Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Bei der WSA gibt es kurz vor der Wahl Ärger
Die Sinti-Vertreterin Marcella Reinhardt tritt aus dem Verein aus. Als Grund nennt sie Debatten um die mögliche rechte Gesinnung eines anderen WSA-Kandidaten. Das ist nicht das einzige Problem der Gruppierung
Der Ärger kommt für die Vereinigung „Wir sind Augsburg“– kurz WSA – zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Rund zwei Wochen vor der Kommunalwahl distanziert sich die Stadtratskandidatin Marcella Reinhardt, 51, von der WSA. Sie hat ihren sofortigen Austritt aus der Gruppierung erklärt. Reinhardt ist Vorsitzende des Regionalverbands der Sinti und Roma in Schwaben. Als Grund für den Austritt nennt sie anhaltende Diskussionen um mögliche rechte politische Ansichten eines WSA-Mitglieds. Dasselbe Mitglied ist kürzlich auch noch wegen des Vorwurfs der Körperverletzung angeklagt worden.
In einer schriftlichen Erklärung nennt Reinhardt keinen Namen. Auf Nachfrage unserer Redaktion bestätigt sie aber, dass es um Kickbox-Weltmeister Guido Fiedler geht. Fiedler, der ebenfalls für die Gruppierung WSA für den Stadtrat kandidiert, ist im vorigen November in die Schlagzeilen geraten, weil in seinem Studio nach Recherchen des auch Rechtsextremisten trainiert haben – unter anderem ein Angehöriger der Bürgerwehr „Soldiers of Odin“. Mitglieder dieser Gruppe sollen auch Kontakt zur jüngst aufgelösten rechten Terrorgruppe um den im Kreis Augsburg lebenden Werner S. gehabt haben.
In Fiedlers Studio hing längere Zeit eine Reichskriegsflagge. In der Vergangenheit war er auf Facebook durch rechte Beiträge aufgefallen. Er hatte dort auch Polizisten als „dumme Wichser“und „Arschlöcher“und den Bundespräsidenten als „Idioten“und „Volksverräter“bezeichnet. Bei einem Kampf Fiedlers in Gersthofen war vor einigen Jahren ein rechter Rapper aufgetreten, der wegen seiner radikalen Texte auch vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Inzwischen postet er auf Facebook aber nur noch sportliche Themen und erklärte im November gegenüber unserer Redaktion: „Weder bin ich in der rechten Szene involviert noch interessiert daran.“
Marcella Reinhardt sagt, sie sei im laufenden Wahlkampf immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert worden, wegen ihrer Kandidatur bei WSA ein „Nazi“zu sein. Solche
Vorwürfe seien für sie untragbar, da sie sich als Vorsitzende der Sinti und Roma in Schwaben eben gerade dafür einsetze, dass sich so etwas wie der Nationalsozialismus nie mehr wiederhole. Sie könne nicht beurteilen, ob Guido Fiedler sich von rechtem Gedankengut losgesagt habe. Sie wolle sich aber nicht für Dinge rechtfertigen, mit denen sie in der Vergangenheit nie etwas zu tun hatte. Auf Anfrage unserer Redaktion sagt sie, sie habe auch nichts davon gewusst, dass es vor einigen Jahren zwischen WSA und AfD im Augsburger Stadtrat eine Zeit lang eine Ausschussgemeinschaft gegeben hatte. Wäre sie über all das schon früher informiert gewesen, so Reinhardt, dann hätte sie eine Kandidatur auf der WSA-Liste von vorne herein abgelehnt.
Trotz ihres Austritts bleibt Marcella Reinhardt auf Platz 6 der WSA-Liste. Die Listen dürfen so kurz vor der Wahl nicht mehr verändert werden. Die Wahlzettel sind gedruckt, die Briefwahl hat schon begonnen. Sollte sie in den Stadtrat gewählt werden, sagt Reinhardt, werde sie dort als parteiunabhängige Stadträtin tätig sein. Der WSA-Vorsitzende Peter Grab sagt, er akzeptiere den für ihn überraschenden Rückzug von Marcella Reinhardt, auch wenn er zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt komme.
