Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Bekommt Augsburg ein schwarz-grünes Bündnis?
Der Ausgang vergangener Wahlen deutet auf ein solches Ergebnis hin. Was dafür und dagegen spricht
Zum Endspurt gewinnt der Wahlkampf an Fahrt: Das Hin und Her innerhalb des Regierungsbündnisses um die Linie 5 ist nicht gemeint, weil die SPD zum jetzigen Zeitpunkt zwar Pflöcke einschlagen darf, eine Diskussion ohne die Grundlagen aus Gutachten aber erst mal wenig bringt. Die Retourkutsche von CSU und Grünen in Richtung SPD gehörte daher absehbar zum Schlagabtausch.
Spannung kommt wegen der beiden Bürgerbegehren auf, die von den Initiatoren auch als Angriff auf die Politik der bisherigen Stadtregierung formuliert sind. Es spielt sicher ein Stück Wahlkampf mit hinein, weil das Wohn-Begehren von einer Gruppierung initiiert wird, die zur Wahl antritt. Und inhaltlich würde das Begehren auch gar keine so großen Auswirkungen haben, sondern wäre eher ein Appell für eine veränderte Wohnbaupolitik. Die dahinterstehende Idee, nämlich, dass die Stadt kreditfinanziert mehr Grundstücke kauft, ist von großer Tragweite – für den Wohnungsbau, aber auch für die städtischen Finanzen. Die Sichtweise, dass Kredite sich in städtischem Vermögen niederschlagen, findet aktuell Verbreitung sowohl im Regierungslager als auch bei Neubewerbern (abhängig von den zu finanzierenden Projekten). Sie ist nicht von der Hand zu weisen, unter dem Gesichtspunkt von Schuldenstand gleichwohl nicht unkritisch zu sehen.
Beim Rad-Begehren gehört ein ÖDP-Stadtratskandidat zu den Initiatoren und etliche Parteien (SPD, Grüne, Linke, Polit-WG, ÖDP und V-Partei) wollen das Begehren unterstützen. Ob das der Grundintention des Instruments Bürgerbegehren entspricht oder nicht, mag dahingestellt sein. Aber wenn die Fragestellungen rechtlich zulässig sind, dann spielen sich die Begehren eben unter diesen Gegebenheiten ab. Man kann sie auch als Druckmittel sehen, das die Parteien zwingt, sich im Wahlkampf zu bestimmten Fragen klar zu positionieren. Zur Erinnerung: Der von der CSU unterstützte KöBürgerentscheid vor zwölf Jahren, der das Ende der Regenbogenregierung einläutete, spielte sich auch im Vorwahlkampf ab.
Es wird abzuwarten sein, wie diese Bürgerbegehren auf den Wahlkampf wirken. Bisher war er lau. Läuft es wie bisher, lässt das eine niedrige Wahlbeteiligung befürchten, eventuell noch niedriger als die etwa 40 Prozent vor sechs Jahren. Das mag daran liegen, dass der Anteil der EU-Ausländer unter den Wahlberechtigten steigt. Wer erst seit Kurzem im Lande ist, interessiert sich nicht sehr für Kommunalpolitik. Doch es gibt einen zweiten Grund für diese Befürchtung: Die Re-Politisierung der Gesellschaft, spürbar an der hohen Beteiligung an Landtagsund EU-Wahl, wird bei der Kommunalwahl womöglich nicht durchschlagen. Die überregionalen Wahlen wurden zuletzt mit Bedeutung aufgeladen – die Wähler hatten (zutreffenderweise) das Gefühl, dass es ums Ganze und die grundsätzliche Richtung geht.
Dem Augsburger Wahlkampf fehlt dieser Impetus, wobei es ja nicht so ist, dass es um nichts geht. Zieht etwa die AfD mit fünf oder sechs Sitzen in den Stadtrat ein, wird sich dort das Klima ändern. Die AfD von heute ist nicht mehr vergleichbar mit der, die vor sechs Jahren mit vier Stadträten den Sprung in den Stadtrat schaffte. Der Facebook-Eintrag nach der Bluttat von Hanau hat den Schleier gelüftet, auch wenn sich die Parteispitze von dem geschmacklosen Post sofort distanzierte.
Und es gibt womöglich einen weiteren Grund. Wahlsonntage haben auch in Augsburg schon Überraschungen gebracht, etwa als vor zwölf Jahren Newcomer Gribl den Amtsinhaber Paul Wengert (SPD) verdrängte, doch momentan kann sich Eva Weber (CSU) keine schlechten Chancen ausrechnen. Sie personifiziert die neuerfundene CSU – weiblich, jünger, liberaler und letztlich nicht klar einzuordnen zwischen konservativen Ansichten und dem Bestreben, neue Strömungen wie die Klimaschutzbewegung irgendwie zu umarmen. Es kann anders kommen, aber momentan stellt sich am ehesten die Frage, gegen wen Weber in der Stichwahl antritt.
Sonnyboy Dirk Wurm überzeugt rhetorisch, auch wenn nicht jeder sein lässiges Auftreten schätzt, aber er hat das Problem, dass die Zustimmungswerte der SPD bayernweit im Keller sind. In den Großstädten steht die SPD besser da als auf dem Land, aber sich als OBKandidat davon zu lösen, ist ein Kraftakt. Die Grüne Martina Wild ist mit vielen Themen vertraut und kann argumentieren, aber der charismatische Auftritt ist nicht ihre größte Stärke. Das ist kein K.o.Kriterium, kann in einer Persönlichkeitswahl aber eine Rolle spielen. Absehbar ist unabhängig davon, dass die Grünen – momentan im Höhenflug bei der Zustimmung – im Stadtrat zulegen werden.
Über mögliche Koalitionspartner spricht momentan niemand, weil alle offiziell auf Sieg spielen, aber ein Szenario, das nicht ganz fernliegt, ist ein schwarz-grünes Bündnis, womöglich unter roter Beteiligung – also eine Fortsetzung der „ganz großen Koalition“mit umgekehrter Rolle bei den Minderheits-Partnern. Denn für ein sogenanntes bürgerliches Bündnis aus CSU, FW Pro Augsburg und der FDP dürfte es allenfalls knapp zu einer Mehrheit reichen. Die CSU würde sich so relativ leicht von kleinen Partnern unter Druck setzen lassen. Bei schwarz-grün-rot dürfte es für eine Stadtratsmehrheit reichen, wenn man die Landtagsund EU-Wahl-Ergebnisse aus Augsburg als Anhaltspunkt nimmt. Und es ist kein Geheimnis, dass Weber und Wild ein gutes persönliches Verhältnis haben. Die Wahlprogramme haben unterschiedliche Aussagen, aber es gäbe genug Andockstellen, um zu einzelnen Punkten Kompromisse zu verhandeln. Doch wie gesagt: Entschieden wird am 15. März.