Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Tanzschule zwischen Wut und Enttäuschung
Erst wurden vom Augsburger Ordnungsamt Lockerungen beim Unterricht genehmigt, dann grätschte das Gewerbeamt dazwischen. Die Schule muss zu bleiben. Für das Hin und Her hat die Familie Trautz kein Verständnis mehr
In kleinstmöglichen, verantwortungsbewussten Schritten hatte man in der Augsburger Traditionstanzschule Trautz&Salmen versucht, nach fast dreimonatiger Sperre den Betrieb behutsam wieder anlaufen zu lassen. Die Eigentümer-Familien hatten dafür ein umfangreiches Hygienekonzept für die Behörden erstellt. Das sah Privatunterricht in der Form vor, dass ein Trainer in einem Tanzsaal so groß wie zwei Volleyballfelder ein Paar aus einem gemeinsamen Haushalt mit dem gebotenen Abstand von 1,50 Meter für maximal 50 Minuten unterrichten würde.
Am Donnerstag hatte das Ordnungsamt der Stadt Augsburg diese Pläne genehmigt und die Tanzschule voll Vorfreude die ersten Übungsstunden ausgemacht. Nur einen Tag später war alles hinfällig. Das Gewerbeamt grätschte dazwischen. Tanzschulen müssten weiterhin geschlossen bleiben, hieß es. Das Ordnungsamt habe eine „Falschaussage gemacht, weil die Verordnung von der Ordnungsamt-Mitarbeiterin nicht richtig interpretiert worden ist“, so die Erklärung, die bei Nicolas Trautz, dem Geschäftsführer der Tanzschule, das Fass zum Überlaufen brachte. „Wut, Enttäuschung und Gefühlschaos“habe diese Nachricht bei ihm ausgelöst, sagt er.
„Mir ist natürlich klar, dass auch der staatliche Verwaltungsapparat vor besonders großen Herausforderungen steht. Anscheinend ist dieser Apparat aber völlig überfordert! Die Verordnungen sind teilweise sinnfrei und unzureichend begründet oder vorschnell beschlossen worden“, postete er wütend auf seiner Facebook-Seite. Zudem ist er davon überzeugt, nun auch noch vom Gewerbeamt eine Falschaussage bekommen zu haben. Denn dort sei ihm unter Berufung auf die bayerischen Corona-Verordnungen gesagt worden, dass Tanzlehrer ihre Kunden für eine Privatstunde zu Hause besuchen dürften. „Das wiederum habe ich in keiner Verordnung gefunden. Davon steht da gar nichts drin. Die Situation ist grotesk und schmerzt einfach nur“, so Trautz. Er kann nicht verstehen, dass der Unterricht in einem 300 Quadratmeter großen, ordentlich belüfteten
weiterhin verboten ist. „Da entscheiden Menschen über Bereiche, von denen sie keine Ahnung haben. Wir haben unsere Unterstützung angeboten, aber es gibt permanent kein Entgegenkommen.“50 bis 60 Privatstunden musste man bei Trautz&Salmen deshalb wieder absagen.
Generell hängen Tanzschulen gerade ziemlich in der Luft. Es sei unheimlich schwer herauszufinden, was erlaubt ist und was nicht, berichten Nina Trautz und ihre Mutter Martina, die als Trainerinnen und Ausbilderinnen aktiv sind. Sie beklagen, dass Tänzer wie Tanzschulen eigentlich nirgendwo richtig verankert sind – was Vorgaben, aber auch Hilfen betrifft. Bei den Sportverbänden werde abgewunken, weil Tanzen nicht zu den olympischen Sportarten gehört. Und bei der Kultur fühlt man sich ebenfalls nicht zuständig. „Tanzschulen werden leider ganz oft in die Richtung Freizeit, Kneipen und Diskotheken eingeordnet. Das stimmt aber nicht. Für uns ist es schwer, den Leuten klar zu machen, dass wir auch beim Tanzen Hygienekonzepte einhalten können“, betont Martina Trautz, Vizepräsidentin des Deutschen Tanzlehrer-Verbandes und Turnierrichterin.
Jetzt bleibt der Familie Trautz nichts anderes übrig, als auf den Juni zu warten. „Da soll über die FitTanzsaal ness-Studios entschieden werden. Wir hoffen, dass wir da auch dabei sind. Aber eine klare Aussage haben wir bisher noch nicht bekommen“, fühlt Profi-Tänzerin Nina Trautz sich, ihren Sport und ihren Berufsstand in Vergessenheit geraten.
Wie die meisten Tanzschulen in Augsburg bietet auch die Tanzschule Trautz&Salmen in diesen Zeiten ihren Kunden zumindest OnlineVideos und -Unterricht für zu Hause an. So sind Schrittfolgen oder technische Tipps für Turnier- und Freizeittänzer ebenso abrufbar wie Kinder-, Zumba- oder Hip-HopChoreografien. „Die meisten AboKunden im Tanzkreis halten uns die Treue. Wir werden deren Stunden sobald es möglich ist nachholen und dann auch während der Ferien arbeiten“, berichtet Martina Trautz.
Der Zeitpunkt der Corona-Pandemie kam für die Tanzsportler zur schlimmsten Zeit. Mitten hinein in den Beginn der Saison, in der die Tanzschule eigentlich ihr 110-jähriges Bestehen mit zahlreichen Veranstaltungen feiern wollte.
Doch alle Bälle, die traditionell im Frühjahr und Sommer stattfinden, einschließlich der zahlreichen Abschlussund Abibälle, mussten abgesagt werden. Zudem hätte im Mai im Kongress am Park die Deutsche Meisterschaft im Lateintanzen stattfinden sollen. „Die haben wir mal auf den 29. November verschoben, in der Hoffnung, sie dann machen zu können“, berichtet Martina Trautz. Tickets, die bereits verkauft wurden, behalten ihre Gültigkeit.
Und für die Zuschauer gibt es nun eine besondere sportliche Zugabe. Die Veranstaltung wird nun um die Deutsche Kür-Meisterschaft ergänzt, an der auch Nina Trautz und ihr Partner Victor Burchuladze vor heimischem Publikum zu sehen sein werden.