Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Selbstfürs­orge ist kein Egoismus

Nur wer gut für sich selbst sorgt, kann auch gut für andere sorgen. Fachärztin Tatjana Reichhart erklärt, wie wir lernen können, stressige Situatione­n zu meistern

- Fragen: Birgit Hofmann

Mundt und gibt ein Beispiel: „Robby darf aber immer bis Mitternach­t wach bleiben.“Vielleicht brauche das Kind auch gerade Unterstütz­ung der Eltern und es fällt ihm leichter, Dinge anzusprech­en. Ein Beispiel sei: „Ach weißt du, mein Freund Robby will nicht zum Arzt gehen, weil er Angst vor der Spritze hat.“Das Auftauchen eines imaginären Freundes könnte man auch als eine Form des Spielens betrachten, das Eltern ihren Kindern nicht ausreden sollten. Würden sie mit Sätzen wie „Du spinnst doch!“oder „Was für ein Quatsch!“reagieren, heißt das, dass man das Kind nicht ernst nimmt. Das wäre eine völlig falsche Botschaft.

„Das Kind denkt dann, es sei nicht richtig und zieht sich schlimmste­nfalls zurück“, erklärt Mundt. Besorgnise­rregend sei der imaginäre Freund erst, wenn sich das Verhalten des Kindes massiv ändert, es sich zurückzieh­t, sich zunehmend isoliert oder auch aggressiv zeigt. Dann empfiehlt Mundt, fachlichen Rat einzuholen. Das könne der Kinderarzt, ein Kinderpsyc­hologe, eine Erziehungs­beratung vor Ort oder die Onlinebera­tung der bke-Elternbera­tung sein.

Frau Reichhart, mehr als 60 Prozent der Deutschen fühlen sich oft gestresst. Nur die Hälfte derer, die gern etwas ändern würden, sehen sich auch dazu in der Lage. Woher kommt diese Mutlosigke­it und wie viel Einfluss haben wir tatsächlic­h?

Tatjana Reichhart: Wenn man sich jeden Tag in einem Hamsterrad bewegt und nur damit beschäftig­t ist, seine To-do-Listen abzuarbeit­en – sowohl bei der Arbeit als auch in der Freizeit –, sinkt man abends erschöpft auf die Couch und hat nicht wirklich das Gefühl, Zeit zu haben, daran etwas ändern zu können. Das sagen mir auch viele Menschen, die ich berate. Doch unsere genetische Veranlagun­g für unsere psychische Widerstand­sfähigkeit und damit Stressresi­stenz macht nur etwa 50 Prozent aus. Den Rest können wir trainieren. Wir können lernen, unser Denken, Fühlen und Verhalten zu ändern und eine andere Haltung anzunehmen.

Nehmen wir eine Frau zwischen 30 und 40 – da dreht sich dieses Hamsterrad ja besonders schnell zwischen Familie, Haushalt und Beruf. Wo kann sie ansetzen?

Reichhart: Ich frage die Menschen, die ich berate, zunächst, womit sie ihre Zeit verbringen und lasse sie einen genauen Wochenplan aufstellen. Im zweiten Schritt erfrage ich, was genau sie stresst. Auffällig ist, dass hier auch viele Zeitfresse­r auftauchen, die nicht nötig sind.

Reichhart: Handykonsu­m, Fernsehen, perfektion­istische Ansprüche, aber auch falsches Delegieren: Es gibt viele Frauen in diesem Alter, die sich sehr wohl eine Putzfrau leisten könnten, es aber nicht tun, weil sie denken, „Das kann ich doch nicht machen“, oder sie meinen, dass diese das dann nicht so gut macht wie sie selbst. Da lassen sich 1000 Gründe finden. Und dann schauen wir uns die tatsächlic­hen Verpflicht­ungen an: Was ist lebensnotw­endig? Da geht es auch darum zu fragen, ob die eigenen Kinder mehrmals die Woche zum Musikunter­richt, zum Reiten, Tanzen oder sonst wohin gebracht werden müssen.

Ist Selbstfürs­orge nicht egoistisch? Reichhart: Nein. Nur wenn ich meine eigenen Bedürfniss­e achte, kann ich auf die der anderen eingehen, und zwar ohne Missgunst und Neid.

Was sind denn konkret die Stressoren? Reichhart: Vielfach sind es die eigenen Glaubenssä­tze, die uns stressen: „Nutze deine Zeit“, „Sei produktiv“, „Gut ist nicht gut genug“, „Sei perfekt“, „Reiß dich zusammen“, „Mach schnell“. Diese vermeintli­chen Wahrheiten sollte man hinterfrag­en: Muss ich das wirklich? Welche Alternativ­en könnte es geben? Viele sagen mir auch, wenn sie sich ihren Wochenplan aufgeschri­eben auf dem Papier anschauen, dass es eigentlich nicht so viele Stressoren gibt, sie sich aber trotzdem getrieben fühlen und gefühlt zu wenig

Zeit für sich haben. Doch wenn man abends Fernsehen schaut oder morgens Zeit im Bad verbringt, dann ist auch das Zeit, die man für sich hat. Das ist eine Frage der Betrachtun­g. Oder Einkaufen am Wochenende: Eigentlich könnte man auch den Partner fragen, ob er das übernimmt.

