Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Nachverdichtung
Jahrzehntelang war die Zersiedelung erste Wahl, wenn es ums Bauen ging. Schier unerschöpflich schien die Aufnahmekapazität (und Attraktivität) der „grünen Wiese“für Wohnen und Gewerbe.
Orte fransten an den Rändern aus – und im Kern häufte sich der Leerstand, klafften Lücken und Brachen. Dieses Prinzip der wahllosen Ausdehnung unter Ansiedlungsdruck ist an Grenzen gestoßen. Immer mehr Leute (und Supermärkte!) zieht es in die Innenstädte, in die Nähe von urbanen Strukturen, weg aus den toten Winkeln der Reihenhaussiedlungen oder aufgelockerten Ortsrandschlafstraßen mit Buswartehäuschen hin zum prallen Lebensgefühl der kurzen Wege.
Bloß: Wohin? Der städtische Raum ist voll, belegt wie die Wohnungen. Platz ist knapp – aber es gibt ihn noch. In Lücken, in zweiter Reihe, auf bestehenden Gebäuden, auf allerletzten Hinterhofbrachen. Das Zauberwort heißt Nachverdichtung. Das klingt ein bisschen wie Vollverglasung oder Zwangsverpflichtung, jedenfalls nicht ganz so positiv wie Nachhaltigkeit. Und wer in Nachbarschaft eines Nachverdichtungsprojektes lebt, fürchtet Nachteile.
Nicht immer haben die, die schon da sind, das Nachsehen. Es gibt in Deutschland vermutlich mehr Nachverdichtungsideen, die an Widerständen gescheitert sind, als solche, die realisiert wurden. Nachverdichtung wirft Schatten. Stadtluft? Zusammenrücken? Ach, es ist leider echt nichts mehr frei! Raum ist kein nachwachsender Rohstoff unter unserem Himmel …
Nachträglich nachjustieren im Bestand ist schwierig. Viel schwieriger als das Versiegeln von Mutterboden draußen, selbst wenn das pro Hektar Halle gerade mal 15 Billigjobs bringt. Wir sind, wenn’s eng wird, im Zweifel dann eben doch sogar noch lieber ein Volk der Dichter als eines der Nachverdichter.