Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mein Kind möchte für alles belohnt werden
Bestechung von Politikern ist tabu, beim eigenen Kind sieht das anders aus. Für Rasenmähen gibt es fünfzig Cent, für zehnmal Kehren einen Schokoriegel und wer mit dem Hund hinausgeht, darf bei der Eisdiele vorbeigehen. Irgendwann haben Sie damit angefangen und es funktioniert. Eigentlich möchte ich, dass mein Kind hilfsbereit ist und die Aufgaben freiwillig übernimmt. Wie komme ich also aus dem Belohnungssystem wieder heraus? Oder noch besser: Wie gar nicht erst hinein?
Mein Sohn liebt Belohnungen und ich nütze das ehrlicherweise aus. Er würde sich liebend gern einen Liter Blut abnehmen lassen, weil man sich beim Arzt ja danach immer was aussuchen darf. Natürlich sind es immer nur Kleinigkeiten, die er bekommt. Beim Schwimmunterricht etwa hat er sich schrecklich angestellt. Also gab es für jede absolvierte Stunde bis zum Seepferdchen ein kleines Figürchen oder so. Wenn er nicht in den Kindergarten wollte, aber dennoch mit Murren geblieben ist, habe ich ihn auch belohnt. Also so gut wie täglich. Es gibt pädagogisch wertvollere Methoden, ich weiß. Und ich hatte deswegen auch Diskussionen mit meinem Mann: „Bekommt er jetzt für jeden Sch… etwas?“Aber mein Mann war auch nicht in der Situation, dass er in die Arbeit musste und das Kind nicht bleiben wollte. Das hatte immer ich auszukämpfen.
Bei unserem Sohn bestand die Gefahr erst gar nicht: Er ist quasi belohnungsresistent – wenn er etwas nicht tun will, ist er auch mit Geld beispielsweise nicht zu locken. Sehr gelacht haben wir, als er uns mit cirka 14 erklärte, er glaube, wir hätten ihn gar nicht erzogen. Auf die Frage, wie er das meine, antwortete er: „Na, es gab bei uns nie Fernseh- oder Handyverbot oder Zimmerarrest wie bei den anderen.“Geholfen hat er uns trotzdem – meistens…Vielleicht braucht man die positive Belohnung nicht, wenn es auch keine negative Belohnung in Form von Strafen gibt? Beides wirkt ja eigentlich nur, wenn es immer eine Steigerung gibt. Schon Grundschulkinder verstehen, wenn man sie um Hilfe bittet, weil man sie auch wirklich braucht. Und Belohnungen gibt es bei uns natürlich hin und wieder auch – aber nicht nach einem festen System! » Auch Ihnen brennt eine Erziehungsfrage auf den Nägeln? Dann schreiben Sie uns an Familie@augsburger-allgemeine.de. Die Kolumne wird betreut von den Redakteurinnen Doris Wegner und Stefanie Wirsching, beide Mütter, und Autorinnen des Buches „Supermütter“. Das Buch ist erhältlich bei den Service-Partnern unserer Zeitung oder unter www.augsburger-allgemeine.de/shop