die regionale Augsburger Küche empfehlen, also Pizza,
Döner und Bosna. Könnte ihnen sagen, dass es unüblich ist, sich in einer Bäckerei in einer Reihe anzustellen, hier herrscht in Augsburg das Gesetz des Dschungels. Ein kleiner Ellenbogen-Check ist immer erlaubt. Fortgeschrittenen würde ich die Feinheiten unserer Sprache erklären, Wörter wie Batschlach, Geldbeitl, Babberle, Kibele, Meddrr, Liddrr.
Kürzlich hatte ich ein wunderbares Erlebnis mit einem Mann, der vor einem halben Jahr von Hamburg nach Augsburg kam. Er erzählte mir, dass ihm ein Arbeitskollege gesagt hat, er hätte am Wochenende „sei Wohnzimmer blau gweißelt“. Das würde auch einen Hannoveraner vor ein Rätsel allererster Güte stellen.
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An dieser Stelle blickt der Kabarettist Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.