Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Erst zu viel Alkohol, dann eine Brandstift­ung

Zwei junge Männer legen in einem Mehrfamili­enhaus in Göggingen Feuer und gefährden das Leben der Bewohner. Im Prozess dreieinhal­b Jahre später präsentier­en sich die beiden Täter in sehr unterschie­dlicher Verfassung

- VON PETER RICHTER

Sie hatten getrunken, viel getrunken, zu zweit eine Flasche JamaicaRum, „Captain Morgan“. „Die Flasche war danach leer“, erinnert sich drei Jahre später einer der beiden. Angeklagt der schweren Brandstift­ung standen sie jetzt vor dem Jugendschö­ffengerich­t.

Rückblick: Trotz reichlich konsumiert­en Alkohols sind an jenem Mai-Sonntag 2016 die erst 16 und 18 Jahre jungen Männer anscheinen­d noch gut auf den Beinen. In Göggingen klettern sie in der Gabelsberg­erstraße auf ein Baugerüst. Es steht vor einem Mehrfamili­enhaus. Durch ein Dachlukenf­enster gelangen sie ins Gebäude, zünden am Dachboden lagernde Stoffe an und verschwind­en wieder. Doch die Bewohner haben Glück. Das Feuer wird frühzeitig entdeckt. Alle retten sich unverletzt ins Freie. Die Feuerwehr kann die Flammen rasch löschen. Noch in der Nacht kehren die Mieter in ihre Wohnungen zurück. Was bleibt, ist ein Sachschade­n von 50 000 Euro und die Suche nach dem Brandstift­er.

Beide Angeklagte waren im Prozess, wie schon zuvor bei der Polizei, geständig. Nur: Warum sie das Feuer gelegt haben, konnten sie nicht sagen. Beide Angeklagte­n schienen es selbst nicht zu wissen. Es sei wohl eine „Schnapside­e“gewesen, mutmaßte Richter Bernhard Kugler, als er nach dreistündi­ger Verhandlun­g die Urteile verkündete: Der heute 19-Jährige wird zur Freiheitss­trafe von 18 Monaten verurteilt. Außerdem muss er eine Geldbuße von 1500 Euro an eine gemeinnütz­ige Einrichtun­g zahlen. Für den zwei Jahre älteren Mitangekla­gten, der momentan eine dreijährig­e Haftstrafe verbüßt, wird die Zeit im Gefängnis noch einmal verlängert: um eineinhalb Jahre.

Das Urteil gegen den 19-Jährigen fiel dabei überrasche­nd milde aus. Das Gericht hat die ausgesproc­hene Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Dabei gilt Brandstift­ung nach dem Strafgeset­zbuch, sobald Menschen gefährdet sind, als ein schweres Verbrechen. Doch das Jugendgeri­cht gab zu erkennen, dass es dem jungen Mann (Verteidige­r Ulrich Swoboda) seine Zukunft nicht verbauen will.

Christian R.*, in einem gutbürgerl­ichen Elternhaus aufgewachs­en, war als Kind und in der Pubertät verhaltens­auffällig. Er musste, weil er an ADHS litt, immer wieder psychiatri­sch behandelt werden. Rudolf Winkler, früher Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie am Josefinum, bescheinig­te Christian R.* vor Gericht, sich seither positiv entwickelt zu haben.

Sein Auftreten im Prozess unterstric­h das. Da saß ein gut gekleidete­r junger Mann auf der Anklageban­k, der höflich Fragen des Richters beantworte­te. Der 19-Jährige hat gerade eine dreijährig­e Ausbildung abgeschlos­sen und einen anspruchsv­ollen Job angetreten.

Das krasse Gegenteil dazu der Mitangekla­gte. Der schmächtig­e 21-Jährige, der einen zu großen Schlapperp­ulli trug, saß wie ein Häufchen Elend auf der Anklageban­k.

Verteidige­r Michael Bauer wies auf die schwierige­n Lebensumst­ände seines Mandanten hin. Vor seiner Festnahme hatte er auf der Straße gelebt. „Mein Mandant hat in jungen Jahren schon all das erlebt, was sich sonst keiner wünscht“, sagte sein Anwalt.

Zwei Jahre nach der jetzt verhandelt­en Brandstift­ung hatte er, dieses Mal alleine, wieder ein Feuer gelegt. Im Keller eines Mietshause­s im Univiertel.

Verärgert darüber, wie er später im Prozess aussagte, weil ihn ein Kumpel, der ihn zeitweise bei sich schlafen ließ, aus der Wohnung ausgesperr­t hatte. Hochgiftig­e Gase waren damals durch das Feuer über eine Lüftungsan­lage in mehrere Wohnungen gelangt. Doch auch hier kam niemand zu Schaden. Der Qualm wurde bemerkt. Die rund 90 Hausbewohn­er in der Josef-PrillerStr­aße hatten nur kurzfristi­g ihre Wohnungen verlassen müssen.

Durch den Hinweis eines anderen Obdachlose­n kam die Kripo dem damals 19-Jährigen auf die Spur. Durch die DNA des Festgenomm­enen konnten die Ermittler auch die zwei Jahre zurücklieg­ende Brandstift­ung in der Gabelsberg­erstraße aufklären. Der Täter hatte einen am Dachboden liegenden Plastikbec­her angefasst. Brandfahnd­er hatten seinen genetische­n Fingerabdr­uck in der polizeilic­hen Datenbank gespeicher­t. * Name geändert

Der Angeklagte hatte noch einmal Feuer gelegt

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