Grab und die WSA-OB-Kandidatin Anna Tabak sehen sich und die Mitglieder ihrer Gruppierung als Opfer einer „Diffamierungskampagne“im Internet. WSA-Mitglieder würden vor allem auf Facebook immer wieder als „Nazis“und die WSA als „Nazi-Sammelbecken“bezeichnet. Als Urheber der Kampagne sehen sie Personen aus dem Umfeld der Freien Wähler in Augsburg, unter anderem deren Oberbürgermeister-Kandidaten Peter
Hummel sowie Thomas Milasevic. Milasevic war einst Gründungsmitglied der WSA und hat die Gruppierung nach einem Zerwürfnis vor rund fünf Jahren verlassen. Er belästige, so der Vorwurf der WSAVorstände, Mitglieder und Kandidaten auch über persönliche Nachrichten auf Facebook. „Marcella Reinhardt hat diesem Druck nicht mehr standhalten wollen und wir bedauern diese Entwicklung sehr“, heißt es in einer Pressemitteilung des WSA-Vorstands. Damit konfrontiert, sagte Reinhardt aber, das sei nicht der Hauptgrund für ihren Austritt gewesen. In der Verantwortung sehe sie Peter Grab, der sich nicht ausreichend klar zu den Vorwürfen geäußert habe.
Thomas Milasevic betreibt seit 2017 auf Facebook die Seite „WSA AfD Watch“, auf der er sich sehr kritisch mit der Wählervereinigung befasst. Anfangs tat er dies noch mit dem heutigen OB-Kandidaten Peter Hummel. Seit zwei Jahren pflege er sie allein, sagt er, mit Hummel sei er aber noch in Kontakt. Milasevic bestätigt, dass er und seine Frau Zeljka Katic Mitgründer der Wählervereinigung WSA waren. Katic steht heute auf Listenplatz 30 der Freien Wähler. „Wir haben alle Utensilien der WSA finanziert, etwa Fahnen und Tische“, sagt er. Er erklärt: „Ich habe persönlich nichts gegen Anna Tabak oder Peter Grab“.
Dennoch bezeichnet er beide auf seiner Facebook-Seite als Nazis. Auch an diesem Freitag wiederholt er: „Wenn ich alles zusammenzähle, ob Ausschussgemeinschaft oder die WSA-Mitgliedschaft von Guido Fiedler, ist die rechte Linie klar erkennbar“. Peter Hummel sagt auf Anfrage unserer Redaktion: „Ich würde Grab und Tabak nie als Nazi bezeichnen“. Er spricht aber von einer „Gruppe von 50 oder 60 Gestrandeten“, darunter auch Personen, die am äußersten rechten Rand angesiedelt seien.
Guido Fiedler ist für die WSA derzeit auch noch aus einem zweiten Grund eine Belastung. Der Kickboxer steht nach Informationen unserer Redaktion unter Verdacht, im vergangenen Jahr seinen Sohn zusammengeschlagen zu haben. Die Staatsanwaltschaft nennt auf Anfrage keine Namen, bestätigt aber, dass gegen einen 46-jährigen Augsburger Anklage wegen vorsätzlicher Körperverletzung erhoben worden ist. Dem Mann werde vorgeworfen, im September 2019 seinen 17-jährigen Sohn geschlagen sowie getreten und ihm dadurch Schmerzen und Verletzungen zugefügt zu haben.
Die Akte liegt jetzt beim Amtsgericht. Dort müssen die Richter nun entscheiden, ob sie die Anklage zulassen und es zu einem Prozess kommt. Peter Grab betont, Guido Fiedler habe sich ihm gegenüber glaubwürdig von „grenzwertigen Äußerungen“in der Vergangenheit distanziert. Was die Anklage wegen Körperverletzung angehe, so gelte bis zu einem Urteil die Unschuldsvermutung. Er hält es nach wie vor für keinen Fehler, Fiedler einen Platz auf der WSA-Liste angeboten zu haben. »Interview Ein Gespräch mit Marcella Reinhardt über ihren Austritt aus der WSA lesen Sie auf
Am Sonntag rufen die Augsburger Anhänger der Bewegung „Fridays for Future“(FFF) noch einmal zu einer großen Demonstration auf. Zwei Wochen vor der Kommunalwahl wollen sie ein Zeichen setzen. „Die Kommunalwahl wird zur Klimawahl“, sagt Mit-Organisatorin Sarah Bauer, 15. „Sie wird zur Zukunftswahl“, stimmen ihre Mitstreiter Elias Sandler, 17, und Leon Ueberall, 17, zu. Die Großdemonstration soll die vorerst letzte Demo der Augsburger Ortsgruppe sein.
Am 18. Januar 2019 gingen die Anhänger der Bewegung in Augsburg erstmals auf die Straße – zahlreiche öffentliche Protestaktionen folgten. Über ein Jahr hielten die Aktivisten durch, nun stoppen sie ihren Einsatz auf der Straße bewusst: „Wir wollen nach der Wahl der neuen Stadtregierung erst einmal ein wenig Zeit geben, sich zu etablieren und etwas zu verändern“, sagt Elias Sandler. Die Schüler hätten gemerkt, dass der Schulstreik am Ende nicht mehr die Wirkung gezeigt habe, die er einmal hatte. Nach dem anfänglichen Tabubruch habe ein Gewöhnungseffekt eingesetzt.
