Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie ein Jude den Nazi-Verbrecher Klaus Barbie töten will
„Auf dem Paseo del Prado mittags Don Klaus“wird am Samstag auf der Brechtbühne uraufgeführt. Im Zentrum: drei historische Figuren
Klaus Barbie war ein Nationalsozialist, wie man ihn sich schlimmer nicht vorstellen könnte. Der SSObersturmführer wurde als „Schlächter von Lyon“bekannt. Im dritten Stock des dortigen Hotels Terminus befand sich Barbies Gestapo-Dienststelle. Er folterte unter anderem Mitglieder des französischen Widerstands, der Résistance, mit Peitschen, Knüppeln und heißem Wasser tagelang. Er logierte in einer Suite, während er zahlreiche Menschen deportieren ließ und damit in den Tod schickte.
Der Deutsche ist eine von drei historischen Figuren des Theaterstücks „Auf dem Paseo del Prado mittags Don Klaus“. Es wird am Samstag um 19.30 Uhr auf der Brechtbühne im Gaswerk in Augsburg uraufgeführt. Neben Barbie sind Monika Ertl und Michel CojotGoldberg zentrale Figuren. Irgendwann kreuzen sich die Lebenswege der drei; das steht im Zentrum dieses Dokumentartheater-Abends.
Nach dem Krieg arbeitet Klaus Barbie zunächst für den amerikanischen Geheimdienst in Augsburg. Sein Büro hatte er im Stadtbad, ehe er von 1951 an in Bolivien für die dortige Diktatur in der Partisanenabwehr tätig war.
In dem südamerikanischen Land treffen sich Barbie und Michel Cojot-Goldberg, ein französischer Jude. Er wollte Barbie 1975 in einem Café auf dem Boulevard Paseo del Prado ermorden, schaffte das aber nicht – obwohl er eine Waffe dabeihatte. Goldberg unterhielt sich lange mit Barbie, weil er sich als Journalist ausgegeben hatte. Don
Klaus, wie Barbie in Bolivien genannt wurde, hatte Goldbergs Vater während des Weltkriegs deportieren lassen.
Fehlt noch die dritte wichtige Person des Stücks: Monika Ertl. Sie zog 1953 nach Bolivien und arbeitete im Untergrund gegen das bolivianische Regime. Ertl soll Barbie 1972 versucht haben, zu entführen und nach Frankreich ausliefern. Ein Jahr später wurde sie von bolivianischen Sicherheitskräften erschossen. Zuvor hatte Ertl selbst gemordet: Sie tötete einen Geheimdienstler, der den kubanischen Revolutionär Che Guevara ermorden ließ.
Matthias Naumann, 43, und Johannes Wenzel, 43, sind verantwortlich für das Stück. Naumann ist der Autor des Textes, Wenzel inszeniert es. Aber ist der Stoff nicht zu kompliziert für gut drei Stunden Theater? „Uns ist klar, dass es ein forderndes Thema ist“, sagt WenZuschauer wollten aber auch gefordert werden.
Mord, Rache, Gerechtigkeit, das sind die zentralen Motive des Stücks. Ertl rächt sich mit einem Mord für den Tod Che Guevaras, was Goldberg bei Barbie nicht gelang. Und Barbie erhält noch eine Strafe: Ihm wurde 1987 in Frankreich der Prozess gemacht, ehe er in Haft starb.
„Wir haben uns immer tiefer in die Leben der drei begeben“, sagt Johannes Wenzel. Wie er und Naumann auf den Stoff gekommen sind?
Der leitende Dramaturg des Augsburger Staatstheaters, Lutz Keßler, hatte angeregt, mal etwas über Barbie zu machen. Dessen AugsburgVergangenheit fand er besonders und wusste, dass Wenzel und Naumann gerne recherchieren.
Das Duo, das sich 2014 zu dem Theaterkollaborativ Futur II Konjunktiv zusammenschloss, traf zwei Kinder von Goldberg, sichtete StasiUnterlagen, besuchte das Dokumentationszentrum für jüdische Zeitgeschichte in Paris, traf Jugendfreundinnen von Monika Ertl, stuzel. dierte Aufzeichnungen des BarbieProzesses, reiste nach Lyon. „Mit Leuten zu reden und Dinge zu erfahren, ist klasse“, sagt Wenzel.
So viel Recherche ist nötig: Die Macher des Stücks setzen bei den Fakten auf das Zwei-Quellen-Prinzip. Das braucht viel Zeit: Bis Samstag wird es ein Jahr gedauert haben, bis alles steht. Das Ziel der beiden ist es zu zeigen, dass die NS-Zeit nicht 1945 aufhört. Viele Nazis flüchteten nach Südamerika und westliche Geheimdienste setzten auf sie. Das Stück wende sich Naumann und
Wenzel zufolge gegen die Schlussstrichdebatte.
Die beiden Künstler haben sich 2013 kennengelernt, als sie zusammen an einem Stück, das in Mülheim an der Ruhr aufgeführt wurde, gearbeitet haben. Sie stammen aus Berlin und machen seit 20 Jahren Theater. Was sie daran fasziniert? „Literatur wird lebendig“, sagt Naumann. Auch verändere sich ein Stück während der Proben. Das mache das Arbeiten dynamisch. „Manchmal merkt man, dass Szenen nicht funktionieren.“
Das Team arbeitet an städtischen Theatern und in der freien Szene. An öffentlichen Bühnen schätzen sie, dass ihnen etwa Bühnenbilder und Schauspieler zur Verfügung stehen. Für „Auf dem Paseo del Prado“besteht das Team aus 15 Personen. Frei zu arbeiten sei aufwendiger. Dann muss sich das Duo oft um öffentliche Gelder bemühen.
Trotz des ernsten Stoffs möchten Matthias Naumann und Johannes Wenzel ihre Zuschauer zum Lachen bringen. Nach 15 Minuten gebe es die erste groteske Szene. Bei NaziErzählungen könne man auch lachen, sagt Wenzel. Das beweise der Film Inglourious Basterds von Quentin Tarantino. Der hat auch mit Frankreich im Zweiten Weltkrieg zu tun – nur habe sich Tarantiono weniger an historische Fakten gehalten.
Rache und Gerechtigkeit sind zentrale Motive des Stücks