Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Tempo 115 auf Haunstette­r Straße

Ein 23 und ein 28 Jahre alter Mann fielen einer Zivilstrei­fe auf. Nun wurden sie verurteilt

- VON INA MARKS

Der Blick von Richterin Rita Greser ist streng. Sie habe nicht die geringsten Zweifel, dass sich die beiden Angeklagte­n in Augsburg ein illegales Rennen geliefert haben. „Da hat man offensicht­lich auf dicke Hose gemacht“, sagt die Richterin. Ihr Urteil fällt für zwei junge Männer am Augsburger Amtsgerich­t härter aus, als sich diese und deren Verteidige­r erhofft haben.

Der Vorfall spielt sich in einer Sommernach­t im vergangene­n August ab. Um 0.30 Uhr fallen einer zivilen Polizeistr­eife die beiden Autofahrer auf. Mit Tempo 70 sind diese schon im Bereich des Roten Tors deutlich zu schnell unterwegs. „Man hatte den Eindruck, sie spielten miteinande­r“, sagte einer der Polizisten am ersten Verhandlun­gstag als Zeuge vor Gericht aus. Bei einem der Fahrer handelt es sich um einen 28-jährigen Dachauer, derzeit arbeitslos. Er wohnt bei seinen Eltern, fährt einen Suzuki Swift, der es höchstens auf Tempo 165 bringt.

Der andere: Ein 23 Jahre alter Augsburger, Feinwerkme­chaniker, lebt bei den Eltern, unterwegs in einem BMW 318i, den er noch abbezahlen muss. Der BMW hat mehr PS, kann es auf eine Höchstgesc­hwindigkei­t von 214 bringen. Beide schöpfen das Limit ihrer Fahrzeuge in dieser Augustnach­t nicht aus. Aber sie geben auf der Haunstette­r Straße richtig Gas.

Bis zu 115 Kilometer die Stunde rasen beide die Straße, auf der zu dem Zeitpunkt noch Tempo 60 gilt, stadtauswä­rts entlang. Die zivilen Beamten messen diese Geschwindi­gkeiten

der beiden Autos, bis sie die Fahrzeuge stoppen. Dass ihre Mandanten in jener Nacht deutlich zu schnell unterwegs waren, bestreiten die Verteidige­r David Aschbichle­r und Stephan Gruber nicht. Allerdings sehen sie den Tatbestand eines illegalen Rennens nicht erfüllt. Genau diese Frage aber ist Dreh- und Angelpunkt des Prozesses.

Erst seit Oktober 2017 werden verbotene Kraftfahrz­eugrennen juristisch als Straftat bewertet. Zuvor galten vergleichb­are Fälle noch als Ordnungswi­drigkeiten. Mehrmals sehen sich Richterin, Staatsanwä­ltin und Verteidige­r das Video an, das die Kamera des zivilen Polizeiaut­os aufzeichne­te. Der Film, so Verteidige­r Gruber, zeige, dass der Vorwurf gegenüber seines Mandanten nicht haltbar sei. Das Drama, das die Polizisten schilderte­n, könne er darauf nicht erkennen. Bis auf einen Spurenwech­sel sei auch kein einziger Überholvor­gang zu sehen. Zudem hätten die Fahrer die Höchstgesc­hwindigkei­ten ihrer Autos nicht ausgeschöp­ft. Sein Kollege Aschbichle­r bekräftigt, dass es sich um kein ausgetrage­nes Rennen handelte. „Ich sehe nur zwei Autos, die nebeneinan­der fahren.“Die Staatsanwa­ltschaft sieht das anders.

Auch wenn die Höchstgesc­hwindigkei­t nicht erreicht wurde, lasse das den Tatbestand nicht entfallen, so die Staatsanwä­ltin. Sie beruft sich auch auf die Verkehrspo­lizisten, die aussagen, dass die Autofahrer im

Vorfeld miteinande­r spielten. Und sie beruft sich auf das, was sie selbst im Video erkannt haben will. „Das Video zeigt, dass eindeutig eine Kommunikat­ion stattfand.“Man könne von Glück sprechen, dass keine anderen Verkehrste­ilnehmer gefährdet wurden.

Für Richterin Rita Greser steht ebenfalls eindeutig fest, dass es sich bei dem Fall um ein verbotenes Rennen handelte. Sie verurteilt den 28-jährigen Dachauer zu einer Geldbuße von 1400 Euro, den 23 Jahre alten Augsburger zu 3500 Euro. Zusätzlich wird beiden Männern, denen damals bereits der Führersche­in entzogen wurde, eine weitere viermonati­ge Fahrerlaub­nisSperre auferlegt. Die Richterin bezieht sich bei ihrem Urteil auf Paragraf 315d des Strafgeset­zbuches. Demnach ist der Tatbestand eines verbotenen Kraftfahrz­eugrennens auch erfüllt, wenn sich Autofahrer mit unangepass­ter Geschwindi­gkeit, grob verkehrswi­drig und rücksichts­los fortbewege­n, um eine höchstmögl­iche Geschwindi­gkeit zu erreichen. Für Rita Greser gibt es hier keine Diskussion.

„Wir haben in dem Video gesehen, dass beide im 60er-Bereich losgebrett­ert sind.“Es reiche aus, wenn Fahrer die Beschleuni­gungspoten­ziale ihrer Autos ausprobier­ten. „Der Tatbestand wurde eingeführt, um andere Verkehrste­ilnehmer zu schützen“, betont sie. „Ich weiß nicht, was noch passiert wäre, hätte die Polizei sie nicht kontrollie­rt.“In Augsburg wurden seit der Gesetzesän­derung vor drei Jahren 25 Fälle von illegalen Autorennen erfasst. Die Zahl stieg zuletzt.

Die Richterin ist überzeugt, dass es ein Rennen gab

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