Zum vorläufigen Abschluss wollen sie am Sonntag, 1. März, eine Großdemonstration zusammentrommeln, die „alles bisherige übertrifft“schreiben sie in einer Mitteilung. Um 15 Uhr geht es am Rathausplatz los. Knapp 100 Unternehmen, Vereine und andere Augsburger Organisationen des Bündnisses „Augsburg handelt“haben zu der Demo aufgerufen.
Damit so viele Menschen wie möglich teilnehmen können, wurde der Sonntag als Termin gewählt. Elias Sandler, Leon Ueberall und Sarah Bauer hoffen auf denselben Zuspruch, den sie im September erfahren haben. Damals zählten sie 7000 Teilnehmer. Es hänge alles vom Wetter ab, sind sie sich sicher.
Im Vorfeld haben sie gemeinsam mit ihren Mitstreitern kräftig dafür geworben. Es wurden Banner in der Bäckergasse, am City-Club, an der Uni und am Zoo aufgehängt, Flyer verteilt und Werbetafeln gebucht. Finanzielle Unterstützung erhalten sie unter anderem durch Spenden
Fridays for Future Deutschland und ihren Bündnispartnern „Augsburg handelt“. In der vergangenen Woche gab es daneben auch Aktionen in verschiedenen Stadtteilen. Bei ihrer Aktion werden sie außerdem von den Augsburger Musikern von „Das Ding ausm Sumpf“und „John Garner“unterstützt.
Bei der Klimademo startet auch die Unterschriftensammlung für den Radentscheid Augsburg. Gemeinsam mit dem Forum Augsburg lebenswert, dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (Kreisverband Augsburg) und vielen engagierten Bürgern setzen sich die Mitglieder der FFF-Ortsgruppe Augsburg dafür ein, dass zügig ein Bürgerentscheid durchgeführt werden kann.
Das Ziel: Den Umbau der Ver
voranbringen und den Fahrradverkehr damit stärken. „Wir wollen, dass die Stadt verpflichtet wird, endlich etwas zu machen“, sagt Sarah Bauer. Mit der Demo kurz vor der Kommunalwahl wollen die Organisatoren auch an die Augsburger appellieren, ihr Wahlrecht wahrzunehmen – auch wenn die drei jungen Aktivisten selber gar nicht wählen gehen dürfen.
Elias Sandler, Leon Ueberall und Sarah Bauer wären für ein frühzeitigeres Wahlrecht. „Es geht schließlich um meine Zukunft. Ich würde gerne mitbestimmen, wie sie verläuft. In Hamburg darf man auch ab 16 Jahren wählen“, sagt Bauer.
Aufhören wollen die aktiven Anhänger der Gruppe nach der Großvon demonstration am Sonntag aber nicht. „Das ist gar keine Option“, betont Ueberall. Es werde vielmehr eine andere Phase eingeläutet – eine, in der sie das vergangene Jahr reflektieren können, aber auch ihren Forderungen, die sie an die Stadt gestellt haben, Nachdruck verleihen und neue Ziele formulieren wollen.
Inzwischen liegen die Stellungnahmen zu ihren Forderungen vor, die sie der Stadt gestellt haben. Teilweise wurden sie mit dem Fazit „Wird nicht umgesetzt“versehen.
Über diese Punkte wollen die Aktivisten noch einmal mit der Stadt reden. „Ich habe es aber als sehr positiv empfunden, wie mit unserem Forderungskatalog umgegangen wurde. Es gab keine Stankehrsinfrastruktur dard-Antworten. Wir wurden ernst genommen“, sagt sie. In den Osterferien wartet außerdem ein bundesweites FFF-Strategie-Treffen in Hannover, das die Augsburger besuchen möchten. Momentan befände sich die Bewegung in vielen Orten in Deutschland im Umbruch.
Die jungen Engagierten empfinden die Veränderungen bei der Augsburger Ortsgruppe als eine Erleichterung. Im vergangenen Jahr seien sie beinahe durchgehend damit beschäftigt gewesen, Demonstrationen zu organisieren. „Ich möchte diese Zeit nicht missen. In dem Jahr haben wir mehr gelernt, als wir an der Schule hätten lernen können“, sagt Leon Ueberall. „Wir sind ein richtiges Team geworden“, ergänzt Elias Sandler.