Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Als Künstler mit der Kamera malen wollten
Das Kunsthaus Kaufbeuren zeigt, wie sich die Fotografie ihren Platz erarbeitet hat
Kaufbeuren Es ist ein Selbstbildnis, das verwirrt, aber auch vieles erklärt: Der amerikanische Fotograf Frank Eugene, der sein Handwerk in München gelernt hat, sitzt 1895 vor einem großen Historienbild, hat einen Pinsel in der Hand, starrt aber versonnen auf ein fotografisches Porträt. Eugene arbeitete in einer Zeit, in der das relativ junge Medium der Fotografie seinen Platz zwischen den klassischen Künsten suchte. Eine wichtige Strömung in diesem Prozess war der Piktorialismus. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts suchten Fotografen nach Möglichkeiten, die dokumentarische Grundausrichtung des Mediums ins Künstlerische hinein zu erweitern. Welche unterschiedlichen gestalterischen, technischen und stilistischen Ansätze die Fotografen dabei verfolgten, stellt die Ausstellung „Strike a pose“im Kunsthaus Kaufbeuren sehr dicht, aber doch anschaulich dar.
Unter den rund 160 Fotografien, die Kunsthaus-Direktor Jan T.
Wilms aus verschiedenen Sammlungen zusammengetragen hat, sind die Großen des Genres dieser Zeit ebenso vertreten, wie unbekanntere „Maler-Fotografen“, die die Bandbreite des Dargestellten aber ungemein erweitern. Die wohl bekanntesten Köpfe der Emanzipation der Fotografie waren Alfred Stiegliz und Edward Steichen. Die beiden gründeten mit Frank Eugene 1902 die „Photo-Secession“. Ähnlich den verschiedenen Sezessionen in der Malerei wollten sie neue künstlerische Wege gehen – vor allem durch die Annäherung der Fotografie an jüngere Tendenzen in der Malerei wie den Impressionismus, den Symbolismus oder den Historismus.
So sind in der Schau zahlreiche Fotos zu sehen, deren Protagonisten gerade pompösen Gemälden ihrer Zeit entstiegen zu sein scheinen. Ritterrüstungen werden zu Requisiten, Weichzeichner-Effekte verwischen im wahrsten Sinne des Wortes die Grenzen zwischen Fotografie und Gemälde, und Steichen lichtete den Bildhauer Auguste Rodin geradezu übermenschlich ab. Gertrude
Käsebier, eine der vielen wichtigen Frauen in der Fotografie dieser Zeit, inszenierte eine lichtumflutete Maria mit Kind in einem angedeuteten Stall. Um zur klassischen Kunst aufzuschließen, waren den Piktorialisten alle Mittel recht. Das galt auch für die handwerklich-technischen Möglichkeiten der Bildmanipulation und -veredelung, die damals schon verblüffend routiniert genutzt wurden.
Während Steichen mühelos und durchweg hochästhetisch zwischen
Piktorialismus und den klareren Ansprüchen der aufkommenden Mode- und Magazinfotografie pendeln konnte, suchte Stieglitz verstärkt den künstlerischen Blick auf die urbane und industrialisierte Realität seiner Zeit. Stieglitz gab den Piktorialismus schnell zugunsten dieser „Straight Photography“auf. Andere dagegen hielten an der aufwendigen Inszenierung und Ästhetisierung ihrer Motive fest, etwa der Kemptener Viktor Knollmüller in seinen Landschaftsaufnahmen.
Und dann ist da noch Adolphe de Meyer, ein in Dresden aufgewachsener Fotograf und Lebemann mit einer Leidenschaft für große Kunst, große Gesten und vor allem für den Glamour der High Society seiner Zeit. Boris von Brauchitsch, der frühere Direktor des Kunsthauses Kaufbeuren, hat diesen schillernden Vertreter des Piktorialismus mit einer jüngst erschienenen Biografie wieder aus der Versenkung geholt.
OStrike a pose läuft bis zum 1. Juni im Kunsthaus Kaufbeuren. Zur Schau ist ein empfehlenswerter Katalog erschienen.