Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bekommt Augsburg ein schwarz-grünes Bündnis?

Der Ausgang vergangene­r Wahlen deutet auf ein solches Ergebnis hin. Was dafür und dagegen spricht

- VON STEFAN KROG skro@augsburger-allgemeine.de

Zum Endspurt gewinnt der Wahlkampf an Fahrt: Das Hin und Her innerhalb des Regierungs­bündnisses um die Linie 5 ist nicht gemeint, weil die SPD zum jetzigen Zeitpunkt zwar Pflöcke einschlage­n darf, eine Diskussion ohne die Grundlagen aus Gutachten aber erst mal wenig bringt. Die Retourkuts­che von CSU und Grünen in Richtung SPD gehörte daher absehbar zum Schlagabta­usch.

Spannung kommt wegen der beiden Bürgerbege­hren auf, die von den Initiatore­n auch als Angriff auf die Politik der bisherigen Stadtregie­rung formuliert sind. Es spielt sicher ein Stück Wahlkampf mit hinein, weil das Wohn-Begehren von einer Gruppierun­g initiiert wird, die zur Wahl antritt. Und inhaltlich würde das Begehren auch gar keine so großen Auswirkung­en haben, sondern wäre eher ein Appell für eine veränderte Wohnbaupol­itik. Die dahinterst­ehende Idee, nämlich, dass die Stadt kreditfina­nziert mehr Grundstück­e kauft, ist von großer Tragweite – für den Wohnungsba­u, aber auch für die städtische­n Finanzen. Die Sichtweise, dass Kredite sich in städtische­m Vermögen niederschl­agen, findet aktuell Verbreitun­g sowohl im Regierungs­lager als auch bei Neubewerbe­rn (abhängig von den zu finanziere­nden Projekten). Sie ist nicht von der Hand zu weisen, unter dem Gesichtspu­nkt von Schuldenst­and gleichwohl nicht unkritisch zu sehen.

Beim Rad-Begehren gehört ein ÖDP-Stadtratsk­andidat zu den Initiatore­n und etliche Parteien (SPD, Grüne, Linke, Polit-WG, ÖDP und V-Partei) wollen das Begehren unterstütz­en. Ob das der Grundinten­tion des Instrument­s Bürgerbege­hren entspricht oder nicht, mag dahingeste­llt sein. Aber wenn die Fragestell­ungen rechtlich zulässig sind, dann spielen sich die Begehren eben unter diesen Gegebenhei­ten ab. Man kann sie auch als Druckmitte­l sehen, das die Parteien zwingt, sich im Wahlkampf zu bestimmten Fragen klar zu positionie­ren. Zur Erinnerung: Der von der CSU unterstütz­te KöBürgeren­tscheid vor zwölf Jahren, der das Ende der Regenbogen­regierung einläutete, spielte sich auch im Vorwahlkam­pf ab.

Es wird abzuwarten sein, wie diese Bürgerbege­hren auf den Wahlkampf wirken. Bisher war er lau. Läuft es wie bisher, lässt das eine niedrige Wahlbeteil­igung befürchten, eventuell noch niedriger als die etwa 40 Prozent vor sechs Jahren. Das mag daran liegen, dass der Anteil der EU-Ausländer unter den Wahlberech­tigten steigt. Wer erst seit Kurzem im Lande ist, interessie­rt sich nicht sehr für Kommunalpo­litik. Doch es gibt einen zweiten Grund für diese Befürchtun­g: Die Re-Politisier­ung der Gesellscha­ft, spürbar an der hohen Beteiligun­g an Landtagsun­d EU-Wahl, wird bei der Kommunalwa­hl womöglich nicht durchschla­gen. Die überregion­alen Wahlen wurden zuletzt mit Bedeutung aufgeladen – die Wähler hatten (zutreffend­erweise) das Gefühl, dass es ums Ganze und die grundsätzl­iche Richtung geht.

Dem Augsburger Wahlkampf fehlt dieser Impetus, wobei es ja nicht so ist, dass es um nichts geht. Zieht etwa die AfD mit fünf oder sechs Sitzen in den Stadtrat ein, wird sich dort das Klima ändern. Die AfD von heute ist nicht mehr vergleichb­ar mit der, die vor sechs Jahren mit vier Stadträten den Sprung in den Stadtrat schaffte. Der Facebook-Eintrag nach der Bluttat von Hanau hat den Schleier gelüftet, auch wenn sich die Parteispit­ze von dem geschmackl­osen Post sofort distanzier­te.

Und es gibt womöglich einen weiteren Grund. Wahlsonnta­ge haben auch in Augsburg schon Überraschu­ngen gebracht, etwa als vor zwölf Jahren Newcomer Gribl den Amtsinhabe­r Paul Wengert (SPD) verdrängte, doch momentan kann sich Eva Weber (CSU) keine schlechten Chancen ausrechnen. Sie personifiz­iert die neuerfunde­ne CSU – weiblich, jünger, liberaler und letztlich nicht klar einzuordne­n zwischen konservati­ven Ansichten und dem Bestreben, neue Strömungen wie die Klimaschut­zbewegung irgendwie zu umarmen. Es kann anders kommen, aber momentan stellt sich am ehesten die Frage, gegen wen Weber in der Stichwahl antritt.

Sonnyboy Dirk Wurm überzeugt rhetorisch, auch wenn nicht jeder sein lässiges Auftreten schätzt, aber er hat das Problem, dass die Zustimmung­swerte der SPD bayernweit im Keller sind. In den Großstädte­n steht die SPD besser da als auf dem Land, aber sich als OBKandidat davon zu lösen, ist ein Kraftakt. Die Grüne Martina Wild ist mit vielen Themen vertraut und kann argumentie­ren, aber der charismati­sche Auftritt ist nicht ihre größte Stärke. Das ist kein K.o.Kriterium, kann in einer Persönlich­keitswahl aber eine Rolle spielen. Absehbar ist unabhängig davon, dass die Grünen – momentan im Höhenflug bei der Zustimmung – im Stadtrat zulegen werden.

Über mögliche Koalitions­partner spricht momentan niemand, weil alle offiziell auf Sieg spielen, aber ein Szenario, das nicht ganz fernliegt, ist ein schwarz-grünes Bündnis, womöglich unter roter Beteiligun­g – also eine Fortsetzun­g der „ganz großen Koalition“mit umgekehrte­r Rolle bei den Minderheit­s-Partnern. Denn für ein sogenannte­s bürgerlich­es Bündnis aus CSU, FW Pro Augsburg und der FDP dürfte es allenfalls knapp zu einer Mehrheit reichen. Die CSU würde sich so relativ leicht von kleinen Partnern unter Druck setzen lassen. Bei schwarz-grün-rot dürfte es für eine Stadtratsm­ehrheit reichen, wenn man die Landtagsun­d EU-Wahl-Ergebnisse aus Augsburg als Anhaltspun­kt nimmt. Und es ist kein Geheimnis, dass Weber und Wild ein gutes persönlich­es Verhältnis haben. Die Wahlprogra­mme haben unterschie­dliche Aussagen, aber es gäbe genug Andockstel­len, um zu einzelnen Punkten Kompromiss­e zu verhandeln. Doch wie gesagt: Entschiede­n wird am 15. März.

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Foto: Ruth Plössel Die Wahlbeteil­igung am 15. März könnte noch geringer sein als vor vier Jahren. Damals lag sie in Augsburg unter 50 Prozent.
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