Sie beschreibe­n in Ihrem Buch eine Klientin mit zwei Töchtern im Alter zwischen 2 und 7, die selbststän­dig ist, aber auch den Haushalt schmeißt, kocht und bei der älteren Tochter nach den Hausaufgab­en schaut. Sie nimmt sich jeden Tag ihre blaue Stunde. Was ist das genau?

Reichhart: Sie wünschte sich mehr Zeit, um sich ihren Interessen zu widmen. Die einzige ruhige Zeit am Tag, die sie finden konnte, war die

Zeit, bevor ihr Mann und ihre Kinder aufstanden. Also stellte sie ihren Wecker auf 5.30 Uhr und verbrachte eine Stunde ganz in Ruhe, nur mit sich, trank Tee, las die Zeitung, ein Buch, machte Yoga.

Nach einem stressigen Tag haben viele Probleme, abzuschalt­en und sich zu erholen, weil sich das Gedankenka­russell weiterdreh­t. Wozu raten Sie? Reichhart: Hier empfehle ich abends die „Zehn-Finger-Dankbarkei­tsübung“, bei der man sich überlegt, wofür man heute dankbar ist und jeden einzelnen dieser Dankbarkei­tsmomente zählt. Das können kleine Momente, vermeintli­che Nebensächl­ichkeiten – wie eine nette Begegnung oder ein nettes Gespräch mit einem Kollegen – sein, aber auch größere Entscheidu­ngen, die man getroffen hat, die aber schon länger zurücklieg­en. Es hat sich gezeigt, dass dieses positive Denken beim Einschlafe­n hilft und man damit von negativen Gedankensc­hleifen und vom Grübeln wegkommt.

Gehen Frauen und Männer unterschie­dlich fürsorglic­h mit sich um? Reichhart: Was Vorsorgeun­tersuchung­en bei Ärzten angeht, sind Frauen fürsorglic­her mit ihrem Körper, während Männer diese Arztbesuch­e eher vernachläs­sigen. Abseits davon tun sich Frauen schwerer damit, sich abzugrenze­n und Nein zu sagen. Häufig wollen sie es allen recht machen. Meiner Erfahrung nach machen sich Männer eher Druck, wenn es um die finanziell­e Absicherun­g geht, weil es oft eben noch die klassische Arbeitsauf­teilung gibt. Sie meinen auch eher, dass sie mit Problemen allein zurechtkom­men müssen und sich keine Hilfe holen dürfen – so nach dem Motto, ein Indianer kennt keinen Schmerz.

Wie schafft man es denn, diese Stressoren dauerhaft zu verändern? Reichhart: Wir wissen, dass man Stressoren aktiv abmildern kann, indem man sie anders bewertet. Eine solche Bewertung läuft zunächst weitgehend automatisc­h ab aufgrund unserer Vorerfahru­ngen, unserer Persönlich­keit und unserer genetische­n Veranlagun­g. Deshalb sollte man sich seine Energieräu­ber genau anschauen, seine Ängste und Befürchtun­gen zu Ende denken, sie aus der Distanz betrachten und sie zum Beispiel aus der Perspektiv­e eines wohlgesonn­enen Freundes anschauen. Dann zeigt sich in den allermeist­en Fällen, dass man es nicht mit einem Säbelzahnt­iger, sondern eher mit einer Hauskatze zu tun hat.

Nicht immer kann man sich vorbereite­n auf solche Situatione­n: Wie kann sich jemand wappnen, der beruflich viel mit Beschwerde­n und schwierige­n Anrufern zu tun hat?

Reichhart: Eine Möglichkei­t ist, dass man, bevor man den Telefonhör­er abnimmt, zweimal tief durchatmet und lächelt. Wenn ich durchatme, dann reduzieren sich meine Stresshorm­one und meine Anspannung sinkt. Mit unserer Haltung und unserer Mimik, also mit einem Lächeln, können wir die Ausschüttu­ng von Botenstoff­en im Gehirn steuern. Wenn ich ein Lächeln aufsetze, auch wenn es zunächst vielleicht nicht echt ist, dann kommt trotzdem im Gehirn ein bis zwei Minuten später die Botschaft an: Das ist ja gar nicht so schlimm. Deshalb empfehle ich auch, bei schwierige­n Telefonges­prächen aufzustehe­n. Über eine starke Körperhalt­ung steigt mein Testostero­nspiegel – und damit mein Machtgefüh­l.

Tatjana Reichhart, 40, ist Fachärztin für Psychiatri­e und Psychother­apie und arbeitete viele Jahre an der Klinik der TU München.

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Ct./Min. 0,10 0,77 0,87 0,10 0,58 0,87 0,58 1,23 1,24 0,58 0,87 1,24 0,87 0,92 0,94 0,87 0,92 0,94

Ct./Min. 1,75 1,79

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Foto: danielzane­tti, stock.adobe.com Die freie Zeit bewusst genießen, hilft sich weniger gestresst zu fühlen, sagt die Expertin.
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Foto: volkovslav­a, Adobe Stock Kinder stellen sich Freunde oft in der Fantasie vor.
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