Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Corona: Ein Betroffener erzählt
Im Raum Landsberg brach das Virus erstmals in Deutschland aus. Ein Mann infizierte sich bei seinem Spezl. Jetzt berichtet er, wie es ihm erging. Maßnahmen in Neu-Ulm und Mittelfranken
Landsberg/Neu-Ulm Wie fühlt sich Corona an? „Bei mir war es nur ein leichter Schnupfen“, erzählt ein 26-Jähriger aus dem Landkreis Landsberg, der der erste CoronaPatient in Spanien war: Er hatte das Virus aus Deutschland nach La Gomera mitgebracht und war dort 14 Tage in Quarantäne.
Ausgangspunkt des ersten Corona-Ausbruchs in Deutschland war die Firma Webasto in Stockdorf im Landkreis Starnberg. Dort hatte sich ein Mitarbeiter im Januar bei einer Kollegin aus China infiziert. „Ein Spezl von mir arbeitet bei Webasto und hat sich bei diesem angesteckt“, erzählt der junge Mann. Und er habe am letzten Januarwochenende mit diesem Spezl mehrere Stunden verbracht. Zwei Tage später flog der 26-Jährige mit Arbeitskollegen in den Urlaub nach La Gomera. Und kam dort in Quarantäne, als in Deutschland bei seinem Freund, dem Webasto-Mitarbeiter, das Virus festgestellt wurde.
Die sechs deutschen Urlauber wurden alle untersucht, nur bei ihm wurde das Virus festgestellt. Also wurde er bis zum 14. Februar im Krankenhaus isoliert. Das Schlimmste sei für ihn die Ungewissheit gewesen, wie es weitergeht,
die Angst vor der Erkrankung an sich. „Es war eine blöde Situation, man fühlt sich wie ein Gefangener.“Er habe nur einen leichten Schnupfen gehabt, mit solchen Erkältungssymptomen wäre er ansonsten sicherlich in die Arbeit gegangen. Unterhaltung sei im Krankenhaus nur auf Englisch möglich gewesen, er könne kein Spanisch. Mit einem Arzt und einer Schwester habe die Konversation jedoch recht gut geklappt. „Am fünften Tag hat dann auch das WLAN funktioniert“, erzählt der Corona-Patient. Ihm seien auch Bücher gebracht worden. Trotzdem sei ihm langweilig gewesen, so ganz alleine isoliert.
Seine mitgereisten Kollegen hatten das Krankenhaus nach einigen Tagen verlassen dürfen, als bei ihnen keine Symptome auftraten und bei den Proben kein Virusnachweis vorlag. Sie blieben jedoch auch während der möglichen Inkubationszeit von 14 Tagen in Quarantäne in ihrem Ferienhaus.
Während er im Krankenhaus war, bemerkte der 26-Jährige schon eine gewisse Hysterie in seinem Bekanntenkreis im Hinblick auf die hoch ansteckende Krankheit. Der 26-Jährige hat aber niemanden angesteckt. Froh sei er vor allem, dass bei Freunden mit drei kleinen Kindern nichts passiert ist, zu denen er zwei Tage vor der Abreise nach La
Gomera noch Kontakt gehabt habe. Mittlerweile hält sich die Hysterie in Grenzen, „ich hänge es aber auch nicht an die große Glocke“.
In den Landkreisen Landsberg und Starnberg gelang es im Februar, den ersten Ausbruch von Corona in Deutschland zu stoppen. „Die Kontaktwege konnten schnell eingekreist werden“, erläutert der Pressesprecher des Landratsamts in Landsberg, Wolfgang Müller. Der Fokus lag auf der Firma Webasto, Kontaktpersonen der Erkrankten in den umliegenden Landkreisen wurden laut Müller schnell ermittelt und isoliert. 14 Corona-Patienten wurden gefunden und in Krankenhäusern behandelt, Personen, die mit ihnen in Berührung kamen, wurden daheim isoliert. Laut Gesundheitsministerium befindet sich noch ein Patient dieser ersten Corona-Welle in Bayern im Schwabinger Krankenhaus in München.
Pressesprecher Müller berichtet weiter, dass die Quarantäne auf freiwilliger Basis stattgefunden habe. Das Landratsamt könne jedoch bei möglichen Kontaktpersonen eine häusliche Isolation anordnen oder auch Quarantäne für tatsächlich erkrankte und positiv getestete Personen.
Dagegen haben die zuständigen Gesundheitsämter bei vier Kinobesuchern des Neu-Ulmer Dietrichweniger
Theaters Quarantäne angeordnet. Bei ihnen handelt es sich um Sitznachbarn des Corona-Patienten aus Göppingen, der am Samstag die 20-Uhr-Vorstellung des Films „Bad Boys for Life“angesehen hat. Am Mittwoch hatte das Neu-Ulmer Gesundheitsamt die Filmfreunde wie berichtet dazu aufgerufen, sich zu melden und auf Symptome zu achten. Wo die vier identifizierten Sitznachbarn des Corona-Patienten leben,
Besucher umwickeln ihre Hände mit Klopapier
behielt die Behörde mit Verweis auf die ärztliche Schweigepflicht für sich. Im Kreis Neu-Ulm gebe es keine Krankheitsfälle.
Vier weitere Sitznachbarn des Mannes haben sich noch nicht gemeldet. Auch für sie bestand ein Infektionsrisiko. Besorgte Bürger haben beim Gesundheitsamt Neu-Ulm angerufen, die Angst vor dem Virus ist spürbar: Ein Ulmer Geschäftsinhaber bittet Besucher des betroffenen Films, seinen Laden nicht zu betreten. Im Dietrich-Theater umwickelten Besucher ihre Hände am Mittwoch mit Toilettenpapier, bevor sie die WC-Klinke berührten. Gestern Abend wurde aus Mittelfranken eine Erkrankung nach Kontakt mit einem Italiener gemeldet.