Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Erst zu viel Alkohol, dann eine Brandstiftung
Zwei junge Männer legen in einem Mehrfamilienhaus in Göggingen Feuer und gefährden das Leben der Bewohner. Im Prozess dreieinhalb Jahre später präsentieren sich die beiden Täter in sehr unterschiedlicher Verfassung
Sie hatten getrunken, viel getrunken, zu zweit eine Flasche JamaicaRum, „Captain Morgan“. „Die Flasche war danach leer“, erinnert sich drei Jahre später einer der beiden. Angeklagt der schweren Brandstiftung standen sie jetzt vor dem Jugendschöffengericht.
Rückblick: Trotz reichlich konsumierten Alkohols sind an jenem Mai-Sonntag 2016 die erst 16 und 18 Jahre jungen Männer anscheinend noch gut auf den Beinen. In Göggingen klettern sie in der Gabelsbergerstraße auf ein Baugerüst. Es steht vor einem Mehrfamilienhaus. Durch ein Dachlukenfenster gelangen sie ins Gebäude, zünden am Dachboden lagernde Stoffe an und verschwinden wieder. Doch die Bewohner haben Glück. Das Feuer wird frühzeitig entdeckt. Alle retten sich unverletzt ins Freie. Die Feuerwehr kann die Flammen rasch löschen. Noch in der Nacht kehren die Mieter in ihre Wohnungen zurück. Was bleibt, ist ein Sachschaden von 50 000 Euro und die Suche nach dem Brandstifter.
Beide Angeklagte waren im Prozess, wie schon zuvor bei der Polizei, geständig. Nur: Warum sie das Feuer gelegt haben, konnten sie nicht sagen. Beide Angeklagten schienen es selbst nicht zu wissen. Es sei wohl eine „Schnapsidee“gewesen, mutmaßte Richter Bernhard Kugler, als er nach dreistündiger Verhandlung die Urteile verkündete: Der heute 19-Jährige wird zur Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Außerdem muss er eine Geldbuße von 1500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Für den zwei Jahre älteren Mitangeklagten, der momentan eine dreijährige Haftstrafe verbüßt, wird die Zeit im Gefängnis noch einmal verlängert: um eineinhalb Jahre.
Das Urteil gegen den 19-Jährigen fiel dabei überraschend milde aus. Das Gericht hat die ausgesprochene Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Dabei gilt Brandstiftung nach dem Strafgesetzbuch, sobald Menschen gefährdet sind, als ein schweres Verbrechen. Doch das Jugendgericht gab zu erkennen, dass es dem jungen Mann (Verteidiger Ulrich Swoboda) seine Zukunft nicht verbauen will.
Christian R.*, in einem gutbürgerlichen Elternhaus aufgewachsen, war als Kind und in der Pubertät verhaltensauffällig. Er musste, weil er an ADHS litt, immer wieder psychiatrisch behandelt werden. Rudolf Winkler, früher Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Josefinum, bescheinigte Christian R.* vor Gericht, sich seither positiv entwickelt zu haben.
Sein Auftreten im Prozess unterstrich das. Da saß ein gut gekleideter junger Mann auf der Anklagebank, der höflich Fragen des Richters beantwortete. Der 19-Jährige hat gerade eine dreijährige Ausbildung abgeschlossen und einen anspruchsvollen Job angetreten.
Das krasse Gegenteil dazu der Mitangeklagte. Der schmächtige 21-Jährige, der einen zu großen Schlapperpulli trug, saß wie ein Häufchen Elend auf der Anklagebank.
Verteidiger Michael Bauer wies auf die schwierigen Lebensumstände seines Mandanten hin. Vor seiner Festnahme hatte er auf der Straße gelebt. „Mein Mandant hat in jungen Jahren schon all das erlebt, was sich sonst keiner wünscht“, sagte sein Anwalt.
Zwei Jahre nach der jetzt verhandelten Brandstiftung hatte er, dieses Mal alleine, wieder ein Feuer gelegt. Im Keller eines Mietshauses im Univiertel.
Verärgert darüber, wie er später im Prozess aussagte, weil ihn ein Kumpel, der ihn zeitweise bei sich schlafen ließ, aus der Wohnung ausgesperrt hatte. Hochgiftige Gase waren damals durch das Feuer über eine Lüftungsanlage in mehrere Wohnungen gelangt. Doch auch hier kam niemand zu Schaden. Der Qualm wurde bemerkt. Die rund 90 Hausbewohner in der Josef-PrillerStraße hatten nur kurzfristig ihre Wohnungen verlassen müssen.
Durch den Hinweis eines anderen Obdachlosen kam die Kripo dem damals 19-Jährigen auf die Spur. Durch die DNA des Festgenommenen konnten die Ermittler auch die zwei Jahre zurückliegende Brandstiftung in der Gabelsbergerstraße aufklären. Der Täter hatte einen am Dachboden liegenden Plastikbecher angefasst. Brandfahnder hatten seinen genetischen Fingerabdruck in der polizeilichen Datenbank gespeichert. * Name geändert
Der Angeklagte hatte noch einmal Feuer gelegt