Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie ein Jude den Nazi-Verbrecher Klaus Barbie töten will

„Auf dem Paseo del Prado mittags Don Klaus“wird am Samstag auf der Brechtbühn­e uraufgefüh­rt. Im Zentrum: drei historisch­e Figuren

- VON PHILIPP SCHULTE

Klaus Barbie war ein Nationalso­zialist, wie man ihn sich schlimmer nicht vorstellen könnte. Der SSOberstur­mführer wurde als „Schlächter von Lyon“bekannt. Im dritten Stock des dortigen Hotels Terminus befand sich Barbies Gestapo-Dienststel­le. Er folterte unter anderem Mitglieder des französisc­hen Widerstand­s, der Résistance, mit Peitschen, Knüppeln und heißem Wasser tagelang. Er logierte in einer Suite, während er zahlreiche Menschen deportiere­n ließ und damit in den Tod schickte.

Der Deutsche ist eine von drei historisch­en Figuren des Theaterstü­cks „Auf dem Paseo del Prado mittags Don Klaus“. Es wird am Samstag um 19.30 Uhr auf der Brechtbühn­e im Gaswerk in Augsburg uraufgefüh­rt. Neben Barbie sind Monika Ertl und Michel CojotGoldb­erg zentrale Figuren. Irgendwann kreuzen sich die Lebenswege der drei; das steht im Zentrum dieses Dokumentar­theater-Abends.

Nach dem Krieg arbeitet Klaus Barbie zunächst für den amerikanis­chen Geheimdien­st in Augsburg. Sein Büro hatte er im Stadtbad, ehe er von 1951 an in Bolivien für die dortige Diktatur in der Partisanen­abwehr tätig war.

In dem südamerika­nischen Land treffen sich Barbie und Michel Cojot-Goldberg, ein französisc­her Jude. Er wollte Barbie 1975 in einem Café auf dem Boulevard Paseo del Prado ermorden, schaffte das aber nicht – obwohl er eine Waffe dabeihatte. Goldberg unterhielt sich lange mit Barbie, weil er sich als Journalist ausgegeben hatte. Don

Klaus, wie Barbie in Bolivien genannt wurde, hatte Goldbergs Vater während des Weltkriegs deportiere­n lassen.

Fehlt noch die dritte wichtige Person des Stücks: Monika Ertl. Sie zog 1953 nach Bolivien und arbeitete im Untergrund gegen das bolivianis­che Regime. Ertl soll Barbie 1972 versucht haben, zu entführen und nach Frankreich ausliefern. Ein Jahr später wurde sie von bolivianis­chen Sicherheit­skräften erschossen. Zuvor hatte Ertl selbst gemordet: Sie tötete einen Geheimdien­stler, der den kubanische­n Revolution­är Che Guevara ermorden ließ.

Matthias Naumann, 43, und Johannes Wenzel, 43, sind verantwort­lich für das Stück. Naumann ist der Autor des Textes, Wenzel inszeniert es. Aber ist der Stoff nicht zu komplizier­t für gut drei Stunden Theater? „Uns ist klar, dass es ein forderndes Thema ist“, sagt WenZuschau­er wollten aber auch gefordert werden.

Mord, Rache, Gerechtigk­eit, das sind die zentralen Motive des Stücks. Ertl rächt sich mit einem Mord für den Tod Che Guevaras, was Goldberg bei Barbie nicht gelang. Und Barbie erhält noch eine Strafe: Ihm wurde 1987 in Frankreich der Prozess gemacht, ehe er in Haft starb.

„Wir haben uns immer tiefer in die Leben der drei begeben“, sagt Johannes Wenzel. Wie er und Naumann auf den Stoff gekommen sind?

Der leitende Dramaturg des Augsburger Staatsthea­ters, Lutz Keßler, hatte angeregt, mal etwas über Barbie zu machen. Dessen AugsburgVe­rgangenhei­t fand er besonders und wusste, dass Wenzel und Naumann gerne recherchie­ren.

Das Duo, das sich 2014 zu dem Theaterkol­laborativ Futur II Konjunktiv zusammensc­hloss, traf zwei Kinder von Goldberg, sichtete StasiUnter­lagen, besuchte das Dokumentat­ionszentru­m für jüdische Zeitgeschi­chte in Paris, traf Jugendfreu­ndinnen von Monika Ertl, stuzel. dierte Aufzeichnu­ngen des BarbieProz­esses, reiste nach Lyon. „Mit Leuten zu reden und Dinge zu erfahren, ist klasse“, sagt Wenzel.

So viel Recherche ist nötig: Die Macher des Stücks setzen bei den Fakten auf das Zwei-Quellen-Prinzip. Das braucht viel Zeit: Bis Samstag wird es ein Jahr gedauert haben, bis alles steht. Das Ziel der beiden ist es zu zeigen, dass die NS-Zeit nicht 1945 aufhört. Viele Nazis flüchteten nach Südamerika und westliche Geheimdien­ste setzten auf sie. Das Stück wende sich Naumann und

Wenzel zufolge gegen die Schlussstr­ichdebatte.

Die beiden Künstler haben sich 2013 kennengele­rnt, als sie zusammen an einem Stück, das in Mülheim an der Ruhr aufgeführt wurde, gearbeitet haben. Sie stammen aus Berlin und machen seit 20 Jahren Theater. Was sie daran fasziniert? „Literatur wird lebendig“, sagt Naumann. Auch verändere sich ein Stück während der Proben. Das mache das Arbeiten dynamisch. „Manchmal merkt man, dass Szenen nicht funktionie­ren.“

Das Team arbeitet an städtische­n Theatern und in der freien Szene. An öffentlich­en Bühnen schätzen sie, dass ihnen etwa Bühnenbild­er und Schauspiel­er zur Verfügung stehen. Für „Auf dem Paseo del Prado“besteht das Team aus 15 Personen. Frei zu arbeiten sei aufwendige­r. Dann muss sich das Duo oft um öffentlich­e Gelder bemühen.

Trotz des ernsten Stoffs möchten Matthias Naumann und Johannes Wenzel ihre Zuschauer zum Lachen bringen. Nach 15 Minuten gebe es die erste groteske Szene. Bei NaziErzähl­ungen könne man auch lachen, sagt Wenzel. Das beweise der Film Inglouriou­s Basterds von Quentin Tarantino. Der hat auch mit Frankreich im Zweiten Weltkrieg zu tun – nur habe sich Tarantiono weniger an historisch­e Fakten gehalten.

Rache und Gerechtigk­eit sind zentrale Motive des Stücks

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Foto: Jan-Pieter Fuhr Thomas Pratzak als Klaus Barbie in dem Stück „Auf dem Paseo del Prado mittags Don Klaus“, das am Samstag Premiere hat.

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